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Linsenparadoxon


Zwei widersprüchliche Formeln


Basiswissen


In Darstellungen zur Optik findet man oft zwei Bilder zum Strahlengang an einer Linse, die sich gegenseitig widersprechen. Das eine Bild ist eine oft ausreichend gute Vereinfachung, das andere Bild stellt den tatsächlichen Strahlengang deutlich naturgetreuer dar.

Der gerade Strahl als Vereinfachung


In der Bildmitte sieht man eine bikonvexe Linse. Bikonvex heißt, dass die Linse auf beiden Seiten nach außen gewölbt ist. Nun sieht man oft einen Lichtstrahl, der kerzengerade von irgendwo links durch die Mitte nach irgendwo rechts geht (oder umgekehrt). Es heißt, dass ein Strahl durch die Linsenmitte gerade und ohne Knick gezeichnet werden kann.

Der geknickte Strahl als Verbesserung


Nun gibt es aber andererseits auch das Brechungsgesetz. Mit diesem kann man genau nachstellen, wie ein Lichtstrahl seine Richtung ändert, wenn er von Luft auf Glas oder von Glas wieder in Luft geht. Wir zeichnen jetzt gedanklich eine Gerade innerhalb der Linse. Die Strecke soll gerade durch die Linsenmitte gehen. Nach oben links und unten rechts verlängern wir den Strahl so, dass der Strahl an die Grenze vom Glas zur Luft kommt. Wenn wir jetzt das Brechungsgesetz (Snelliussches Gesetz) anwenden, dann knickt der Strahl unten rechts nach unten weg. Oben links knickt der Strahl nach oben weg. Es ensteht nicht das Bild eines geraden Strahles durch die Linsenmitte.

Die Auflösung dieser Paradoxie


Das erste Bild mit dem durchgängig geraden Strahl ist lediglich eine Annäherung an die Wirklichkeit, ein einfaches Modell, dass man unkompliziert und schnell benutzen kann. Dieses Modell ist oft eine sehr gute Merkhilfe für viele Erscheinungen der Optik. Tatsächlich aber ändert das Licht in Wirklichkeit die Richtung seiner Ausbreibreitung an der Oberfläche der Linse. Das Modell mit der Lichtbrechung ist also genauer. Für Licht gibt es sehr viele verschiedene Modelle. Für eine Übersicht dazu siehe auch den Artikel Lichtmodelle ↗

Was ist intelligent confusion?


Wenn man sich verwirrt fühlt, weil zwei (oder mehr) Aussagen oder Beoachtungen nicht zueinander passen, dieser Widerspruch aber ein nicht ganz offensichtlich ist, dann werden viele Personen den Widerspruch gar nicht wahrnehmen. Um den Widerspruch wahrzunehmen braucht man zum Beispiel eine gute Erinnerung, einen schnellen Geist oder eine gute Intuition. Wenn man in der Schule in der Klasse 7 zum Beispiel den Strahlengang ohne Knicke lernt und dann dzwei oder drei Jahre später den Strahlengang mit den Knicken an den Grenzfläche, dann merkt man den Widerspruch nur, wenn man sich später noch an die Variante aus der siebten Klasse erinnert. Vor allem im englischsprachigen Raum sprechen Lernpsychologen hier vom einer sogenannten intelligen Verwirrung, auf englisch intelligent confusion ↗