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Horizontale Differenzierung


Soziologie


Basiswissen


Bauern, Fischer, Maurer, Priester, Krieger und so weiter: wenn eine Gesellschaft verschiedene feste Rollen im Sinne einer Arbeitsteilung anbietet oder fordert und wenn diese Positionen nicht fest mit einer sozialen Rangordnung (höher, tiefer) verbunden sind, dann spricht man von einer horizontalen Differenzierung. Das ist hier kurz vorgestellt.

Horizontale Differenzierung als berufliche Arbeitsteilung


In Deutschland gab es im Jahr 2022 so spezielle Berufe Bergbautechnologe, Edelsteinfasser oder Thermometermacher[2]. Die Berufe erforderten oft eine spezielle körperliche (Briefträger) oder geistige (Pilot) Eignung sowie eine oft lange Ausbildungszeit. Ein Wechsel zwischen Berufen war in Europa bis in die 2000er Jahre oft eher die Ausnahme. Insofern kann man von einer recht starken beruflichen Differenzierung einzelner Menschen im Laufe ihres Lebens sprechen. Die Grundidee dieser Differenzierung ist die Arbeitsteilung ↗

Taylorismus als Extremum einer beruflichen Differenzierung


In den USA setzte sich im frühen 20ten Jahrhundert in vielen Produktionsstätten die Fließbandfertigung durch. Eine Leittheorie dahinter war der sogenannte Taylorismus. Ihm zufolge sollte der Arbeitsprozess in möglichst viele kleine Schritte zergliedert werden: nimm eine Schraubenmutter aus einem Eimer und drehe sie mit genau zwei Umdrehungen auf eine bestimmte am Fließband vorbeikommende Schraube. Der arbeitende Mensch in einer solchen Umgebung war reduziert auf eine einfachst möglichst hochspezialisierte Einzelhandlung. Siehe auch Taylorismus ↗

Horizontale Differenzierung als Lebensstil


Seit dem späten 20ten Jahrhundert wurde für Soziologen neben der klassischen beruflich-horizontalen Differenzierung auch die Differenzierung von Menschen in verschiedene Lebensstile hinein zunehmend interessant. So trinken Fußballfans auf Feiern eher Bier wohingegen Urlauber auf Sylt tendenziell mehr Wein trinken. Was zunächst wie zufällige und unwesentliche Eigenschaften aussehen mag, steht doch für Lebensstile und Gruppen von Menschen, die sich mehr gegeneinander abgrenzen, als dass sie eine gegenseitige Durchmischung suchen. Man spricht in solchen Zusammenhängen auch von Milieutheorien[3].

Erste horizontale Differenzierung in der Jungsteinzeit?


Heutige Jäger- und Sammlergemeinschaften wie etwa den Buschleuten im südtlichen Afrika oder Indianern im Amazonasgebiet bestehen meist aus Familienverbänden, in denen alle Männer ähnliche Arbeiten verrichten und auch alle Frauen ähnliche Arbeiten verrichten. Es gibt dort noch keine Differenzierung in Berufe, bestenfalls ansatzweise mit Schamanen, Medizinleuten und ähnlichen Figuren. Man nimmt heute an, dass erst mit der Sesshaftwerdung des Menschen in der Jungsteinzeit, um etwa 10 Tausend bis 8000 vor Christus, auch Berufe im heutigen Sinn entstanden und damit auch eine umfassende horizontale Differenzierung. Die entsprechende Umwälzung der Jungsteinzeit nennt man auch die neolothische Revolution (externer Link)

Horizontale Differenzierung und soziointegrative Degeneration


„Immer mehr Gesellschaftsmitglieder schlagen sich mit immer beschränkteren „Tunnelblicken“ durchs Leben; und wer hat dann eigentlich noch den Überblick über die Ordnung des gesellschaftlichen Ganzen?“[4] So klagt Uwe Schimank und spricht damit ein Phänomen an, dass untrennbar mit einer zunehmenden Differenzierung von Menschen verbunden ist. Je größer ein soziales Gebilde wird und je differenzierter die Tätigkeiten und Positionen darin, desto kleiner wird das Verhältnis von individueller Einsicht zur nötigen Einsicht, das Gesamtgebilde verstehen oder steuern zu können. Wenn dann noch eine individuelle Verkümmerung von Fähigkeiten dazukommt, handelt es sich nach Ansicht des polnischen Autoren Stanislaw Lem um eine sogenannte soziointegrative Degeneration ↗

Horizontale Differenzierung in der biologischen Evolution


Während einzellige Lebewesen in den erdgeschichtlich frühen Ozeanen alle Lebensfunktionen eigenständig ausführen können mussten, kam es nach dem Zusammenschluss von Einzellern zu Zellkolonien oder mehrzelligen Lebewesen zu einer starken Differenzierung. In Schwämmen beispielsweise gibt es Zellen, die sich um die Durchströmung mit Wasser kümmern, andere dienen nur der Fortpflanzung und wiederum andere nehmen Nahrung auf. Das Ergebnis einer solchen Differenzierung ist die Entstehung von Gewebe ↗

Fußnoten