Infiniter Regress
Beispiel
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- 2025
Basiswissen|
Die Atomidee|
Homunkulus|
Achilles und die Schildkröte|
Gott als Ende des infiniten Regresses?|
Die Berechnung von Wurzel aus Zwei als infiniter Regress|
Kants Weltsystem|
Fußnoten
Basiswissen
Warum hat Albert Einstein die Relativitätstheorie entwickelt? Weil er sich für Physik interessierte. Warum interessiert er sich sich für Physik? Weil seine Familie ihn dazu anregete. Warum regte sein Familie ihn dazu an? Und immer so weiter bis zum Urknall und der Frage nach dem Warum unseres Seins: als infiniten Regress bezeichnet man eine Folge logischer Schlüsse oder Gedanken, die an keiner Stelle abbrechen und zu einem Endpunkt kommen. Theorien, die zu einem infiniten Regress führen, gelten in der Wissenschaft nicht als gut begründet (was aber nicht heißt, dass sie falsch sein müssen). Dazu stehen hier kurz einige Beispiele.
Die Atomidee
Hunderte von Jahren vor Christus spielten antike griechische Denken die Idee durch, dass man ein Stück Materie in zwei Stückchen zerschneiden könnte. Ein so entstandenes Stückchen konnte man dann wieder teilen. Und immer weiter so, ein klassisch infiniter Regress. Die Idee, dass die Materie aus irgendeinem Grund plötzlich ab einer gewissen Kleinheit nicht mehr teilbar sein könnte würde den infiniten Regress beseitigen. Diese antike Idee hat den Namen Atomon ↗
Homunkulus
Der Kopf eines Menschen besteht ganz aus Materie. Was aber nimmt dann die Dinge wahr, wer oder was ist die Leinwand auf der sich unsere Eindrücke und Gefühle abspielen? Schon früh tauchten Bilder von Männchen im Kopf auf, die den Kopf und Körper nur als Instrument benutzten. Ein solches Männchen nannte man einen Homunkulus. Man kann nun aber immer weiter fragen: wer oder was erlebt im Inneren des Männchens? Es entsteht ein infiniter Regress, eine typische Situation im Zusammenhang mit dem Geist-Materie-Problem ↗
Achilles und die Schildkröte
Ein guter Athlet und eine langsame Schildkröte treten zu einem Wettrennen gegeneinander an. Die Schildkröte erhält einen Vorsprung. Es gibt einen logisch bezwingenden Gedankengang, der zu einem infiniten Regress führt und als Ergebnis hat, dass der Athlet die Schildkröte niemals überholen kann. Der Gedanke ist offensichtlich falsch. Aber den Fehler zu finden ist sehr schwer. Lies mehr unter Achilles und die Schildkröte ↗
Gott als Ende des infiniten Regresses?
Dem Philosophien Immanuel Kant (1724 bis 1804) zufolge kann der Mensch nicht anders als mit Ursachen und Wirkungen zu denken. Es ist für den Menschen, sozusagen denkunmöglich, Geschehnisse ohne Ursache zu denken. In der Theologie führte das zu der Frage, was denn die Ursache Gottes gewesen sei. Die christliche Theologie des Mittelalters (Scholastik) antwortertere darauf, dass Gott sich selbst seine eigene Ursache war. Man spricht von der sogenannten Aseität Gottes. Damit wird der unendliche oder infinite Regress per Definition beendet. Siehe auch Aseität ↗
Die Berechnung von Wurzel aus Zwei als infiniter Regress
Es gibt Verfahren, mit denen man die Wurzel aus der Zahl 2 schriftlich berechnen kann. Dabei wird man jedoch niemals zu einem natürlichen Ende kommen. Immer wieder entstehen neue Nachkommastellen. In diesen wird man kein Muste, keine Regelmäßigkeit erkennen. Man kann das insofern als einen infiniten Regress ansehen, dass die Ursache für die korrekte Rundung der n-ten Nachkommastelle in der n+1-ten Nachkommastelle zu suchen ist, und man endlos immer weiter rechnen muss, will man beim einer Rundung keinen Fehler machen. Dieses Problem hat jede sogenannte irrationale Zahl ↗
Kants Weltsystem
Im Jahr 1755 hatte der Philosoph Immanuel Kant (1724 bis 1804) ein überaus kluges Schriftstück über den astronomischen Aufbau des Kosmos geschrieben. Nachdem er unser Sonnensystem kurz beschrieben hatte, gab er viele Hinweise darauf, dass auch unsere Milchstraße ganz ähnlich dem Sonnensystem eine Ansammlung von Himmelskörpern sein könnte, die um einen gemeinsames Zentrum umlaufen. Und die Teleskope gaben Hinweise darauf, dass die damals schon sichtbaren Nebelflecken wiederum Milchstraßen sein könnten. Kant setze diesen Gedanken in Form einer "unendlichen Progression" fort:
ZITAT:
"Wenn die Grösse eines planetischen Weltbaues, darin die Erde als ein Sandkorn kaum bemerkt wird, den Verstand in Verwunderung setzt, mit welchem Erstaunen wird man enzückt, wenn man die unendliche Menge Welten und Systemen ansieht, die den Inbegriff der Milchstrasse erfüllen; allein wie vermehrt sich dieses Erstaunen, wenn man gewahr wird, dass alle diese unermessliche Sternordnungenen wiederum die Einheit von einer Zahl machen, deren Ende wir nicht wissen, und die vielleicht eben so wie jene unbegreiflich gross und doch wiederum noch die Einheit einer neuen Zahlverbindung ist. Wir sehen die ersten Glieder eines fortschreitenden Verhältnisses von Welten und Systemen, und der erste Theil dieser unendlichen Progression giebt schon zu erkennen, was man von dem Ganzen vermuthen soll. Es ist hier kein Ende, sondern ein Abgrund einer wahren Unermesslichkeit, worin alle Fähigkeit der menschlichen Begriffe sinkt, wenn sie gleich durch die Hülfe der Zahlwissenschaft erhoben wird."[2]
"Wenn die Grösse eines planetischen Weltbaues, darin die Erde als ein Sandkorn kaum bemerkt wird, den Verstand in Verwunderung setzt, mit welchem Erstaunen wird man enzückt, wenn man die unendliche Menge Welten und Systemen ansieht, die den Inbegriff der Milchstrasse erfüllen; allein wie vermehrt sich dieses Erstaunen, wenn man gewahr wird, dass alle diese unermessliche Sternordnungenen wiederum die Einheit von einer Zahl machen, deren Ende wir nicht wissen, und die vielleicht eben so wie jene unbegreiflich gross und doch wiederum noch die Einheit einer neuen Zahlverbindung ist. Wir sehen die ersten Glieder eines fortschreitenden Verhältnisses von Welten und Systemen, und der erste Theil dieser unendlichen Progression giebt schon zu erkennen, was man von dem Ganzen vermuthen soll. Es ist hier kein Ende, sondern ein Abgrund einer wahren Unermesslichkeit, worin alle Fähigkeit der menschlichen Begriffe sinkt, wenn sie gleich durch die Hülfe der Zahlwissenschaft erhoben wird."[2]
Das Zitat ist beachtlich. Als er sein Schriftstück veröffentlichte, im Jahr 1755, wurden in Europa und den USA noch Hexen verbrannt. Dass die Nebelfecken tatsächlich ferne Galaxien sind - Kant hatte recht - wurde erst weit über 100 Jahre später bestätigt. Sehr schön gibt das Zitat auch das Gefühl unendlicher Räume und Zeiten wieder. Eine Enstprechung im Gefühl unendlich sich auftuender Zeiträume hatte Kants unendlicher Kosmos im Begriff Tiefe Zeit ↗
Fußnoten
- [1] Als "Regressus" allgemein bezeichnet man "ein Zurückschreiten des Denkens vom Bedingten zur Bedingung, von der Wirkung zur Ursache" und ist ein solches Rückwärtsdenken "nicht abschließbar" nennt man es "regressus ad infinitum". In: Metzeler Philosophie Lexikon. Herausgegeben von Peter Prechtl und Franz-Peter Burkard. 2. überarbeitete Auflage. Stuttgart, Weimar, 1999. ISBN: 3-476-01679. Dort der Artikel "Regressus" auf Seite 503. Siehe auch infinit ↗
- [2] Immanuel Kant: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels oder Versuch von der Verfassung und dem mechanischen Ursprunge des ganzen Weltgebäudes nach Newtonischen Grundsätzen abgehandelt. Petersen, Königsberg und Leipzig 1755.