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Meroid


Lokaloid


Spekulative Philosophie

Definition


Als Meroid soll hier ein handelndes Teil von einem übergeordneten Ganzen, dem Holoid, verstanden werden, das seine Entscheidungen ganz an räumlich, zeitlich, semantisch oder wertend an im nahestehenden Informationen orientiert.

Meroide in Netzwerken


In der Informatik werden viele Bereiche der Wirklichkeit als Netzwerk modelliert. Telefonkunden bilden ein Kommunikationsnetzwerk, Nervenzellen in einem Gehirn bilden ein neuronales Netz(Werk), Menschen aus dem Alltag bilden ein soziales Netzwerk definieren. Und Computer selbst bilden eine Netzwerkarchitektur. Netzwerke bestehen dabei aus sogenannten Kanten und Knoten. Menschen, Nervenzellen oder Computer wären die Knoten, die Verbindungen zwischen ihnen die Kanten. Ein Netztwerk wird als "lokal strukturiert" bezeichnet, wenn "jede Unterkomponente mit nur einer begrenzten Anzahl anderer Komponenten direkt, unabhängig von der Gesamtzahl der Komponenten" interagiert[1]. Siehe auch Beispiel dafür ein klassisches neuronales Netz ↗

Meroide in Multiagentensystemen


Als Multiagentensystem bezeichnet man in der Informatik aus mehreren gleichartigen oder unterschiedlichen Einzeleinheiten, die gemeinsam ein Problem, das heißt eine Aufgabe, lösen. Die Agenten können Softwareteile sein, Roboter, andere Hardwarekomponenten, oder, im Fall von hybriden Systemen, auch Menschen oder andere Organismen. Siehe auch Multiagentensystem ↗

Meroide Computer-Vögel


Im Jahr 1987 veröffentlichte Craig Reynolds seine Computersimulation von Vogelschwärmen: obwohl jeder Vogel nur seine unmittelbare Nachbarschaft wahrnimmt, entsteht aus dem Verhalten der lokal fokussierten Einzeltiere ein scheinbar intelligentes Verhalten des gesamten Schwarmes. Diese Auftreten von neuen Eigenschaften auf einer nächsthöheren Stufe von Komplexität nennt man auch Emergenz. Siehe mehr zu dieser Computersimulation einer Schwarmintelligenz im Artikel Boids ↗

Meroide und Schwarmintelligenz


Als Schwarmintelligenz im engeren, biologischen Sinn bezeichnet man kollektive Leistungen von zusammenlebenden Tieren der Luft (Insekten, Vögel etc.) und des Wassers (Fische, Wale etc.). Bei landlebenden Tieren hingegen spricht man von einer Herde (z. B. Büffel) oder von einem Staat (z. B. Ameisen) oder Volk (z B. Bienen). Die Individuen eines Schwarmes sind meist von derselben Art und zeigen kaum bis keine dauerhafte Arbeitsteilung. In dem Maße wie die Individualität der Individuen zugunsten des Kollektivs geringer wird und auch zunehmend Arbeitsteilung zu beobachten ist, spricht man zunehmend auch von einem Superorganismus. Siehe mehr zu dieser Form kollektiver Intelligenz von Vögeln und Fischen im Artikel zur Schwarmintelligenz ↗

Meroide in evolutionären Sprüngen


Bis etwa zur erdgeschichtlichen Zeit des Kambriums lebte ein Großteil der Lebewesen auf der Erde als Einzeller. Erst recht spät in der Geschichte der Erde verbanden sich diese Einzeller zu echten Organismen mit innerer Arbeitsteilung, gemeinschaftlicher Fortpflanzung und - zumindest bei Tieren - einer greifbaren neuronalen Intelligenz mit zentraler Steuerung. Die vormals ganz autark in ihrer Umwelt lebenden Einzeller verloren dabei immer mehr an Individualität[5] und spezialisierten sich immer mehr auf ihre nahe Umwelt innerhalb des entsehenden Überorganismus. Unter anderem ging das oft einher mit einem Verlust zellulärer Mobilität. Siehe dazu den Artikel Entwicklung von Einzellern zu Vielzellern ↗

Meroide in der Wirtschaft (Ökonomie)


Aus dem blinden, egoistischen und auf eigenen Vorteil bedachten Handeln einzelner Menschen entstehe auf zauberhafte Weise das bestmögliche Allgemeinwohl für eine Gesellschaft. Angebot und Nachfrage, vermittelt über Preise, sorgen für die effizienteste Form von wirtschaftlichem Handeln. Dieses Grundprinzip formulierte im Jahr 1776 der schottische Nationalökonom Adam Smith[3] und nannte es das Prinzip der unsichtbaren Hand. Jeder Mensch oder jede Firma in einer Marktwirtschaft kann die Sicht auf die Welt reduzieren auf eigene Profitmöglichkeiten. Und wie bei einer Schwarmintelligenz emergiert dort dann auch der Nutzen für das Kollektiv. Siehe auch Marktwirtschaft ↗

Lokaloidie in der (Populär)Soziologie


Engstirnige, kleingeistig denkende Spießer, bornierte Weltsichen und zukunftsblindes Leben im Jetzt: in der Literatur lassen sich die Klagen über die Begrenztheit menschlicher Phantasie und Interessen über Jahrhunderte zurückverfolgen. Zu konkreten, greifbaren Figuren werden sie verdichtet mit Worte wie Provinzialismus oder Kleinbürger ↗

Meroide in der Wissenssoziologie


Im Jahr 1935 veröffentlichte der polnische Mediziner Ludwik Fleck ein kleines Buch das heute als Pionierarbeit[4] auf dem Gebiet der Wissenssoziologie gilt. Fleck zufolge schränken Wissenschaftler ihre Sicht auf die Welt notwendigerweise stark ein. Nur dadurch werden komplexe Aufgaben überhaupt handhabbar. Der Wissenschaftler wird dadurch zu einem Lokaloid, indem er seinen Interessensbereich durch ausgewählte Fragestellung einengt und gleichzeitig auch eine mehr oder minder bewusste Einschränkung seiner Erkenntnismethoden vornimmt. Siehe mehr dazu im Artikel Denkkollektiv ↗

Meroide in der Physik


In der Physik stehen sich seit Jahrhunderten zwei Sichten gegenüber: a) die Idee, dass physikalische Dinge wie Teilchen nur über direkten Kontakt wechselwirken können und b) die Idee dass Gegenstände der Physik auch ohne vermittelnde andere Objekte über weite Distanze auf andere Gegenstände einwirken können. Das klassische Beispiel für den ersten Fall sind zwei aneinanderstoßende Billardkugeln, das klassische Beispiel für den zweiten Fall eine als Fernwirkung angenommene Gravitationskraft. Die Formeln der Quantenphysik lassen das Pendel eher Richtung Fernwirkung (Nichtlokalität) ausschlagen. Der Mathematiker Roger Penrose ging der Frage nach, inwiefern die Nichtlokalität der Physik mit Bewusstsein zusammenhängen könnte[6]. Er ging davon aus, dass Bewusstsein keine Funktion lokaler Zustände einzeler Zellen im Gehirn sei, sondern einen Gehirnzusand sozusagen global ausliest. Als Naturwissenschaftler spitzte Penrose diese Fragestellung auf ein überprüfbares Experiment zu: gibt es Kristalle, die nur deshalb ihre spezielle Form erreichen können, weil die einzelnen Moleküle über "Wissen" verfügen, das nicht in ihrer unmittelbaren Umgebung verfügbar ist sondern den globalen Gesamtzustand berücksichtig? Falls es solche Kristalle geben sollte dann wären die einzelnen Moleküle oder Atome keine Lokaloide. Penrose' Gedanken, falls sie zutreffen, verwiesen dann zumindest theoretisch auf die Möglichkeit dass auch einzelne Menschen "mit dem gesamten Universum" verbunden sein könnten. Der Philosophie Aldous Huxley bezeichnet dazu passend die normalen Zustände von Bewusstsein als ein Reduzierventil (reducing valve) und Gefühle von Allverbundenheit als "Mind at Large"[7]. Penrose ist einer der wenigen Naturwissenschaftler, die philosophische Frage nach Bewusstsein auf so enge Weise mit physikalischen und mathematischen Konzepten verband. Siehe dazu auch sein Buch Computerdenken ↗

Meroide in der Philosophie des Geistes


Wir können uns gegenseitig Bilder und Gegenstände zeigen und Worte zuspielen, wir können aber nicht direkt unsere Bewusstseinszustände teilen. Wir leben sozusagen als Bewusstseinsinseln, gefangen in unserer Subjektivität bis hin zu einem philosophischen Solipsismus. Diese Tatsache scheint so offensichtlich und gegenwärtig zu sein, dass sie oft kaum Aufmerksamkeit findet. Warum ist die Welt so eingerichtet, dass wir unsere inneren Seelenerlebnisse nicht direkt teilen können? Ist das ein Schutz, dass wir nicht übergriffig auf andere Seelen werden können? Ist es eine göttliche Laune, die eine Welt voller individueller Einzelwesen möchte? Ist es Ausdruck einer simulierten Welt, die im Sinne von verteilten Systemen als kollektive Intelligenz angelegt ist? Ein Einstieg in diese und ähnliche Fragen bietet der Artikel zur menschlichen Befangenheit im eigenen Ich, dem Solipsimus ↗

Fußnoten