Parallaxe Physik Basiswissen Als Parallaxe bezeichnet man einen "Winkel […] zwischen den Sehstrahlen von zwei Beobachtungsorten A und B aus zum selben Objekt, beobachtbar als scheinbare Verschiebung […] des Objekts vor dem Hintergrund [1]". Die Parallaxe spielt zum Beispiel eine Rolle beim Ablesen von Messgeräten sowie in der Astronomie. Das ist hier kurz erklärt. Die Parallaxe als perspektivischer Effekt Parallaxe "nennt man die Richtungsverschiedenheit zweier Strahlen, die von zwei verschiedenen (verhältnismäßig nahe beieinander gelegenen) Punkten nach einem dritten hinzielen [8]". Das kann man sich anschaulich gut anhand von einem großen Buchstaben X erklären. Wenn man den linken oberen Endpunkt mit A bezeichnet, den rechten oberen Endpunkt mit B, den linken unteren Endpunkt mit C, den rechten unteren Endpunkt mit D und den Punkt in der Mitte mit M, dann ergibt sich folgende Erklärung. Ein Beobachter in A sieht den Punkt M vor dem Hintergrund B. Ein Beobachter C sieht den Punkt M vor dem Hintergrund A. Die Parallaxe ist dann der Winkel zwischen der Strecke MD und der Strecke MC. Die Parallaxe als Winkel Die Parallaxe wird meist nicht nur qualitativ als perspektiver Effekt aufgefasst sondern auch als quantitativ genau angebbarer Winkel [1][4]. Das kann man sich anschaulich anhand eines großen griechischen Lambdas deutlich mach: Λ. Wenn die beiden unterne Enden der schrägen Striche des Buchstabens zwei Standorte auf der Erde sind und die obere Spitze des Buchstaben ein Himmelskörper, dann ist die Parallaxe der Winkel zwischen den beiden Strichen oben bei der Spitze. Wie man diesen Winkel in der praktischen Astronomie messen kann ist zum Teil aufwändig, aber zum Beispiel in manchen Lexika ausführlich auch mit Skizzen beschrieben [8][9]. Eine unerwünschte Parallaxe bei Messgeräten Man kennt den Effekt vielleicht vom Ablesen eines Thermometers mit einer Flüssigkeitssäule. Wenn man von schräg oben auf das Thermometer blickt liest man zum Beispiel 30 °C ab, blickt man von schräg unten auf das Thermometer, sind es zur selben Zeit plötzlich 31 °C. Der Grund dafür ist, dass die Striche der Ableseskala eine gewisse Entfernung zur Flüssigkeitssäule haben. Durch die Änderung der eigenen Position relativ zur Skala und Flüssigkeit ergibt sich eine Parallaxe-Effekt. Um das zu vermeiden blickt man im rechten Winkel auf die Skala. Siehe auch Flüssigkeitsthermometer ↗ Kontraintuitiv: die fehlende Parallaxe in der Astronomie Fährt man in einem schnellen Zug an einem Hochhaus vorbei, so muss man den Kopf ständig drehen, will man die Spitze des Hochhauses im Blick behalten. Dasselbe gilt auch für weiter entfernte Objekte, wie etwa eine Stadt in einign Kilometern Entfernung. Es ist eine alltägliche Erfahrung, dass man die Blickrichtung ändern muss, wenn wenn man an eine Gegenstand vorbeifährt und den Gegenstand dabei dauernd ansehen möchte. Das aber gilt nicht mehr für den Mond. Wenn man aus einem schnellen Zug (der dazu geradeaus fahren muss) seitlich aus dem Fenster blickt und auf den Mond - oder irgendeinen beliebigen Stern - schaut, dann kann man für eine sehr lange Zeit den Kopf und die Augen unbeweglich in diese Richtung schauen lassen und man wird trotzdem die ganze Zeit über den Mond oder den anvisierten Stern sehen. Der Effekt der Parallaxe scheint für diese Himmelskörper nicht zu gelten. Um das Kontraintuitive, das heißt das gegen das Gefühl Gehende, noch mehr zu verdeutlichen, kann man noch ein weiteres Experiment machen. Man nimmt zwei lange Röhren, zum Beispiel schmale Rohre etwa 50 Zentimeter lang (die genaue Länge ist unwichtig) und vielleicht 1 bis 10 Zentimeter im Durchmesse (je weniger, desto eindrucksvoller). Wenn man zu zweit ist, dann kann man sich zum Beispiel in 2 Metern Entfernung zueinander hinstellen. Beide Personen blicken dann so durch das Rohr auf einen selben Stern (oder den Mond). Man wird dann stets feststellen, dass die beiden Rohre so gut wie parallel verlaufen. Ein weiteres Beispiel: zwei Personen stehen wieder einen oder zwei Meter nebeneinander. Eine Person soll dann so auf einen Stern zeigen, dass die andere Person mit der gezeigten Armrichtung den anderen Stern erkennen kann. Man wird als zeigende Person automatisch, das heißt unbewusst, den Arm so drehen, als ob man aus Sicht der anderen Person auf eine hoch hängende Glühbirne in einem Zimmer zeigen möchte. Doch tatsächlich muss die zweite Person ihren eigenen Arm exakt parallel zum Arm der zeigenden Person ausrichten, um auf denselben Stern zu zeigen. Etwas das gegen das eigene Gefühl geht nennt man auch kontraintuitiv ↗ Die Parallaxe und die Entfernung der Sterne Wenn die Sterne unterschiedliche Entfernungen zur Erde hätten (was sie tatsächlich auch haben), dann müsste man bei einer Veränderung des eigenen Standortes sehen, wie sich die näher gelegene Sterne vor dem scheinbaren Hintergrund der weiter entfernten Sterne verschieben. Eine solche Verschiebung konnte aber erst in den 1830er Jahren mit sehr genauen Winkelmessgeräten genau gemessen werden [2, Seite 112]. Damit war aber auch der Weg frei zur Bestimmung der Entfernung von Sternen. Im Jahr 1838 bestimmte Friedrich Wilhelm Bessel (1784 bis 1846) so die Entfernung des Sternes Alpha im Sternbild Schwan und kam auf eine Entfernung von 10,5 Lichtjahren oder 100 Billionen Kilometern [6]. Das war 10 tausend mal weiter entfernt, als noch Copernicus (1473 bis 1543) für die Entfernung der Fixsterne angenommen hatte [2, Seite 112]. Ähnlich wie für die Geologie damals zunehmend die unermeßliche zeitliche Entfernung der Erdurzeit klar wurde (Tiefe Zeit), wurde Astronomen jetzt schlagartig die wahre Größe des Universums immer deutlicher. Als astronomische Einheit der Entfernung dient dazu passend heute unter anderem das Parsec ↗ Fußnoten [1] Parallaxe als Winkel. In: Duden-Lexikon in drei Bänden. Band 3. P bis Z. Bibliographisches Institut AG. Mannheim. 1962. Dort die Seite 1621. [2] Jürgen Teichmann: Wandel des Weltbildes. Astronomie, Physik und Meßtechnik in der Kulturgeschichte. Mit Beiträgen von Volker Bialas und Felix Schmeidler. Herausgegeben vom Deutschen Museum in München, über die Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Darmstadt. 1983. Dort das Kapitel "Die Fixsternparallaxe" von Seite 108 bis Seite 115. [3] Parallaxe als perspektivischer Effekt: "Die Parallaxe (a. d. Griech.) heißt eigentlich eine Veränderung, ein Verrücken; dann heißt sie im weitläufigsten Sinne der Abstand zweier Orte eines Gegenstands, der aus zwei verschiedenen Ständen betrachtet wird. Sie ist besonders in der Astronomie, zu Ausmessung ungeheurer Entfernungen, von sehr großem Nutzen, weil außerdem man von der Weite der Sterne, von der Erde und ihrer wahren Größe gar nichts bestimmtes wissen könnte." In: Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 8. Leipzig 1811, S. 201. Online: http://www.zeno.org/nid/20000800732 [4] Parallaxe als Winkel: "Parallaxe wird der Winkel genannt, welcher zwei von verschiedenen Punkten einer geraden Linie nach einem von derselben aus wahrnehmbaren Gegenstande gerichtete Gesichtslinien bilden, indem sie sich dort vereinigen. Sie bilden zugleich auf der zum Standpunkte der Beobachter angenommenen Linie ein Dreieck, dessen Scheitelwinkel eben die Parallaxe ist. Sie dient besonders in der Astronomie zur Berechnung der Entfernung der Himmelskörper und es ergibt sich aus dem Vorigen, daß die Parallaxe eines Sternes der Winkel sein muß, welcher an demselben durch zwei von einer geraden Linie der Erde aus dort zusammentreffenden Gesichtslinien entsteht. Als diese gerade Linie nimmt die Sternkunde den Halbmesser der Erdkugel an und nennt eine von den zwei Endpunkten dieser Grundlage durch Beobachtung und Berechnung gefundene Parallaxe eine tägliche; der jährlichen dienen die beiden Endpunkte des Durchmessers der Erdbahn um die Sonne zur Grundlage. (S. Fixsterne.)" In: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 410. Online: http://www.zeno.org/nid/20000851574 [5] Parallaxe als Winkel oder als perspektivischer Effekt: "Parallaxe, der Unterschied der zwei scheinbaren Orte, an welchen ein von 2 verschiedenen Standpunkten aus beobachteter Gegenstand gesehen wird od. auch der Winkel, den 2 von diesen Standpunkten aus nach dem Gegenstande gezogene Gesichtslinien bilden. Mittelst der P. werden in der Astronomie die Entfernungen der Himmelskörper bestimmt. Man unterscheidet zwischen täglicher und jährlicher P. Bei der erstern werden die Gesichtslinien von dem Mittelpunkte der Erde und einem Punkte auf der Oberfläche der Erde (also von den Endpunkten eines Erdhalbmessers) aus gezogen, bei der jährlichen P. dagegen von 2 möglichst weit von einander entfernten Punkten der Erdbahn aus, wodurch man eine viel größere Entfernung der 2 Beobachtungspunkte gewinnt (bei diametral entgegengesetzten Punkten der Erdbahn 41 Mill. Meil.). Bei der täglichen P. ist der Gesichtswinkel am größten, wenn das beobachtete Gestirn im Horizont steht (Horizontal-P.), und wird um so kleiner, je höher das Gestirn sich über den Horizont erhebt (Höhen-P.). Bei der Horizontal-P. bilden die 2 Gesichtslinien mit dem Erdhalbmesser ein rechtwinkliges Dreieck." In: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1856, Band 4, S. 459. Online: http://www.zeno.org/nid/20003461351 [6] Parallaxe als Winkel. erstmals auch Bestimmung von Entfernungen von Sternen: "Parallaxe (gr.), der Winkel, welchen die beiden Richtungslinien von zwei verschiedenen Beobachtungsarten nach einem u. demselben Gegenstand mit einander bilden. In der Astronomie unterscheidet man Horizontal- od. tägliche P., Höhen- od. jährliche P. Unter Horizontalparallaxe versteht man den Winkel, welchen die beiden Gesichtslinien nach einem gewissen Gestirn vom Mittelpunkt der Erde aus u. von einem Beobachtungsort auf der Erdoberfläche aus einschließen, für welchen letzteren das Gestirn eben im Horizont steht, od. der Winkel, unter welchem von jenem Gestirn aus der Halbmesser der Erde erscheint. Bei der Höhenparallaxe braucht für die zweite Gesichtslinie das Gestirn nicht im Horizont zu stehen, sie ist immer kleiner, als die Horizontalparallaxe, nämlich gleich dem Product aus Horizontalparallaxen u. dem Cosinus des Höhenwinkels. Die Horizontalparallaxe heißt auch tägliche P. im Gegensatz zu der jährlichen P., d.h. zu dem Winkel, welchen die beiden Gesichtslinien von zwei diametral gegenüberstehenden Punkten der Erdbahn mit einander bilden. Die Messungen der P. werden gebraucht, um daraus die Entfernungen der Gestirne zu berechnen, u. zwar beobachtet man die tägliche P. für die Körper unseres Sonnensystems; die tägliche P. des entferntesten davon, des Neptun, beträgt 0,3 Sec.; für die Fixsterne suchte man die jährliche P. zu bestimmen, fand aber bis vor circa 20 Jahren gar keine, weil die Entfernung der Fixsterne so groß ist, daß der Halbmesser der Erdbahn dagegen fast verschwindet. In neuerer Zeit fand Bessel die jährliche P. von 61 im Schwan 0,348 Sec., woraus sich eine Entfernung von mehr als 1 Billion Meilen ergibt. Später fand sich die von α im Centaur 0'', 92, von Sirius 0,23, von α im Bootes 0, to. Die P. der Sonne wird sehr nahe 8,5 Sec. angegeben, woraus sich die Entfernung der Sonne genau berechnen läßt. Weil dieser Winkel so klein ist., so läßt er sich mit der nöthigen Genauigkeit nur sehr schwer u. nicht unmittelbar bestimmen. Aus der bekannten Entfernung des Mars von der Erde folgt, daß dessen P. in seiner Erdnähe 274 Mal größer als die mittlere Sonnenparallaxe sein muß. Man beobachtete die P. des Mars u. fand hieraus genauer, als durch unmittelbare Beobachtung der Sonne, die Sonnenparallaxe. Ebenso muß die noch nähere Venus eine 31 Mal größere P. haben, wenn sie vor der Sonne vorübergeht. P. der Breite u. Länge, ist die Differenz zwischen den Breiten u. Längen des wahren u. scheinbaren Ortes eines Himmelskörpers; P. der Abweichung u. geraden Aufsteigung, die Differenz in den Declinationen u. Rectascensionen des wahren u. scheinbaren Orts eines Sternes." In: Pierer's Universal-Lexikon, Band 12. Altenburg 1861, S. 667. Online: http://www.zeno.org/nid/2001059017X [7] Parallaxa psychologisch: "Parallaxe, binoculare, ist »die Lagedifferenz eines Bildpunktes im einen von der im andern Auge« (WUNDT, Gr. d. Psychol.5, S. 165)." In: Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 2. Berlin 1904, S. 71. Online: http://www.zeno.org/nid/20001798383 [8] Parallaxe als Winkel oder perspektiver Effekt: "Parallaxe (von παραλλάσσειν = wechseln) nennt man die Richtungsverschiedenheit zweier Strahlen, die von zwei verschiedenen (verhältnismäßig nahe beieinander gelegenen) Punkten nach einem dritten hinzielen." Der Artikel geht dann weiter sehr ausführlich, auch mit Skizzen auf die astronomische Bedeutung ein. In: Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 7 Stuttgart, Leipzig 1909., S. 27-28. Online: http://www.zeno.org/nid/20006098533 [9] Parallaxe als Winkel, Anleitung zur Messung: "Parallaxe (griech., Abweichung), der Winkel, den zwei von den Standpunkten A und B (Fig. 1) nach dem Punkt S gezogene gerade Linien einschließen, also der Winkel, unter dem die Strecke AB, von S aus gesehen, erscheint. Derselbe ist um so kleiner, je weiter S von A und B entfernt ist. Bewegt man sich von dem Standpunkt A nach B, so dreht sich die Gesichtslinie AS um den Winkel ASB, und wenn hinter S in weiter Ferne ein Hintergrund liegt, so hat es den Anschein, als rückte S auf demselben fort, aber in einer Richtung, die der Bewegung des Beobachters entgegengesetzt ist." Der Artikel gibt dann unter anderem genaue Anleitung zur Messung der Parallaxe etwa für den Mond oder einen Stern. In: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 422-423. Online: http://www.zeno.org/nid/20007213336 [10] Parallaxe als Winkel: " Paralláxe (grch.), der Winkel (parallaktischer Winkel), zwischen den von den beiden Enden einer Standlinie nach einem fernern Punkt gezogenen Visirlinien, wichtig in den Aufgaben der Geodäsie und Astronomie für die Berechnung der Entfernung des fernen Punktes von der Standlinie, z. B. des Abstandes ferner Weltkörper von der Erde. Die P. nimmt zu, wenn die Entfernung des Punktes kleiner oder die Standlinie größer wird. Tägliche P. ist der Winkel, unter welchem der Äquatorhalbmesser von dem Gestirn (Sonne, Mond) erscheint; bei Fixsternen, die wegen ihrer großen Entfernungen keine meßbare tägliche P. haben, benutzt man die jährliche P., d.h. den Winkel, unter welchem der Erdbahnhalbmesser vom Fixstern aus erscheint." In: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 353. Online: http://www.zeno.org/nid/2000142422X Flüssigkeitsthermometer [Beispiel] Parsec [parallaktische Sekunde] Winkelrechnung [mathematisch] Astronomie Physik-Lexikon Naturphilosophie Parallaxe auf Wikipedia Zurück zur Startseite