A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z 9 Ω
Das Banner der Rhetos-Website: zwei griechische Denker betrachten ein physikalisches Universum um sie herum.

Pilotwelle

Physik

© 2016 - 2025




Grundidee


Als Pilotwelle bezeichnet man heute eine rein theoretisch-mathematische gedachte Welle oder Kombination von Wellen. Pilotwellen könne dann mathematisch angeben, ob an bestimmten Orten oder zu bestimmen Zeiten Quantenobjekte wie zum Beispiel Photonen angegetroffen werden könnten. Das ist hier kurz erklärt.

Stabile Elektronenbahnen als Ausgangsproblem


In den 1920er Jahren standen Physiker rätselnd vor der Frage, warum Elektronen in einem stabilen Atom nur bestimmte Energieniveaus einnehmen. Im Bohrschen Atommodell entsprachen diese Energieniveaus verschiedenen Umlaufbahnen der Elektronen um den Atomkern. Die Physiker hatten damals keine Idee, warum bestimmte Umlaufbahnen für ein bestimmtes Atom, zum Beispiel Wasserstoff möglich sind und andere nicht. Die in diesem Zusammenhang diskutierte Atomvorstellung hieß Bohrsches Atommodell ↗

Pilotwellen und das Bohrsche Atommodell


Dem französischen Physiker Louis de Broglie war bekannt, dass Photonen, das sind Lichtteilchen, wellenartige Phänomene zu haben scheinen. De Broglie verband das Wellendenken dann auch mit materiellen Teilchen wie Elektronen[1]. Aus andere Überlegungen hatte man bereits eine Formel, mit der man für Elektronen eine ihnen zugeordnete Wellenlänge berechnen konnte, die sogenannte de-Broglie-Wellenlänge: λ = h/(mv). Das kleine Lambda λ ist die Wellenlänge, m die Elektronenmasse und v die Bahngeschwindigkeit des Elektrons. Die Elektronmasse kannte man aus dem Millikan-Versuch. Die Bahngeschwindigkeit v ergibt sich im Bohrschen Atommodell daraus, dass die Fliehkraft des Elektrons auf seiner Kreisbahn gleich der elektrostatischen Anziehungskraft zwischen Atomkern (+) und Elektron (-) sein muss. Über die Formel oben kann man mit v und m des Elektrons dann eine Wellenlänge λ für das Elektron auf seiner Bahn um den Atomkern berechnen. Nun argumentierte de Broglie, dass die Umfangslänge der gedachten Elektronenbahn nur ganzzahlige Vielfache der Wellenlänge λ sein darf[3]. Wenn die Wellenlänge also 4 Einheiten beträgt, dann sind als Umlaufbahnen nur Bahnen mit der Länge 4 oder 8 oder 12 und so weiter erlaubt. Nicht erlaut wäre eine Umlaufbahn mit der Länge 5 oder 12,1 Einheiten. In Veranschaulichungen sieht man dann oft eine schlangenlinienartige Welle die auf einer Kreisban um den Atomkern liegt. Diese Schlangenwelle nannte de Broglie eine Pilotwelle. Siehe auch Bohrsches Atommodell ↗

Pilotwellen in der Bohmschen Quantenphysik


Der Physiker David Bohm entwickelte in den 1950er Jahren eine Quantenphysik auf der Grundlage von Wellenstrukturen, die letztendlich vorgeben auf welchen Flugbahnen sich Elektronen oder Photonen bewegen können[3]. Die Wellengleichung führt oder leitet die Quantenobjekte auf einer Bahn entlang. Bohm verwendete das Wort Pilotwelle[2]. Die Bohmschen Flugbahnen, die sogenannten Trajektorien sind aber auch im feldfreien Vakuum keine Geraden. Für ein individuelles Quantenobjekt dürfen die Energie- und Impulserhaltung der klassischen Physik verletzt werden. Der Anspruch der Bohmschen Theorie liegt darin, dass man jedem Quantenteilchen zu jedem Zeitpunkt einen festen Ort zuordnen kann, an dem es auch tatsächlich sein soll.

Louis de Broglie über Bohms Pilotwelle


ZITAT:

"Die Demonstration von Herrn von Neumann behauptet, jede Interpretation der Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Wellenmechanik durch eine kausale Theorie mit versteckten Parametern zu verbieten; jedoch existieren die Theorien der Doppellösung und der Pilotwelle, auch wenn sie nicht als bewiesen betrachtet werden können, und man kann sich fragen, wie ihre Existenz mit dem Theorem von von Neumann vereinbar ist. Diese Bemerkung hat mich dazu geführt, die Demonstration dieses Theorems erneut zu untersuchen, und ich habe dabei festgestellt, dass diese Demonstration im Wesentlichen auf dem folgenden Postulat beruht: Alle Wahrscheinlichkeitsverteilungen, die von der Wellenmechanik zugelassen werden, haben eine physikalische Existenz, noch bevor von Neumann das Experiment durchgeführt hat, das eine dieser Verteilungen ins Spiel bringt. So würden die Wahrscheinlichkeitsverteilungen, die aus der Kenntnis der Welle T abgeleitet werden und sich auf die Position und den Bewegungszustand beziehen, vor den Messungen existieren, die es ermöglichen, die Position oder den Bewegungszustand genau zu kennen."[5]

Fußnoten


  • [1] Louis de Broglie: La Mécanique ondulatoire et la structure atomique de la matière et du rayonnement. In: Journal de Physique, Serie VI. Band VIII, Nr. 5, 1927, S. 225–241.
  • [2] Bohm, David (1952). "A Suggested Interpretation of the Quantum Theory in Terms of 'Hidden Variables' I". Physical Review. 85 (2): 166–179.
  • [3] Walter R. Fuchs: Moderne Physik. Manfred Pawlak Verlagsgesellschaft mbH, Herrsching. Seite 156.
  • [5] do Broglie im Original von 1952: "la démonstration de M. von Neumann prétend interdire toute interprétation des distributions de probabilités de la Mécanique ondulatoire par une théorie causale à paramètres cachés ; or les théories de la double solution et de l'onde-pilote, si elles ne peuvent être considérées comme prouvées, existent cependant et l'on peut se demander comment leur existence est conciliable avec le théorème de von Neumann. Cette remarque m'a conduit à examiner de nouveau la démonstration de ce théorème et je me suis alors aperçu que cette démonstration reposait essentiellement sur le postulat suivant : toutes les répartitions de probabilités admises par la Mécanique ondulatoire ont une existence physique avant même que Von ait fait V expérience qui fait entrer en jeu l'une de ces répartitions. Ainsi les répartitions de probabilités déduites de la connaissance de l'onde T et relatives à la position et à l'état de mouvement existeraient avant les expériences de mesure qui peuvent permettre de connaître exactement la position ou l'état de mouvement." In: Louis de Broglie: La physique quantique restera‑t‑elle indéterministe?, Revue d’histoire des sciences et de leurs applications 5(4), 289–311 (1952). DOI 10.3406/rhs.1952.2967, S. 289. Online: https://www.persee.fr/doc/rhs_0048-7996_1952_num_5_4_2967