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Opportunismus


Soziologie


Definition


Das Brockhaus Lexikon definiert Opportunismus als „das Handeln nicht nach Grundsätzen, sondern nach zweckmäßigkeit, auf Vorteile achtend; insbesondere im politisch-gesellschaftlichen Zusammenhang das sich ausrichten nach den jeweiligen Einflussverhältnissen.“ Gängige Synonyme oder Metaphern sind Wendehals, Märzgefallene, die Fahne in den Wind hängen oder auch jedem nach dem Mund reden. Das ist hier mit einem Beispiel kurz vorgestellt.

Beispiele für Opportunismus



2012: Die große Klimalüge


Der Journalist Nikolaus Blome war seit dem Jahr 2006 bei der Bild Zeitung und ab Mai 2011 bis zum 15. Oktober 2013 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts der Bild-Zeitung[2]. Als Teil der Chefredaktion prägte er die inhaltliche und wertemäßige Ausrichtung derZeitung. In der Zeit Blomes bei der Bild-Zeitung erschienen dort Artikel, die den Klimawandel als eine "Erfindung von Politikern und UN-Wetterforschern" bezeichnet[5]. Der Artikel erzeugt wiederholt das Motiv einer Klimalüge: "Klimahorror-Warnungen prasseln auf uns hernieder: Hitzewellen, Wirbelstürme, biblische Fluten sollen den Planeten bald heimsuchen. Endzeitstimmung! Schon in der Schule bekommen Kinder eingetrichtert: Das alles haben wir uns selbst eingebrockt." Warnungen der Wissenschaft werden in polemischer Form dargestellt: "In den letzten 150 Jahren ist es auf unserem Globus um überschaubare 0,8°C wärmer geworden. Der allwissende Weltklimarat der Vereinten Nationen erklärt uns, dass die Erwärmung fast vollständig durch das böse CO2 entstanden sei. Und wenn unsere Abgase schon bisher fast ein Grad Erderwärmung verschuldet hätten, dann würden bis Ende des Jahrhunderts schnell ein paar weitere Grade dazukommen." Ähnlich wie auch auch vielen Klimaleugnern, wird der Einfluss des Menschen als gering dargestellt: "Weniger als die Hälfte der bisherigen Erwärmung von 0,8°C geht wohl auf das Konto des Menschen". Als tatäschlicher Grund werden Schwankungen in der Aktivität der Sonne genannt. Das einseitige Muster der scheinbaren Argumente erinnert hier an Hartmut Bachmanns CO2-Aussage ↗

2023: Klimawandel geht nicht weg


Derselbe Journalist Nikolaus Blome, unter dessen Chefredaktion im Jahr 2011 der Klimawandel unkommentiert als eine "Erfindung von Politikern" bezeichnet werden durfte, bietet sich im Juni 2023 als Berater für dessen Bewältigung an. Als Kolumnist im Spiegel Online scheint Blome nun von einem realen Klimaschutz auszugehen "Trotzdem geht das mit der menschengemachten Erderwärmung und dem nötigen Klimaschutz ja nicht weg." Blome gibt Ratschläge, wie die CDU sich positionieren sollte, um keine Wählerstimmen an die konkurrierende AfD (Alternative für Deutschland) zu verlieren. Blome äußert sich sinngemäß als Anwalt der arbeitenden Mitte: "Es geht dabei zuvorderst um die große Gruppe der bürgerlichen Besitzstandsbesorgten. Rasche Veränderungen, disruptive Brüche gar, haben sie noch nie geschätzt. Das ist ihr gutes Recht." Dass die Klimakrise real ist haben vor allem seit 2020 auftretende Wetterextreme deutlich gemacht. Blome stellt fest: "Die Welt wird nicht in das alte Normal zurückfinden, weder geopolitisch noch global klimatisch". Zur Faktizität des Klimawandels siehe auch die Chronologie Erderwärmung (Zitate) ↗

Leuterung oder Opportunismus?


Blome hatte 2011 in führender Position für eine Zeitung arbeitete, die Klimaforscher der "Klimalüge" bezichtigte. Derselbe Blome erkennt aber 2023 in einer Kolumne für den Spiegel[4] den Klimawandel als reale Krise an. Für einen solchen Wandel sind verschiedene Gründe denkbar. Für eine intellektuell aufrichtige Leuterung hätte es auch gesprochen, wenn Blome 2023 klar eingestanden hätte, 12 Jahre zuvor, 2011, die Faktenlage falsch eingeschätzt zu haben. Eine solche Selbstkritik fehlt aber in der hier betrachteten Kolumne. Stattdessen stellt er das Handeln von sich und ähnlich gesonnenen Personen aus der Zeit als richtig dar: die "bürgerlich Besitzstandsbesorgten" beruhigt er, "dass ihr bisheriges Leben nicht »falsch« war". Blome warnt: "Man kann diese Wahrheit mit Herablassung und dem Holzhammer unters Volk bringen" und meint damit wohl die Grünen: "Jens Spahn hat recht, wenn er vor allem den grünen und linken Großstadtmilieus den Vorwurf macht, Millionen von Lebensentwürfen und Gewohnheiten außerhalb der Großstädte pauschal für falsch erklärt zu haben." Es ist nicht möglich, herauszufinden, warum Blome zu seiner neuen Einschätzung des Klimawandels kommt. Opportunismus wäre der Gesinnungswandel dann, wenn Blome in nicht deshalb vollzog, weil er tatsächlich 2011 den Klimawandel für eine Lüge hielt und 2023 nicht, sondern wenn er den Wandel nur vollzog, um weiter ernst genommen zu werden und einflussreiche oder lukrative Positionen als Journalist einnehmen zu können.

Was ist der Unterschied zwischen Opportunismus und Desinformation?


Opportunisten können Desinforamtion betreiben, müssen es aber nicht notwendigerweise von der Wortbedeutung. Opportunismus heißt lediglich, dass man jederzeit nach außen dargestellte Grundüberzeugen wechseln kann, wenn das nötig wird. Desinformation hingegen heißt, dass man bewusst falsche oder irreführende Informationen streut. Siehe dazu auch den Artikel zum Opportunismus ↗

Was ist an Blomes Rede typisch konservativ?


Konservativ heißt so viel wie bewahrend. In der Politik hat das Konservative etwas Zwiespältiges. Indem die sich selbst als konservativ bezeichnenden politischen Kräfte eng am gegenwärtigen Zustand festhalten wollen, zerstören sie ihn oft dauerhaft. Blome bringt das treffend auf den Punkt wenn er 2023 schreibt, dass die Deutschen "altes Leben nicht mehr zurückbekommen[4]". Sie werden es genau deshalb nicht mehr zurückbekommen, weil sie Jahrzehnte vorher suggeriert bekamen, dass sie an ihrem Lebensstil nichts ändern müssten[3], was Blome wiederum prägnant auf die Formel bringt: "Rasche Veränderungen [...] haben sie noch nie geschätzt. Das ist ihr gutes Recht." Das Kernparadoxon und die ewige Lebenslüge konservativer Ideologie ist ständig wiederholte Selbstzerstörung durch Selbstbeharrung. Einen Versuch, diesen Widerspruch aufzulösen macht der Artikel konservativ (soziobiologisch) ↗

Fußnoten