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Illusio


Soziologie


Grundidee


Illusio ist eine Wortschöpfung des französchen Soziologen Pierre Bourdieu. Er spricht von der Illusion „als der einhellig und geteilten Illusion, also Wirklichkeitsillusion“[1, Seite 35 sowie auch Seite 517]. Das ist hier kurz vorgestellt.

Bourdieus Konzept einer Illusio


In einem sozialen Feld, etwa der Wissenschaft oder der Religion, gibt es dem französischen Soziologen Pierre Bourdieu (1930 bis 2002) explizite und implizite Spielregeln, an die sich die Teilnehmer des Feldes halten müssen, um zu Erfolg kommen zu können. Die Illusio ist jener Teil dieser Regeln, der die mindestens scheinbar (nicht notwendigerweise auch real) vertretenen Werte des Feldes festlegt. Die Illusio der Bildung kann zum Beispiel Bildungsgerechtigkeit sein. Tatsächlich aber geht es den Teilnehmern sozialer Felder auch um Macht, Geld, Positionen, Interessen, Verteilungsstrukturen oder Prestige[1]. Die Mechanismen des sozialen Feldes sorgen dafür, dass die Spieler im Feld sich selbst oder auch andere über die wahren Motive ihrer Handlungen täuschen können. Damit stabilisieren sie die bestehende Ordnung.

Beispiele für Illusios nach Bourdieu


Bourdieu selbst nannte einige Beispiele für Illusios. Die Illusio des Wissenschaftfeldes[1, Seite 519] wäre beispielsweise eine interesselose Wissensproduktion, die Illusio des Bildungssystems gleichberechtigte Bildungschancen, die Illusio der Kunst eine ökonomiefreie Kunst um der Kunst willen. Auch den Common sense[1, Seite 515], in deutschen so viel wie der gesunde Menschenverstand, betrachtete Bourdieu als illusio. Siehe auch soziales Feld ↗

Die Politik des Klimaschutzes als klassische Illusio


Ein besonders dramatisches Beispiel für die Macht der bourdieuschen Mechanismen einer Illusio droht die Erderwärmung zu werden. Bereits im Jahr 1979 fand in Genf eine erste Internationale Klimakonferenz unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen statt. Tatsächlich war spätestens seit den frühen 1980er Jahren sowohl für Klimaforscher[3], Geheimdienste[4] sowie auch Ölkonzerne[5] ein drohendes Chlimachaos bereits Fakt. Es war bekannt, dass ohne einen radikalen Wechsel im Konsumverhalten der Menschen spätestens in der ersten Hälfte des 21ten Jahrhunderts Wohlstand und Sicherheit vernichtet würden[6]. Seit den 1990er Jahren bekannte sich die Politik zunehmend zum Klimaschutz. Es wurden Konferenzen organisiert, Ziele formuliert (maximal 1,5 °C) und Gremien (IPCC) eingerichtet. Tatsächlich aber blieben die alten Nutznießer der bestehenden Ordnung (Öl- und Gasindustrie, Autokonzerne, industrielle Landwirtschaft) in ihren Privilegien weitgehend unangetastet und die Ziele werden verfehlt[7]. Die 2020er Jahre zeigen zunehmend die Folgen dieser Realitätsferne auf[8]. Im sozialen Feld des Klimaschutzes verbarg die Illusio der Verantwortung für das Gemeinwohl das wahre Spiel um Geld, Macht und Privilegien. Wie sehr die Lippenbekenntnisse der Politik und Wirtschaft bloß Illusio ohne wahre Substanz und Realität geblieben sind, ist in einer Chronologie, beginnend mit dem Jahr 1827, beispielhaft dokumentiert. Zur Illusionshaftigkeit der Klimapolitik, siehe den Artikel Erderwärmung (Zitate) ↗

Fußnoten