Nous
Geist
Basiswissen
In der antiken griechischen Philosophie heißt Nous so viel wie Geist[1] oder Verstand[2]. In einer kosmischen Deutung steht Nous auch für einen göttlichen Willen, der dem Kosmos zugrunde liegt oder ihn in eine bestimmte Richtung lenkt. Eine deutsche Entsprechung wäre der Begriff der Weltvernunft oder einer in der Welt wirkenden Weltseele ↗
Fußnoten
- [1] 1904: "Nus nous s. Geist." In: Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 1. Berlin 1904, S. 746. Online: http://www.zeno.org/nid/20001797433
- [2]1907, Nous als Verstand: "Nus, Nous (gr. nous = Verstand) heißt schon bei Homer das Erkenntnisvermögen; von Parmenides und Demokritos wird er der Seele (psychê) gleichgesetzt, von Platon und Aristoteles als edelster Teil derselben gedacht. Platon versteht darunter die denkende Seele (logistikon), die im Haupte ihren Sitz hat, Aristoteles den Teil der menschlichen Seele, den sie vor den Tieren voraus hat. Die übrigen Teile der Seele sind nach ihm vergänglich; der nous ist präexistierend und unsterblich. – In der Geschichte der griechischen Metaphysik spielt der Nous eine wichtige Rolle: Schon Xenophanes von Kolophon (ca. 500 v. Chr.) nahm eine objektive göttliche Vernunft als Weltprinzip an. Ihm folgend, fand Anaxagoras (500-428) des Sokrates Lehrer, die bewegende und gestaltende Kraft weder mit den Hylozoisten in der Natur der Stoffe selbst, noch mit Empedokles in unpersönlichen psychischen Mächten, sondern in einem weltordnenden Geiste. Der Nous unterscheidet sich nach ihm von den materiellen Wesen durch Einfachheit, Selbständigkeit, Wissen und Herrschaft über den Stoff. Platon (427-347) definiert die weltbildende Vernunft als die schöpferische Zweckmäßigkeit in der Welt, während er die Notwendigkeitsursachen, welche nur mithelfen, als in der Materie begründet ansetzt. (Vgl. Notwendigkeit.) Aristoteles (384-322) nennt den stofflosen Geist direkt Gott, dessen Existenz er aus der Notwendigkeit eines ersten unbewegten Bewegers beweist (vgl. Beweise für das Dasein Gottes). Als solcher muß er reine Energie (purus actus), ewig, reine Form, ohne Materie, daher auch ohne Vielheit und Teile, reines Denken (nous), das sich selbst denkt, sein. Er ist also Selbstbewußtsein (noêsis noêseôs). Er bewegt, ohne zu bilden und zu handeln, selber unbewegt, als das Gute und der Zweck, dem alles zustrebt, wie der Liebende dem Geliebten. Die Welt als gegliedertes Ganzes hat ewig bestanden und wird nicht untergehn. Als Aktualität ist Gott nicht Produkt, sondern Prinzip der Entwicklung (Metaphys. 12, 6 u. 7). – Merkwürdig ist die Richtung der Neuplatoniker, die das Göttliche weder als Nous noch als Gegenstand der Vernunft (weder als nous noch als noêton) ansahen, sondern als Übervernünftiges (hyperbebêkos tên nou physin). Es verhält sich zum Nous, wie das Licht zum Auge. Die Einheit ist die Quelle und Kraft, woraus erst das Seiende stammt. So hypostasiert Plotinos (206-270) das Resultat seiner Abstraktion zu einem gesondert existierenden Wesen, hält es für ein Prinzip dessen, woraus es abstrahiert ist, und nennt es die Gottheit." In: Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 1907, S. 400-401. Online: http://www.zeno.org/nid/20003587207
- [3] Das Metzler Philosophie hält Nous für nicht eindeutig übersetzbar. Gute deutsche Entsprechungen seien etwa "Geist", "Verstand", "Einsicht", auf Latein auch "intellectus". Bei Anaxagoras (um 500 v. Chr.) sei Nous sowohl "die Welt bewegend", "durchwaltend", "nicht persönlich", "feinstofflich" "wohl nicht immateriell" und "teleologisch". Bei Artistoteles sei Nous auch der "unbewegte Beweger". In: Metzeler Philosophie Lexikon. Herausgegeben von Peter Prechtl und Franz-Peter Burkard. 2. überarbeitete Auflage. Stuttgart, Weimar, 1999. ISBN: 3-476-01679-X. Dort der Artikel zum Stichwort Nous auf Seite 408. Siehe auch Weltseele ↗