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Das Banner der Rhetos-Website: zwei griechische Denker betrachten ein physikalisches Universum um sie herum.

Bokanowsky-Verfahren

Menschenzüchtung

Basiswissen


In seinem dystopischen Roman Schöne Neue Welt aus dem Jahr 1932 schildert der englische Schriftsteller Aldous Huxley (1894 bis 1963), wie Menschen nach einer ersten künstlichen Befruchtung einer Eizelle in einer künstlichen Umgebung für ihre spätere Funktion innerhalb der Gesellschaft konditioniert werden. Das ist hier kurz vorgestellt.

Soziale Differenzierung in fünf Kasten


Für die Gesellschaft werden fünf unterschiedliche Menschentypen herangezogen. Die Alphas und Betas entsteen als echte Individuen aus je einer eigenen befruchteten Eizelle. Sie besiedeln nachher die zwei höchsten Kasten der Gesellschaftspyramide. Die Gammas, Deltas und Epsilons entstehen zwar auch aus einer befruchteten Zelle, diese wird aber geklont, sondass die Angehörigen der unteren drei Kasten Klone sind.

Konditionierung zum Glücklichsein


Alle fünf Menschentypen werden während ihrer frühen Entwicklung so konditioniert, dass sie später mit ihrer Position in der Gesellschaft glücklich sind. Wer zum Beispiel später Raumfahrer werden soll, wird schon als Embryo in Flaschen ständig gedreht und getaumelt. Dabei lässt man Glückshormone durch den Körper strömen. Bei ruhiger Lage hingegen, entsprechend einem Aufenthalt auf der Erde, durchfluten Stresshormone den Körper. Der ausgewachsene Mensch wird dann stets ein Bedürnis spüren, sich gerne in der Schwerelosigkeit des Weltraums aufzuhalten. Allen Menschentypen wird per Konditionierung die folgenden drei Grundsätze verinnerlicht:


Die Schöne Neue Welt als Warnung vor der Konsumgesellschaft


Der Roman Schöne Neue Welt wirkt auf befremdliche Weise sehr zwiespältig. Über das Bokanowsky-Verfahren wird (fast) sichergestellt, dass alle Mitglieder dieser fiktiven Gesellschaft dauerhaft glücklich sind. Dennoch gilt der Roman als Dystopie und nicht als Utopie. Das befremdliche Element ist die vollständige Fremdbestimmtheit der Individuen. Dem Glück fehlt die echte Freiheit. Der Autor, Aldous Huxley, reflektierte seinen Roman von 1932 nach dem Zweiten Weltkrieg an der US-amerikanischen Lebenswirklichkeit in einer rastlosen Konsumgesellschaft. Die Rolle der Konditionierung im Roman wird übernimmt in der Realität unter anderem die Werbung. Siehe dazu auch Brave New World Revisited ↗

Das Bokanowsky-Verfahren und soziointegrative Degeneration


Die Idee, Menschen durch technische Verfahren zu optimieren bezeichnet man allgemein als Transhumanismus. Üblicherweise werden mit dem Transhumanismus Erweiterungen und Verbesserungen menschlicher Fähigkeit angesprochen. Das originelle an Huxleys Art ist die Technisierung der (katholischen) Idee, dass jeder Mensch mit dem ihm zugewiesenen Platz in der Gesellschaft (Scala naturae) zufrieden sein sollte. Wo in der Gesellschaft nur funktional sehr eingeschränkte Menschen benötigt werden, sind auch diese so gebaut, dass sie mit ihrer Beschränktheit zufrieden sind. Das Bokanowski-Verfahren ist damit ein Mechanismus, der letzten Endes dazu führen könnte, dass eine stabile Gesellschaft mit weitgehend degenerierten Menschen entsteht. Das entsprechende hypothetische Phänomen bezeichnet der polnische Autor Stanislaw Lem als soziointegrative Degeneration (Soziologie) ↗