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Außenwelt

Physik

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Basiswissen


Als Außenwelt bezeichnet man in der Physik eine angenommene, objektiv existierende Welt außerhalb unseres Bewusstseins.[1][2] Offen diskutiert wird die Frage, ob es eine solche reale Außenwelt überhaupt gibt[3], falls ja, welche Kenntnisse darüber möglich sind[4], ob die Außenwelt als Modellvorstellung für die Physik sinnvoll ist[5] und ob sie vollständig alle Eigenschaften hat, die uns wichtig erscheinen.[11]



Bildbeschreibung und Urheberrecht
In naiven Vorstellungen ist die Außenwelt einfach die Ursache für die Dinge, die wir in unserem Innenleben wahrnehmen. Die klassische Metapher dafür ist die Projektion von Objekten der Außenwelt über das Auge. Im Inneren unserer Psyche, so die naive Vorstellung, entsteht dann eine Art Abbild auf der Leinwand eines inneren Kinos.☛


Begriffsgeschichte


Obwohl Philosophen wie etwa Platon (Höhlengleichnis), Berkeley und Kant glaubwürdig hinterfragt haben, ob wir von den Gegenständen unserer psychischen Innenwelt zuverlässig auf entsprechende Objekte in der Außenwelt schließen dürfen, hat sich der Begriff der Außenwelt in Lexika noch über gut ein Jahrhundert in seiner mehr oder naiven Form erhalten. In dieser volkstümlich naiven Form ist die Außenwelt fast identisch mit den Objekten der Innenwelt. Wenn wir den Eindruck haben, eine Lampe zu sein, dann wird da auch schon eine solche Lampe sein.

DEFINITION:

1837: "Sinne Durch fünf der kunstvollsten, fast ätherartigen Nervenverzweigungen, die in ihre unsichtbaren Kelche die Erscheinungen der Außenwelt einsaugen, und sich bis in die Tiefen der großen Nervenconcentration des Hauptes erstrecken, spiegelt sich die Außenwelt (Sinnenwelt) mit allen ihren Farben und Tönen und den Wellen und Wogen der schöpferischen Naturkraft, urplötzlich in dem verkleinerten Abbilde der Welt, in jenem wunderbaren Mikrokosmus ab, den wir Mensch nennen."[13]

Die Außenwelt existiert und wird einfach abgebildet:

DEFINITION:

1854: "Auge nennt man das Organ des Sehens, welches die Lichtstrahlen der Außenwelt aufnimmt und zu der eigenthümilchen Empfindung des Sehens bringt."[14]

Die Außenwelt kann erkannt werden:

DEFINITION:

1857: "Außenwelt, Inbegriff aller Dinge, welche u. in wiefern sie Gegenstand der sinnlichen Anschauung (Außendinge) sind, im Gegensatz der im Inneren des Menschen, durch Selbstbeschauung erkannten Welt."[15]

Später findet man dann eine begriffliche Präzisierung. Die Außenwelt wird jetzt dem Ich entgegengestellt. Und die Außenwelt, so die Annahme, existiert objektiv in Raum und Zeit:

DEFINITION:

1904: "Außenwelt ist der Inbegriff der Außendinge mit ihren Eigenschaften, die Summe des vom Ich Unterschiedenen, Objectiven, in Raum und Zeit constant Vorgefundenen (den Leib des Erkennenden inbegriffen), vom fühlendwollenden Subject unabhängig Existierenden, der »transcendenten Factoren« (s. d.), die sich uns in Vorstellungen und Begriffen objectivieren. Was ich als mir Entgegenstehendes, von mir Unabhängiges setze, ist für mich Außenwelt im Gegensatze zur Innenwelt, der stetigen Reihe meiner Erlebnisse als solcher."[16]

Wichtig ist auch die Idee des von sich Beharrenden:

DEFINITION:

1906: "Ding, im allgemeinen Sinn alles, was sich denken läßt oder Gegenstand des Bewußtseins werden kann; im engern Sinne die Körper der Außenwelt, sofern sie als selbständige und bei allem Wechsel ihrer Zustände beharrende Einheiten sich darstellen."[17]

Gegensatz zum Inneren:

DEFINITION:

1907: "Außenwelt heißt die Gesamtheit aller Dinge unserer sinnlichen Wahrnehmung, die sich uns in Raum und Zeit darstellen und die zu unserem Innern einen Gegensatz bilden."[18]

Scharfsinnig ist die Charakterisierung der Außenwelt darüber, dass sie diese als das Unfreiwillige und Ungewollte im Strom unserer Sinneswahrnehmungen bezeichnet:

DEFINITION:

1907: "auch die moderne Physik, die im wesentlichen die Idee der Atomisten aufgenommen hat, führt alles Qualitative in der Außenwelt auf Quantitatives zurück und steht etwa auf dem Standpunkt, den Locke philosophisch fixiert hat. Die Existenz einer objektiven Welt wird aber, ohne daß dadurch ihr Wesen bekannt wird, bewiesen durch das Unfreiwillige und Ungewollte unserer Sinneswahrnehmungen."[18]

Die Abgrenzung als Außenwelt als Gegenüberstellung zum Ich soll auf den deutschen Idealisten Fichte (1762-1814) zurück gehen:

DEFINITION:

1907: "Nicht-Ich bedeutet, besonders bei Fichte, die Außenwelt".[19]

Persönliche Einschätzung


 Portrait von Gunter Heim Über Jahrhunderte bis Jahrtausende hat sich die Philosophie und mit ihr die Physik daran abgemüht, den Zwiespalt zwischen einer Außen- und Innenwelt, zwischen Materie und Geist oder Leib und Seele zu erhellen. Drängend schienen dabei vor allem zwei Fragen gewesen zu sein: a) wie könnte man die Existenz einer Außenwelt beweisen oder widerlegen und b) über welche Mechanismen hängen Außen- und Innenwelt zusammen. Beide Fragerichtungen könnten vielleicht am Kern der Sache vorbeizielen.

Vielleicht kommt man bei dem Rätsel der Außenwelt ein Stückchen weiter, wenn man den Aspekt aus der Definition von 1907 aufgreift. Die Außenwelt wäre dann vor allem das Unfreiwillige und Ungewollte in unserem Erleben. Und damit wird sie zu einem Gegensatz zum Freiwilligen und Gewollte. Das Gegensatzpaar Gewollt-Ungewollt aber verweist für mich auf einen Erklärungsrahmen, der auf eine gezielte Einrichtung der Welt als Ort für ein geregeltes Miteinander verschiedener Wesen setzt. Das was dem einen Bewohner des Weltganzen als Außenwelt erscheint, ist vielleicht nur Ausdruck einer Willensregung anderer Bewohner. Die Feintarierung dieser Sinnensregungen hin zu einem gemeinsam erlebbaren Universum ist vielleicht, so meine Spekulation, der eigentliche Zweck der Physik. Diese Idee ist näher ausgearbeitet im Artikel kollaborative Physik ↗

Fußnoten


  • [1] Franz Serafin Exner: Vorlesungen über die physikalischen Grundlagen der Naturwissenschaften. Deuticke, Wien 1919, OBV. Hier speziell die Kapitel 37: Realität der Außenwelt. Summe der Materie in der Welt. Seite 287 bis 293 sowie die 82. bis 84. Vorlesung zum Farbempfinden, Seite 614 bis 645.
  • [2] Albert Einstein über die Außenwelt als Grundbedingung der Physik: "Fragt man, was unabhängig von der Quanten-Theorie für die physikalische Ideenwelt charakteristisch ist, so fällt zunächst folgendes auf: die Begriffe der Physik beziehen sich auf eine reale Außenwelt, d. h. es sind Ideen von Dingen gesetzt, die eine von wahrnehmenden Subjekten unabhängige ›reale Existenz‹ beanspruchen (Körper, Felder etc.), welche Ideen anderseits zu Sinneseindrücken in möglichst sichere Beziehung gebracht sind. In: ein Brief von Einstein an Max Born vom 5. April 1948. Albert Einstein Max Born Briefwechsel 1916-1955. Geleitworte von Bertrand Russell und Werner Heisenberg. Ullstein Buch, Frankfurt am Main, 1986. ISBN: 3-548-3445-7. Dort die Seite 231. Siehe auch Außenwelthypothese ↗
  • [3] Entgegen der vorherrschenden Ansicht vieler seiner Kollegen, hielt Albert Einstein (1879 bis 1955) auch entgegen einer zweifelhaften Faktenlage an der Existenz einer streng objektiven Wirklichkeit fest. Den von ihm abgelehnten Subjektivismus spitzte er mit seiner provokativen Mond-Frage zu: "We [Einstein und Bohr] often discussed his notions on objective reality. I recall that during one walk Einstein suddenly stopped, turned to me and asked whether I really believed that the moon exists only when I look at it." Auf Deutsch: glauben Sie, dass der Mond nur dann existiert, wenn ich ihn ansehen? In: Abraham Pais: Einstein and the quantum theory. In: Rev. Mod. Phys. 51, 863–914 (1979), p. 907. DOI: https://doi.org/10.1103/RevModPhys.51.863
  • [4] Der Physiker Max Born zweifelt die Erkennbarkeit der Außenwelt an. Im Rückblick auf seinen Briefwechsel mit Albert Einstein schrieb Born: "Einstein war fest überzeugt, daß uns die Physik Kenntnisse von der objektiv existierenden Außenwelt liefere. Mit vielen anderen Physikern bin ich langsam durch die Erfahrungen im Gebiete der atomaren Quantenerscheinungen dazu bekehrt worden, daß das nicht so ist, da wir nur in jedem Zeitpunkt eine rohe, angenäherte Kenntnis der objektiven Welt haben und aus dieser nach bestimmten Regeln, den Wahrscheinlichkeitsgesetzen der Quantenmechanik, auf unbekannte (z. B. zukünftige) Zustände schließen können." In: Albert Einstein Max Born Briefwechsel 1916-1955. Geleitworte von Bertrand Russell und Werner Heisenberg. Ullstein Buch, Frankfurt am Main, 1986. ISBN: 3-548-3445-7. Dort über einen Brief Einsteins an Born vom 29. April 1924, Seite 119.
  • [5] Ernst Mach: Die Analyse der Empfindungen und das Verhältnis des Physischen zum Psychischen. Ersterscheinung: 1886. Mach zeigt, dass die Idee einer objektiv existierenden Außenwelt zu schwer oder gar nicht lösbaren Problemen führt. Er schlägt vor, auf die Hypothese einer Außenwelt besser zu verzichten.
  • [6] Roberto Horácio de Sá Pereira: Außenwelt-Skeptizismus. Eine sprachanalytische Behandlung. 1993. 256 Seiten. ISBN: 3-89191-722-8.
  • [7] Katrin Grünepütt: Realität der Außenwelt. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Schwabe Veralg, Basel. DOI: 10.24894/HWPh.3448
  • [8] Konrad Zuse: Rechnender Raum. Braunschweig: Friedrich Vieweg & Sohn. 1969. 70 Seiten. Siehe auch rechnender Raum ↗
  • [9] G. E. Moore: Proof of the External World. 1959
  • [10] Bertrand Russell: Our Knowledge of the External World. 1914.
  • [11] Dem Astrophysiker Arthur Stanley Eddington zufolge trägt die Außenwelt (external world) in sich keinen Sinn, keine Bedeutung. Diese kommen erst durch den menschlichen Betrachter hinzu: "I am not trying to argue that there is in the external world an objective entity which is the picture as distinct from the myriads of particles into which science has analysed it. I doubt if the statement has any meaning; nor, if it were true, would it particularly enhance my esteem of the picture. What I would say is this: There is a side of our personality which impels us to dwell on beauty and other aesthetic significances in Nature, and in the work of man, so that our environment means to us much that is not warranted by anything found in the scientific inventory of its structure. An overwhelming feeling tells us that this is right and indispensable to the purpose of our existence. But is it rational? How can reason regard it otherwise than as a perverse misrepresentation of what is after all only a collection of atoms, aether-waves and the like, going about their business?" In: Arthur Stanley Eddington: The Nature of the Physical World. MacMillan, 1928 (Gifford Lectures). Dort im Kapitel "Becoming", Seite 107. Siehe auch Sinn ↗
  • [12] Ein Lexikon der Philosophie trennt die Außenwelt vom erlebenden Subjekt ab. Im Artikel zur Subjekt-Objekt-Spaltung heißt es: "Im Rationalismus Descartes' hat die Subjekt-Objekt-Spaltung die quasi-ontologische Form eines Auseinander vn selbstgewissem ego (res cogitans) und materieller Außenwelt (res extensa)" Und: Subjekt könne nur über seine eiegene Existenz Gewissheit erlangen, wahre Erkenntnis der Außenwelt garanteire hingegen ein wahrhaftiger Gott." In: Metzler Philosophie Lexikon. Herausgegeben von Peter Prechtl und Franz-Peter Burkard. 2. überarbeitete Auflage. Stuttgart, Weimar, 1999. ISBN: 3-476-01679-X. Dort auf Seite 573.
  • [12] Gustav Robert Kirchhoff über die Aussenwelt: "Ueberblickt man die unendliche Mannigfaltigkeit der Eindrucke, welche unsere Sinne von der Aussenwelt erhalten, so erscheint es von vorn herein kaum möglich eine durchgreifende Aehnlichkeit aller Naturerscheinungen zu finden. Dennoch ist eine solche erkannt, und diese muss den Ausgangspunkt meiner Auseinandersetzungen bilden." In: Gustav Robert Kirchoff: Über das Ziel der Naturwissenschaften. Prorektoratsrede an der Universität Heidelberg am 22. November 1865. Online: https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/volltextserver/14752/1/rektor65.pdf
  • [16] Der Artikel "Außenwelt". Dort wird auch explizit von einem "Außenweltsproblem" gesprochen. In: Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 1. Berlin 1904, S. 114. Online: http://www.zeno.org/nid/20001781820
  • [18] Sehr ausführlich mit philosophischer Ideengeschichte seit der Antike: der Artikel "Außenwelt". In: Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 78-79. Online: http://www.zeno.org/nid/2000357864X
  • [19] Der Verweis auf Fichtes Nicht-ich steht im Artikel "Nicht-ich" in: Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 393. Online: http://www.zeno.org/nid/20003586952

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