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Kavitation

Seefahrt

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Basiswissen


Drehen sich die Schrauben von Schiffen ausreichend schnell unter Wasser, dann entstehen kleine Blasen aus Wasserdampf, die kurz darauf aber wieder mit großer Gewalt in sich selbst zusammenfallen. Bei diesem Zusammenfallen, der Implosion, kann die Oberfläche der Schiffsschrauben sehr stark beschädigt werden. Auch ist die Kavitation eine wichtige Quelle von Lärm unter Wasser. Als Kavitation bezeichnet man dabei die Entstehung der Gasblasen durch Unterdruck.[8]



Bildbeschreibung und Urheberrecht
Typisch narbenartiger Fraß am Metall einer Schiffsschraube durch Kavitation. © Erik Axdahl ☛


Entstehung das Effektes der Kavitation


Man unterscheidet bei Schiffsschrauben die reine Drehzahl (Umdrehungen pro Minute) und die sogenannte Bahngeschwindigkeit. Die Bahngeschwindigkeit gibt an, wie viele Meter pro Sekunde eine fester Punkt irgendwo auf der der Schiffsschraube auf seiner Kreisbahn zurücklegen würde. Bei konstanter Drehzahl gilt: je weiter außen ein Punkt liegt, also je weiter weg vom Mittelpunkt der Drehbewegung, desto höher ist seine Bahngeschwindigkeit. Bewegt sich nur etwas mit einer hohen Geschwindigkeit durch das Wasser bilden sich nach dem Gesetz von Bernoulli Bereiche mit niedrigem Druck.

MERKSATZ:

In Bereichen niedriger Drücke verdampft Wasser und erzeugt kleine Dampfblasen.

Dort verdampft das Wasser dann und wird gasförmig. Kommt das Wasser wieder zur Ruhe, steigt der Druck und die Gasblase implodiert, bricht als schlagartig in sich zusammen. Diesen Effekt nennt man Kavitation. Beim Kollaps der Gasblasen treten Drücke bis zu einigen Megapascal auf. Zudem entsteht durch die Implosion auch lauter Unterwasserlärm.[1] Dadurch werden starke Wasserstrahlen, sogenannte Mikrojets erzeugt. Treffen diese auf das Material der Schraube, wird es mechanisch angefriffen und verschleißt mit der Zeit.[2] Es konnten Erwärmungen des Metalls auf bis zu 400 °C nachgewiesen werden.[3] Die physikalische Ursache für den Effekt der Kavitation ist der Bernoulli-Gleichung [Strömungsmechanik] ↗

Welche Bauteile sind von der Kavitation betroffen?


Von der Kavitation betroffen sind vor allem sich schnell in Wasser drehenden Bauteile. Das sind zum Beispiel die Antriebsschrauben von Schiffen und Motoren aber auch die Turbinenschaufeln von Wasserkraftwerken. Siehe als klassisches Beispiel die Schiffsschraube ↗

Kavitation und Unterwasserlärm


Der von Kavitation erzeugte Lärm unter Wasser wächst nicht proportional mit der Geschwindigkeit des fahrenden Schiffes. Vielmehr gibt es eine Grenzgeschwindigkeit, ab der der Lärm sprunghaft ansteigt.[4] Je nach Form des Rumpfes, Bau und Position der Schiffsschraube und einiger anderer Einflussfaktoren, steigt der Schiffslärm durch Kavitation spätestens bei Geschwindigkeiten zwischen 8 bis 19 Knoten sprunghaft an.[5]

Es gibt verschiedene Gründe, warum man diesen Lärm möglichst klein halten oder möglichst ganz vermeiden will: a) Forschungsschiffe würden durch lauten Lärm ihren Forschungsgegenstand wie Fische oder Wale verscheuchen, b) U-Boote auf Schleichfahrt möchten es vermeiden, durch ihren Lärm vom Feind geortetet werden zu können, und c) der Lärm unter Wasser stellt eine erhebliche Beeinträchtigung unter Wasser lebender Tiere wie Wale, Delphine, Kraken und vielen anderen Arten dar.[6]

Kavitation und Gelenkknacken


Es gibt Menschen, die insbesondere ihre Fingergelenke so ziehen oder zusammendrücken können, dass knackende Geräusche entstehen, das sogenannte Fingerknacken. Durch die Bewegung wird innerhalb der Gelenke in der Gelenkflüssigkeit schlagartig ein Unterdruck erzeugt. Dadurch perlt vorher in der Flüssigkeit gelöstes Stickstoffgas aus. Dieses schlagartige Ausperlegen erzeugt die ploppend-knackenden Geräusche. Auch dieser Vorgang wird als Kavitation beschrieben.[5] Mit den Knacken von Gelenken führen seit dem frühen 19ten Jahrhundert Scharlatane gutläubige Menschen auf der Suche nach Spiritualität hinters Licht. Siehe mehr unter Gelenkknacken ↗

Was bedeutet Kavitation wörtlich?


Das Fremdwort Kavitation ist mit dem englischen cave für Höhle verwandet. Beide Worte haben einen lateinischen Ursprung. Kavitation kann im Deutschen am besten mit Aushöhlung übersetzt werden. Die Wortwurzel kav ist zum Beispiel auch enthalten in der Bezeichnung einer beidseitig ausgehölten optischen Linse oder auch in dem Wort Kaverne für eine künstlich angelegt Höhle. Siehe dazu beispielhaft den Artikel Kaverne ↗

Fußnoten


  • [1] Implodierende Gasblasen kommen auch beim Sieden von Wasser, etwa in einem Wasserkocher vor. Wird das Wasser durch eine Heizplatte am Boden eines Wasserkochers bis zur Siedetemperatur erhitzt, verdampft es dort. Es entstehen am Boden des Wasserkochers kleine Dampfblasen, die dann langsam nach oben aufsteigen. Da im oberen Bereich des Wasserkochers das Wasser aber noch kühler ist, geht der Wasserdampf in den Dampfblasen dort wieder zurück in die flüssige Phase, der Dampf kondensiert also. Das geschieht schlagartig. Dieser Zusammenbruch der Dampfblasen erzeugt dann ein lautes Geräusch. Erst wenn auch das Wasser im oberen Bereich des Wasserkochers bis auf die Siedetemperatur erwärmt ist, erreichen die unten erzeugten Dampfblasen die Wasseroberfläche, wo sie dann sichtbar sprudelnd aus dem Wasser austreten. In dem Moment, wenn das gesamte Wasser im Wasserkocher die Siedetemperatur zum ersten Mal erreicht hat, verschwindet das vorherzige laute Geräusch der zusammenbrechenden Dampfblasen. Stattdessen hört man dann das sehr viel leisere Geräusch des sprudelnd kochenden Wassers. Siehe auch den Artikel zum Sieden ↗
  • [2] " These bubbles [die Wasserdampfblasen im Unterdruckbereich der Schiffsschraube] collapse and can cause hammer like impact loads on the blades often in excess of 7 kg/cm². It is the collapse of these bubbles that results in the observed damage to the propeller blade surfaces." In: Jeffrey Casciani-Wood: An introduction to propeller cavitation. Posted on January 14, 2015 by News Hound. Online: https://www.iims.org.uk/introduction-propeller-cavitation/
  • [3] "Experimentally it has been found that with mild steel temperatures near the cavity have locally risen to as high as 400°C when the specimen has been deeply submerged in water with a constant ambient temperature of only 25°C." In: In: Jeffrey Casciani-Wood: An introduction to propeller cavitation. Posted on January 14, 2015 by News Hound. Online: https://www.iims.org.uk/introduction-propeller-cavitation/
  • [5] Der von Kavitation erzeugte Lärm von Schiffen wächst nicht langsam und gleichmäßig mit der Schiffsgeschwindigkeit an. Vielmehr erhöht sich der Lärm sprunghaft ab einer bestimmten Geschwindigkeit des Schiffes. Diese Grenzgeschwindigkeit heißt auf Englisch cavitation inception speed (CIS). Neben der Form des Propellers hat vor allem der Schiffsrumpf auf diese Geschwindigkeit einen großen Einfluss: "The highest achievable cavitation free speed of a vessel varies from 8-10 knots up to 17-19 knots for ships with focus on operation at high speed without cavitation and hence low levels of radiated hydro acoustic noise." Und: "The most important parameters for high inception speed is the hull design, the position of the propeller in relation to the hull – big clearances to shaft brackets and the hull is good, and the specific load of the propeller. " In: Online: https://www.kongsberg.com/maritime/services/hydrodynamics--collaboration--references/propeller-design--cavitation/cavitation-inception-speed--cis/
  • [6] Unterwasserlärm von Schiffen stammt einerseits vom Antrieb, andererseit auch vom physikalischen Effekt der Kavitation am Propeller. "Ship underwater noise affects marine life and can cause both behavioral and physical effects depending on noise level and frequency distribution. In a recent review of the environmental effects of man-made underwater noise, ship noise was found to give a significant impact in 95% of studies. Propellers and machinery are the dominant sources of ship underwater noise, in particular cavitation at the propeller when operating at cruise speed". In: C. Andersson et al.: Fully electric ship propulsion reduces airborne noise but not underwater noise. Ocean Engineering. Volume 302, 15 June 2024, 117616. Online: https://doi.org/10.1016/j.oceaneng.2024.117616
  • [7] Gregory N. Kawchuk; Jerome Fryer; Jacob L. Jaremko; Hongbo Zeng; Lindsay Rowe; Richard Thompson (2015). "Real-Time Visualization of Joint Cavitation". PLOS ONE. 10 (6): 384–390. Bibcode:2015PLoSO..1019470K. doi:10.1371/journal.pone.0119470. PMC 4398549. PMID 25875374.
  • [8] Kavitation ist die Enstehung, nicht das Vergehen, von Dampfblasen: "Kavitation, Hohlsog, Hohlraumbildung, Spontanbildung von Dampfblasen in schnell strömenden Flüssigkeiten, bei denen der Druck in der Flüssigkeit so weit herabgesetzt ist (Bernoulli-Effekte), daß er den Dampfdruck der strömenden Flüssigkeit unterschreitet. In Wasser kann Kavitation schon ab 14 m / s auftreten." In: der Artikel "Kavitation". Spektrum Lexikon der Physik. 6 Bände. Greulich, Walter (Hrsg.) Spektrum Akademischer Verlag. Heidelberg, Berlin. 1998-2000.