Johann Heinrich Lambert
Physiker
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Zitate|
Der Zweifel als Stachel|
Wahreit als Mode?|
Vier Fragen|
Vie Wissenschaften|
Fußnoten
Basiswissen
Johann Heinrich Lambert, 1728 bis 1777, war ein Physiker, Astronomom und (Natur)philosoph. Heute bekannt ist er unter anderem als ein Vorreiter dessen was man heute als Phänomenologie bezeichnet, die Idee, dass man die Erscheinungen der Wirklichkeit zunächst im Geiste ordnet und in eine Logik bringt, bevor man nach tieferen Ursachen fragt.
Zitate
Der Zweifel als Stachel
Wie schon vor ihm viele große Philosophen, etwa Platon, Aristoteles oder in jüngerer Zeit auch Descartes, suchte Lambert nach einem sicheren Ausgangspunkt für das Denken. Es galt vor allem, den Irrtum zu vermeiden:
ZITAT:
"Der Verstand selbst beruhigt sich bey Zweifeln und Ungewißheit nicht. Es ist natürlich, das er suche, Gewißheit zu finden. Man weiß, daß man sich bey dem Irrthum zuletzt nur betrogen findet. Es ist natürlich, das man suche, ihn zu vermeyden."[5]
"Der Verstand selbst beruhigt sich bey Zweifeln und Ungewißheit nicht. Es ist natürlich, das er suche, Gewißheit zu finden. Man weiß, daß man sich bey dem Irrthum zuletzt nur betrogen findet. Es ist natürlich, das man suche, ihn zu vermeyden."[5]
Wahreit als Mode?
Lambert war als Naturforscher gut mit den zu seiner Zeit aktuellen Werken der Wissenschaft vertraut. Lambert war wach genug, die vielen Widersprüche zu erkennen, die sich aus einer Zusammenschau ergeben. Er erwähnt ausdrücklich Namen wie Aristoteles, Gassendi,
Cartesius, Newton, Leibniz, Wolf und "Lehrgebäude" wie die der "Idealisten", "Materialisten", "Zweifler" und "Fatalisten".
ZITAT:
"Durchgeht man aber die menschliche Erkenntnis, und besonders die Lehrgebäude der Weltweisen jeder Zeiten und jeder Länder, so findet man sie in den meisten Stücken lange nicht so übereinstimmend, als man es von so vielen Beweggründen erwarten sollte. Und da die Wahrheit einförmig und unveränderlich ist, so findet man dagegen, daß sich die menschlichen Meinungen fast der Wahrheit zum Trotz, wie die Moden in der Kleidung ändern, und die Geschichte der Weltweisheit belehrt uns, daß es den Lehrgebäuden der Weltweisen, welche doch aus der Erforschung der Wahrheit ihre Hauptbeschäftigung machen, eben nicht viel besser ergangen."[5]
"Durchgeht man aber die menschliche Erkenntnis, und besonders die Lehrgebäude der Weltweisen jeder Zeiten und jeder Länder, so findet man sie in den meisten Stücken lange nicht so übereinstimmend, als man es von so vielen Beweggründen erwarten sollte. Und da die Wahrheit einförmig und unveränderlich ist, so findet man dagegen, daß sich die menschlichen Meinungen fast der Wahrheit zum Trotz, wie die Moden in der Kleidung ändern, und die Geschichte der Weltweisheit belehrt uns, daß es den Lehrgebäuden der Weltweisen, welche doch aus der Erforschung der Wahrheit ihre Hauptbeschäftigung machen, eben nicht viel besser ergangen."[5]
Vier Fragen
Lambert geht von einer einzigen Wahrheit aus. Wo es Widersprüche gibt, so Lambert sinngemäß, müssen sie irgendeinem Irrtum entstammen. Er stellt nun vier Fragen, mit denen er den Irrtümer auf die Spur kommen will:
ZITAT:
"1. Ob es dem menschlichen Verstande an Kräften fehle, ohne so vieles Straucheln auf dem Wege der Wahrheit sicher und gewiß zu gehen?[5]
"1. Ob es dem menschlichen Verstande an Kräften fehle, ohne so vieles Straucheln auf dem Wege der Wahrheit sicher und gewiß zu gehen?[5]
ZITAT:
"2. Ob demselben die Wahrheit selbst nicht kenntlich genug sey, um sie nicht so leicht mit dem Irrthum zu verwechseln?"[5]
"2. Ob demselben die Wahrheit selbst nicht kenntlich genug sey, um sie nicht so leicht mit dem Irrthum zu verwechseln?"[5]
ZITAT:
"3. Ob die Sprache, in die er die Wahrheit einkleidet, durch Mißverstand, Unbestimmtheit und Vieldeutigkeit sie unkenntlicher und zweifelhafter mache, oder andere Hindernisse in Weg lege?"[5]
"3. Ob die Sprache, in die er die Wahrheit einkleidet, durch Mißverstand, Unbestimmtheit und Vieldeutigkeit sie unkenntlicher und zweifelhafter mache, oder andere Hindernisse in Weg lege?"[5]
ZITAT:
"4. Ob sich der Verstand durch den Schein blenden lasse, ohne immer zu dem Wahren durchdringen zu können?"[5]
"4. Ob sich der Verstand durch den Schein blenden lasse, ohne immer zu dem Wahren durchdringen zu können?"[5]
Vie Wissenschaften
Jeder dieser vier Fragen ordnet Lambert dann eigene Wissenschaft zu. Um die Wahrheit prüfen zu können, muss man sie alle vier zusammen anwenden, keine darf ausgelassen werden:
ZITAT:
"Die erste ist die Dianoiologie, oder die Lehre von den Gesetzen, nach welchen sich der Verstand im Denken richtet, und worinn die Wege bestimmt werden, die er zu gehen hat, wenn er von Wahrheit zu Wahrheit fortschreiten will.[16]
"Die erste ist die Dianoiologie, oder die Lehre von den Gesetzen, nach welchen sich der Verstand im Denken richtet, und worinn die Wege bestimmt werden, die er zu gehen hat, wenn er von Wahrheit zu Wahrheit fortschreiten will.[16]
ZITAT:
"Die andere ist die Alethiologie, oder die Lehre von der Wahrheit, sofern sie dem Irrthum thum entgegengesetzt ist. Die Wahrheit muß dem Verstande kenntlich seyn, sowohl weil er dabey anfangen muß, weiter fortzugehen, als auch weil ihm diese Kenntniß selbst im Fortgange zur Probe dient, ob er nicht gestrauchelt habe?
"Die andere ist die Alethiologie, oder die Lehre von der Wahrheit, sofern sie dem Irrthum thum entgegengesetzt ist. Die Wahrheit muß dem Verstande kenntlich seyn, sowohl weil er dabey anfangen muß, weiter fortzugehen, als auch weil ihm diese Kenntniß selbst im Fortgange zur Probe dient, ob er nicht gestrauchelt habe?
Weil aber der "menschliche Verstand seine Erkenntnis an Wprter und Zeichen binden" muss, und weil sich die Wahrheit oft unter falschem Schein zeigt, sind zwei weitere Wissenschaften nötig:
ZITAT:
"Die Semiotic, oder die Lehre von der Bezeichnung der Gedanken und Dinge ist demnach die dritte, und soll angeben, was die Sprache und andere Zeichen für einen Einfluß in die Erkenntniß der Wahrheit haben, und wie sie dazu dienlich gemacht werden können."
"Die Semiotic, oder die Lehre von der Bezeichnung der Gedanken und Dinge ist demnach die dritte, und soll angeben, was die Sprache und andere Zeichen für einen Einfluß in die Erkenntniß der Wahrheit haben, und wie sie dazu dienlich gemacht werden können."
ZITAT:
"Endlich ist die Phänomenologie, oder die Lehre von dem Schein die vierte, und diese soll den Schein kenntlich machen, und die Mittel angeben, denselben zu vermeiden, und zu dem Wahren durchzudringen."
"Endlich ist die Phänomenologie, oder die Lehre von dem Schein die vierte, und diese soll den Schein kenntlich machen, und die Mittel angeben, denselben zu vermeiden, und zu dem Wahren durchzudringen."
Fußnoten
- [1] Johann Heinrich Lambert: Les propriétés remarquables de la route de la lumière par les airs et en général par plusieurs milieux réfringens, sphériques et concentriques. (La Haye 1758)
- [2] Johann Heinrich Lambert: Die freie Perspektive oder Anweisung jeden perspektivischen Aufriß von freyen Stücken und ohne Grundriß zu verfertigen. (Zürich 1759)
- [3] Johann Heinrich Lambert: Photometria sive de mensura et gradibus luminis, colorum et umbrae. (Basel 1760)
- [4] Johann Heinrich Lambert: Insigniores orbitae cometarum proprietates. (Basel 1761)
- [5] Johann Heinrich Lambert: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. (Augsburg 1761) Digitalisat und Volltext im Deutschen Textarchiv, Digitalisat
- [5] Johann Heinrich Lambert: Neues Organon oder Gedanken über die Erforschung und Bezeichnung des Wahren und dessen Unterscheidung vom Irrthum und Schein. Leipzig 1764.
- [6] Johann Heinrich Lambert: Beyträge zum Gebrauche der Mathematik und deren Anwendung. 3 Bände (Berlin 1765, 1770, 1772)
- [7] Johann Heinrich Lambert: Anmerkungen über die Gewalt des Schiesspulvers und den Widerstand der Luft. Dresden 1766.
- [8] Johann Heinrich Lambert: Zusätze zu den logarithmischen und trigonometrischen Tabellen, zur Erleichterung und Abkürzung der bey Anwendung der Mathematik vorfallenden Berechnungen. Berlin 1770.
- [9] Johann Heinrich Lambert: Anlage zur Architektonik oder Theorie des Einfachen und Ersten in der philosophischen und mathematischen Erkenntniß. 2 Bände. (Hartknoch, Riga 1771) Digitalisat und Volltext im Deutschen Textarchiv Band 1, Digitalisat und Volltext im Deutschen Textarchiv Band 2
- [10] Johann Heinrich Lambert: Beschreibung einer mit dem Calauschen Wachse ausgemalten Farbenpyramide, wo die Mischung jeder Farben aus Weiß und drey Grundfarben angeordnet, dargelegt und derselben Berechnung und vielfacher Gebrauch gewiesen wird. (Berlin 1772) Digitalisat
- [11] Johann Heinrich Lambert: Pyrometrie oder vom Maaße des Feuers und der Wärme. (Berlin 1779) (Digitalisat)
- [12] Johann Heinrich Lambert: Deutscher gelehrter Briefwechsel. Hrsg. von Johann III Bernoulli. 5 Bände (Berlin 1782–1785)
- [13] Johann Heinrich Lambert: Logische und Philosophische Abhandlungen. Hrsg. von Joh. III Bernoulli. 2 Bände. (Dessau 1782 und 1784)
- [14] Johann Heinrich Lambert: Philosophische Schriften. 10 Bände in 13 Bdn. Begonnen von Hans Werner Arndt, Fortgeführt von Lothar Kreimendahl. Hildesheim: Georg Olms, 1965–2008
- [15] Johann Heinrich Lambert: Johann Heinrich Lamberts Monatsbuch. Neu hrsg., eingel., komm. u. mit Verzeichnissen zu Lamberts Schriften, Briefen u. nachgelassenen Manuskripten vers. von Niels W. Bokhove u. Armin Emmel. 2 Bände (= Philosophische Schriften, Supplement). Hildesheim: Georg Olms, 2020.
- [16] Was Lambert in seinem Organon hier als Dianoiologie bezeichnet entspricht am ehesten der heutigen Logik ↗
- [17] Alethiologie geht auf das griechische "Aletheia" zurück. Aletheia ist "Wirklichkeit im Gegensatz zu Schein". Der Begriff wurde unter anderem von Parmenides und Platon verwendet. In: der Artikel "Aletheia". Metzler Philosophie Lexikon. Herausgegeben von Peter Prechtl und Franz-Peter Burkard. 2. überarbeitete Auflage. Stuttgart, Weimar, 1999. ISBN: 3-476-01679-X. Dort auf den Seiten 16 und 17. Siehe auch Aletheia ↗