Lot (Mathematik)
90°-Linie
Definition
Die ursprüngliche Bedeutung eines Lotes oder eine Lotlinie war die Richtung, in der ein frei hängender Faden mit einem Gewicht am unteren Ende verlief[3]. Später wurde diese Bedeutung dann verallgemeinert. Heute bezeichnet ein Lot im Sinne der Geometrie eine Gerade[6], Halbgerade[7] oder Strecke[8], die senkrecht auf einer anderen Geraden, Ebene oder auch gekrümmten Fläche steht[1].
Die historische Bedeutung: die Lotlinie
Das Wort Lot ist mit dem Englischen Wort lead und dem Niederländischen lood verwandt. Beide Fremdworte heißen auf Deutsch Blei. Blei ist ein vergleichsweise sehr schweres Metall[9]. Es wurde und wird gerne dort verwendet, wo man kleine aber schwere Gewichte benötigt. Eine solche Anwendung war das sogenannte Senkblei[1][3]: an einem längeren Faden wurde wie bei einem Fadenpendel unten ein Bleigewicht befestigt. Dann ließ man den Faden mit dem Gewicht, das jetzt ein Schnurlot war, frei nach unten herabhängen. Die Richtung des Fadens zeigt dann auch die Richtung der Schwerkraft an. Das Lot als Werkzeug und die von ihm angezeigte Lotlinie gab als die Richtung "senkrecht nach unten" oder "senkrecht nach oben" an. Diese Richtung nannte man auch lotrecht[3]. Das so verstandene Lot bildete dann immer auch einen Winkel von 90° mit der Waagrechten, also einer horizontal verlaufenden Linie. Siehe mehr unter Lot (Werkzeug) ↗
Die Verallgemeinerung: 90°
Lässt man ein Schnurlot frei herabhängen, dann bildet der Faden einen Winkel von 90° mit der Waagrechten. Die Waagrechte, auch Horizontale genannt, ist eine Linie, die eine auf einer Wasseroberfläche schwimmende gerade Strecke einnehmen würde. In der Geometrie wird das durch das Zeichen ⟂ angedeutet: die Linie von oben nach unten wäre die Lotrichtung, die Linie von links nach rechts die Horizontale. Beide Linien stoßen mit einem Winkel von 90° aufeinander. In der Verallgemeinerung ist ein Lot dann ganz generelle eine gerade Linie, die mit einem Winkel von 90° auf eine andere Linie, Ebene oder Fläche stößt. Zu dieser allgemeinen Deutung folgen jetzt einige Beispiele.
Das Lot auf einer Linie
- Man betrachte zum Beispiel das große lateinisch: T
- Man hat oben eine kleine waagrechte Linie von links nach rechts.
- Von unten kommt eine senkrechte Linie.
- Die senkrechte Linie trifft mit 90° auf die obere Linie.
- Die senkrechte Linie ist dann ein Lot von oder auf der waagrechten Linie.
Das Lot auf einer Fläche
- Man stelle sich eine Dachschräge vor.
- Von ihr zeigt ein Stab senkrecht mit 90° weg.
- Dann wäre dieser Stab ein Lot auf der Dachschrägen.
Das Lot einer 2D-Linie
- Man hat eine Gerade in einem xy-Koordinatensystem gegeben.
- Für diese Gerade ist ein Lot, also eine Linie mit 90° dazu gesucht.
- Dieser Fall ist erklärt auf Zueinander senkrechte Geraden ↗
Das Lot in der Vektorrechnung
- Hier werden Lote auf Geraden und Flächen berechnet.
- Der zentrale Gedanke ist das Skalarprodukt.
- Mehr dazu unter Skalarprodukt ↗
Das Lot in der Optik
In der Optik wird das Lot oft als Bezugslinie für Lichtstrahlen und Winkel verwendet. Das Lot in der Optik ist dann ein Beispiel dafür, dass das Lot auch mit 90° auf einer gekrümmten Fläche, zum Beispiel der Oberfläche einer sphärischen Linse[10] stehen kann.
- Einfallswinkel gleich Ausfallswinkel Reflexionsgesetz ↗
- Brechung von Licht an Grenzflächen Snelliussches Gesetz ↗
Alternative Begriffe zu Lot
Das Wort Lot trägt wie auch das Wort senkrecht immer die Möglichkeit eines Missverständnisses in sich. Es kann einerseits, wie in lotrecht, eine Linke senkrecht nach unten oder oben meinen. Oder in der Verallgemeinerung jede Richtung in einem Winkel von 90° zu einem anderen Bezugsobjekt. Es gibt aber Synonyme für die allgemeine Bedeutung, die diese Doppeldeutigkeit vermeiden. Wo die Gefahr der Doppeldeutigkeit besteht, kann alternativ eines dieser Synonyme verwendet werden.
Beide diese Worte, Normale und Orthogonale stehen für die Idee eines 90°-Winkels. Das kann - muss aber nicht - der 90°-Winkel zur Horizontalen der Erdoberfläche sein.
Fußnoten
- [1] 1904, historisch: "Lot bezeichnet in der Technik verschiedene Begriffe. 1. Lot (Lotlinie, Lotrichtung, Vertikale), die Richtung der Schwerkraft an einem Erdorte. Ueber Lot in der Markscheidekunde s. Grubeninstrumente und Orientierungsmessungen. Die Lotlinie wird angezeigt durch die Ablotinstrumente (s.d.). Ueber die grundlegende Bedeutung der Lotrichtung für geodätische Bestimmungen s. Geodäsie; über Lotabweichung s.d. 2. Lot, Material zum Löten, s.d. 3. Lot, s.v.w. Senkblei, s. Loten. 4. Lot, a) früheres Gewicht = 1/32, später 1/30 Pfund, in den meisten deutschen Staaten 1/30 Zollpfund (zu 500 g) = 16,67 g, in Bayern und Oesterreich = 17,5 g, in Hannover, Oldenburg, Braunschweig, Schaumburg-Lippe und den Hansastädten (Neulot) = 50 g; b) Gold- und Silbergewicht = 1/16 Mark = 18 Gran." In: Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 6 Stuttgart, Leipzig 1908., S. 229. Online: Permalink: http://www.zeno.org/nid/20006078524
- [2] 1908, in der Geometrie: "Lot (Senkrechte, Normale, Perpendikel), in der Geometrie eine Gerade, die auf einer andern Geraden senkrecht steht, mit ihr einen rechten Winkel bildet (s. Winkel) oder rechtwinklig (perpendikular) zu ihr ist. Den Punkt, in dem das L. die andre Gerade trifft, nennt man den Fußpunkt des Lotes. Konstruiert man zu einer Geraden ein L., dessen Fußpunkt gegeben ist, so sagt man, daß man auf der Geraden in dem gegebenen Punkt das L. errichtet, von einem Punkt außerhalb einer Geraden fällt man dagegen das L. auf diese. Zieht man durch einen Punkt A einer Ebene zwei gerade Linien g und h, die ganz in der Ebene liegen, so gibt es stets eine und nur eine Gerade, die durch A geht und sowohl auf g als auf h senkrecht steht. Diese Gerade steht dann überhaupt auf jeder durch A gehenden Geraden senkrecht, die ganz in der Ebene liegt, und man sagt daher, sie steht auf der Ebene selbst senkrecht, sie ist das auf der Ebene in dem Fußpunkt A errichtete L. Entsprechend sagt man, daß man von einem Punkt außerhalb einer Ebene das L. auf diese fällt." Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 725. Online: http://www.zeno.org/nid/20007017804
- [3] 1908, als Senkblei: " Lot (Senkel), ein an einem Faden hängendes Gewicht, das unter der Einwirkung der Schwerkraft den Faden direkt senkrecht richtet. Man benutzt es, um, z. B. beim Mauern, die senkrechte (»lotrechte«) Richtung zu ermitteln (Bleilot, Schrot-, Setzwage), zur Tiefenmessung (Senkblei, s. Tiefenmessung). Im Vermessungswesen benutzt man zur Bestimmung eines Punktes, der genau senkrecht unter einem andern gegebenen Punkt liegt, Abloteinstrumente. Zum mechanischen Abloten dient das gewöhnliche L., ein schweres, gewöhnlich birnenförmiges Metallstück an einem sehr dünnen (Metall-) Faden. Gewöhnlich ist das L. mit einer scharfen zentrischen Spitze versehen, so daß beim Fallenlassen aus geringer Höhe auf die Unterlage der abgelotete Punkt durch einen seinen Eindruck bezeichnet wird. Da die Senkel bei jedem Luftzug schwanken, werden häufig starre Lote verwendet, Metallstäbe, die an ihrem obern Ende eine Dosenlibelle tragen, welche beim Einspielen der Blase die senkrechte Lage des Stabes angibt. Zum optischen Abloten benutzt man ein mit Fadennetz versehenes Fernrohr, das mittels Libellen genau vertikal gerichtet wird. Liegt der gesuchte Punkt oberhalb des gegebenen in der Vertikallinie, so spricht man von Aufloten oder Heraufbringen des gegebenen Punktes. Die hierfür erforderlichen Operationen sind die gleichen wie beim Abloten." In: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 725. Online: http://www.zeno.org/nid/20007017812
- [4] 1911, Lot als Gewicht: "Lot (Loth), früheres Handelsgewicht zu 1/32, später meist 1/30 des Pfundes, als Gold-, Silber- und Münzgewicht = 1/16 der Mark, die als Probiergewicht bei der Feinheitsbestimmung des Silbers in 16 L. à 18 Grän zerfiel; feines Silber war also 16 lötig. – L., Senkblei, im Seewesen, kegelförmiger Blei- oder zylindrischer Eisenkörper, der an einer Leine (Lotleine) oder dünnem Draht befestigt ins Wasser gelassen wird, um die Tiefe zu bestimmen. (S. auch Lotmaschine.)" In: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 80. Online: http://www.zeno.org/nid/20001315269
- [5] 1911, Lot als Normale: "L., Perpendikel, Lotrechte, Senkrechte, Normale, in der Geometrie eine gerade Linie l [Abb. 1077], die auf einer andern geraden Linie m m senkrecht steht, d.h. mit dieser einen rechten Winkel bildet; der Punkt f, in dem die eine die andere trifft, ist der Fußpunkt. – L., Blei-L., an einem Faden befestigtes Blei zur Bestimmung der senkrechten Richtung (lotrecht = senkrecht). – L., metallurgisch, s. Löten." In: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 80. Online: http://www.zeno.org/nid/20001315269
- [6] Eine Gerade ist eine Linie, die weder Anfang noch Ende hat. Sie ist also in beide Richtungen ohne Ende, das heißt unendlich lang gedacht. Für eine Gerade kann man damit auch keine Länge angeben. Siehe mehr unter Gerade ↗
- [7] Eine Halbgerade hat ein Anfang aber kein Ende. In der Optik bezeichnet man eine Halbgerade auch als Strahl. Wie für eine Gerade, kann man auch für eine Halbgerade nicht sinnvoll eine Länge angeben. Siehe mehr unter Halbgerade ↗
- [8] Eine Strecke hat ein Anfang und ein Ende. Ihre Länge kann man zum Beispiel in Zentimetern oder Metern angeben. Siehe mehr unter Strecke ↗
- [9] Ein Kubikzentimeter Blei wiegt rund 11,34 Gramm. Zum Vergleich: Aluminium kommt auf nur rund 2,7 g/cm³ und Eisen auf etwa 7,86 g/cm³. Deutlich schwerer - aber auch teurer - als Blei sind Gold, Platin oder Wolfram. Siehe auch Bleidichte ↗
- [10] Sphärisch nennt man eine Linse, bei der mindestens eine der Flächen, durch die der betrachtete Lichtstrahl geht, Teil einer gedachten Kugeloberfläche ist. Siehe mehr unter sphärische Linse ↗