Adoptionsforschung
Psychologie
Basiswissen
Was im menschlichen Verhalten ist genetisch bedingt, was durch unsere Umwelt beeinflusst? Die Adoptionsforschung und die ihr eng verwandte Zwillingsforschung gehen dieser Frage mit statistischen Methoden nach. Es zeigen sich beachtenswerte statistische Abhängigkeiten. Das ist hier kurz mit einem Beispiel vorgestellt.
Kriminalität bei adoptierten Jungen
Großes Aufsehen erregte eine Studie[1] an adoptierten Jungen aus Dänemark: waren weder der leibliche noch der Adoptivvater kriminellig auffällig, dann wurden nur 10,5 Prozent der adoptierten Jungen selbst kriminell auffällig. War nur der Adoptivvater kriminell, stieg die Quote bei den Jungen nur leicht auf 11,5 Prozent. War hingegen nur der leibliche Vater kriminell, stieg die Quote für die Jungen auf 22 Prozent. Und waren beide Väter kriminell auffällig, dann lag die Quote für kriminelle Auffälligkeit bei den adoptierten Jungen bei 36,2 Prozent[2]).
Statistischen Originaldaten
Originaldaten finden sich in einer Veröffentlichung aus dem Jahr 1977[1]. Insgesamt 14427 Adoptionen aus Dänemark in der Zeit von 1924 bis 1947 wurden dabei betrachtet. Die Daten (Straffenregister) wurden vom Psykologiks Institut von Kopenhagen erhoben und vom dänischen Justizministerium zur Verfügung gestellt. Zunächst nennen die Autoren der Studie einige Begleitfakten zu dem Datensatz.
- Die Anzahl von Adoptionen stieg in der Kriegszeit (1939 bis 1945) an.
- Es wurden mehr Mädchen als Jungen adoptiert.
- Als Indikator für Kriminalität wurde eine gerichtliche Verurteilung genutzt.
- Kinder jünger als 15 Jahre konnten in Dänemark damals nicht verurteilt werden.
- Betrachtete Straftaten waren: Eigentumsdelikte, Gewalt und sexuelle Übergriffe.
Die folgenden Zahlen geben einen Überblick darüber, welche Anteile der Personengruppen straffällig wurden beziehunsweise straffrei blieben:
Adoptierte Jungen
- Grundgesamtheit: 6129 Jungen
- Anteil ohne Straftaten: 0,841
- Anteil mit genau einer Straftat: 0,088
- Anteil mit genau zwei Straftaten: 0,029
- Anteil mit mehr als zwei Straftaten: 0,040
Adoptierte Mädchen
- Grundgesamtheit: 7065 Mädchen
- Anteil ohne Straftaten: 0,972
- Anteil mit genau einer Straftat: 0,020
- Anteil mit genau zwei Straftaten: 0,005
- Anteil mit mehr als zwei Straftaten: 0,003
Adoptierender Vater
- Grundgesamtheit: 13918 Väter
- Anteil ohne Straftaten: 0,938
- Anteil mit genau einer Straftat: 0,046
- Anteil mit genau zwei Straftaten: 0,008
- Anteil mit mehr als zwei Straftaten: 0,008
Adoptierende Mutter
- Grundgesamtheit: 14267 Mütter
- Anteil ohne Straftaten: 0,981
- Anteil mit genau einer Straftat: 0,015
- Anteil mit genau zwei Straftaten: 0,002
- Anteil mit mehr als zwei Straftaten: 0,002
Biologische Väter
- Grundgesamtheit: 10604 Väter
- Anteil ohne Straftaten: 0,714
- Anteil mit genau einer Straftat: 0,129
- Anteil mit genau zwei Straftaten: 0,056
- Anteil mit mehr als zwei Straftaten: 0,102
Biologische Mütter
- Grundgesamtheit: 12300 Mütter
- Anteil ohne Straftaten: 0,911
- Anteil mit genau einer Straftat: 0,064
- Anteil mit genau zwei Straftaten: 0,012
- Anteil mit mehr als zwei Straftaten: 0,013
Die Daten als statistische Abhängigkeit
Interessant ist die Aufbereitung der Daten im Bezug darauf, wie die Verurteilung adoptierter Kinder statistisch von Verurteilungen ihrer biologischen und ihrer adoptierenden Eltern abhängt:
- Biologische Eltern (ja) und Adoptiveltern (ja): 24,5 % der Kinder werden verurteilt
- Biologische Eltern (ja) und Adoptiveltern (nein): 20,0 % der Kinder werden verurteilt
- Biologische Eltern (nein) und Adoptiveltern (ja): 14,7 % der Kinder werden verurteilt
- Biologische Eltern (nein) und Adoptiveltern (nein): 13,5 % der Kinder werden verurteilt
Fußnoten
- [1] Sarnoff A. Mednick, William F. Gabrielli, Barry Hutchings: Criminality Adoptees and their Adoptive and Biological Parents: A Pilot Study. In: Biosocial Bases of Criminal Behavior. 1977. Seiten 127 bis 141.
- [2] Günther Kaiser: Kriminologie: ein Lehrbuch. Verlagsgruppe Hüthig-Jehle-Rehm. 1996. ISBN: 978-3811460966. Dort im Kapitel: Biosoziale Grundlagen, Seite 475.