Verdunstungsversuch (Glycerin)
Faktencheck
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Basiswissen|
Zusammenfassung|
Motivation|
Versuchsbeschreibung|
Ergebnisse|
Staubeintrag|
Vergleichsflüssigkeiten|
Wissenschaftliche Bestätigung|
Kontrollversuch|
Fußnoten
Basiswissen
In einer wissenschaftlichen Veröffentlichung [1] heißt es sinngemäß, dass reines Glycerin quasi nicht verdunsten würde. Es baut sich eine dünne Schicht von Wasser an seiner Oberfläche auf, das dann fest gebunden ist. In einem Langzeitversuch von inzwischen über 1650 Tagen gehen wir dem Phänomen seit Anfang 2019 auf den Grund.
Zusammenfassung
Anfang Januar 2019 wurden gut 40 ml Glycerin offen in einen beheizten Innenraum gestellt. Glycerin gilt ist eine stark hygroskopische Flüssigkeit. Das heißt: Glycerin zieht Wasser aus der Umgebung an sich und bindet es. Die Frage ist dann, ob Glycerin überhaupt verdunstet. Oder nimmt die Flüssigkeitsmenge mit der Zeit durch Aufnahme von H20 sogar zu? Ein im Januar 2019 begonnener Langzeitversuch zur Verdunstung von Glycerin soll darüber Auskunft geben. Hier steht eine Kurze Zusammenfassung. Die Rohdaten zum Vergleich von Wasser, Spiritus und Glycerin bezüglich der Verdunstung stehen unter 👉 Verdunstungsversuch Rohdaten
Motivation
Glycerin wird sowohl in der Lebensmittelindustrie als auch bei der Herstellung von Kosmetika verwendet. Eine seiner Funktionen ist es, Feuchtigkeit zu erhalten. Damit werden die Produkte vor einer Austrocknung bewahrt. Feuchtigkeitserhaltende Kosmetika sollen etwa das Altern der Haut verzögern (moisture-retaining agent in cosmetic products can be beneficial against skin aging [1]). Es liegt auf der Hand, dass dann die Frage interessiert, wie viel Glycerin man mindestens benötigte, um die gewünschten Effekte eines Erhalts der Feuchtigkeit zu erreichen (designing advanced or efficient ingredients of cosmetic products [1]).
Versuchsbeschreibung
- Als Gefäß wurde ein gläserner Messbecher verwendet.
- In den Becher wurden 40 ml Glycerin gegossen.
- Der Becher und das Glycerin wogen zusammen 97,4 g.
- Das Leergewicht des Bechers betrug 49,2 g.
- Die Anfangsmasse des Glycerins war also 48,2 g.
- Der Becher stand dann in einem Regal.
- Das Regal stand in einem beheizten Raum.
Ergebnisse
- Der Versuch begann am 7. Januar 2019.
- Becher und Glycerin wogen dann zusammen 97,4 Gramm.
- Am 1. Juli, nach 173 Tagen wogen Becher und Glycerin zusammen 109,4 g.
- Bis dahin war die Flüssigkeitszunahme stetig steigend.
- Die Zunahme an Flüssigkeit war deutlich sichtbar.
- Vom 1. Juli bis 5. Juli wurde erstmals eine Abnahme beobachtet.
- Am 5. Juli betrug die Menge nur noch 108,9 g.
- Ab etwa dem 200sten Tag bewegt sich die Gesamtmasse um die 110 Gramm.
- Das entspricht einer Flüssigkeitsmasse von etwa 60,8 Gramm.
- Die Masse der Flüssigkeit hat sich über 200 Tage um etwa 12,6 Gramm vermehrt.
- Das entspricht einer prozentualen Vermehrung von etwa 26 %.
- Seit Juli 2025 sieht man deutlich eine feine Staubschicht auf der Oberfläche.
- Im Dezember 2025 betrug das Gesamtgewicht 111,9 Gramm.
- Siehe auch 👉 Verdunstungsversuch Rohdaten
Staubeintrag
Gleichzeitig mit dem offenen Glyceringefäß wurde ein gleichartiges leeres Gefäß direkt neben den Becher mit Glycerin gestellt. Auch über 3 Jahre konnte keine messbare Ansammlung von Staub in diesem Kontrollgefäß gemessen werden. Die Messbarkeitsgrenze liegt bei einem Zwanzigstel Gramm oder rund 0,05 Gramm. Zur Messung dient eine 👉 Apothekerwaage
Vergleichsflüssigkeiten
Gleichzeitig mit dem Glycerin wurde der Versuch auch mit Wasser und Brennspiritus gemacht. Die Umstände waren genau dieselben. Es wurden dieselben Gefäßtypen verwendet. Alles Gefäße wurden am selben Ort in einem Versuchsregal in etwa 1,8 Metern Höhe über dem Boden bei normalen Raumtemperaturen aufgestellt.
- Der Brennspiritus war nach 13 Tagen vollständig verdunstet 👉 Verdunstungsversuch (Spiritus)
- Das Wasser war nach 24 Tagen vollständig verdunstet 👉 Verdunstungsversuch (Wasser)
Man sieht, dass die Geschwindigkeit der Verdunstung sehr stark von der verwendeten Flüssigkeit abhängt. Gibt man etwa Spiritus mit seiner hohen Verdungstungsrate, auf die Haut, so spürt man eine stärkere Verdunstungskühle als bei Wasser.
Wissenschaftliche Bestätigung
Im Jahr 2022 veröffentlichte ein Team von Wissenschaftlern aus Taiwan seine Ergebnisse zu Verdunstung von Glycerin. Die Ergebnisse dieser wissenschaftlichen Studie bestätigen die Beobachtungen aus unserer Lernwerkstatt in Aachen.
ZITAT:
"Ziel dieser Studie war die Analyse der Feuchtigkeitsbindungskapazität von Glycerin, einem häufigen Bestandteil von Kosmetikprodukten. Und: „Die Ergebnisse zeigten, dass die Feuchtigkeitsbindungskapazität von Glycerin mit der Glycerinkonzentration von 0 bis 60 Gew.-% zunahm. Bei einer Konzentration von 60–70 Gew.-% zeigte Glycerin während des Verdunstungsprozesses keine Gewichtsveränderung. Ab einer Glycerinkonzentration von 70 Gew.-% trat Feuchtigkeitsaufnahme in der Glycerinlösung auf."
"Ziel dieser Studie war die Analyse der Feuchtigkeitsbindungskapazität von Glycerin, einem häufigen Bestandteil von Kosmetikprodukten. Und: „Die Ergebnisse zeigten, dass die Feuchtigkeitsbindungskapazität von Glycerin mit der Glycerinkonzentration von 0 bis 60 Gew.-% zunahm. Bei einer Konzentration von 60–70 Gew.-% zeigte Glycerin während des Verdunstungsprozesses keine Gewichtsveränderung. Ab einer Glycerinkonzentration von 70 Gew.-% trat Feuchtigkeitsaufnahme in der Glycerinlösung auf."
In einer Skizze in der Veröffentlichung wird gezeigt, wie das Glycerin an seiner Oberfläche Wasserteilchen bindet, die dann effektiv gegen eine weitere Verdunstung schützen.
Kontrollversuch
Die These, dass sich das Glycerin mit Hilfe einer Wasserlage vor der Verdunstung schütztz und das dazu nötige Wasser aus der Umgebungsluft aufgenommen wird, könnte man mit Hilfe einer Glycerinverdunstung in trockener, wasserfreier Luft überprüfen.
TO-DO:
Man testet die Verdungsrate von Glycerin in eine obenen Messbecher in Luft mit 0 % Wassergehalt. Der These zufolge, müsste dieses Glycerin nach einigen Tagen oder wenige Wochen deutlich an Masse und Füllhöhe abnehmen.
Man testet die Verdungsrate von Glycerin in eine obenen Messbecher in Luft mit 0 % Wassergehalt. Der These zufolge, müsste dieses Glycerin nach einigen Tagen oder wenige Wochen deutlich an Masse und Füllhöhe abnehmen.
Das Problem in der praktischen Durchführung dürfte es sein, vollständig trockene Luft herzustellen. Hilfe geegneter Apparaturen könnte man der Luft über Kühlflächen viel Wasserdampf entziehen. Alternativ wäre chemische Trocknungsmittel wie etwa das stark hygroskopische Silika-Gel (SiO₂-Gel) oder Calciumchlorid (CaCl₂) interessant.
Fußnoten
- [1] Ab etwa 70 Gewichtsprozent Glycerin-Anteil verdunstet nimmt das Gewicht einer Glycerin-Wasser-Lösung nicht mehr ab: "The aim of this study was to analyze the moisture-retention capacity of glycerin, a common ingredient in cosmetic products. Und: "The results revealed that the moisture-retention capacity of glycerin increased with the glycerin concentration from 0 to 60 wt%, and glycerin at concentration of 60–70 wt% did not exhibit weight change during the evaporation process. When the glycerin concentration exceeded 70 wt%, moisture sorption occurred in the glycerin solution." In: Chen HJ et al: Moisture retention of glycerin solutions with various concentrations: a comparative study. Sci Rep. 2022 Jun 17;12(1):10232. doi: 10.1038/s41598-022-13452-2. PMID: 35715536; PMCID: PMC9205919.