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Luxus


Soziobiologisch


Basiswissen


Eine Flasche Wein im Wert eines durchschnittlichen Monatseinkommens, im privaten Jet 50 Kilometer fliegen oder teurer Schmuck: als Luxus bezeichnet man Güter oder Dienstleistungen die weit über dem normalen Lebensstandard einer Gruppe liegen. Oft haben Luxusgüter auch wenig praktischen Nutzen, zeichnen sich aber durch ein hohes Maß an Exklusivität aus. Das ist hier kurz aus Sicht der Soziobiologie beleuchtet.

Luxus ist teuer


12094 Euro - über Zwölf Tausend Euro - für eine Flasche Wein der Marke Château Pétrus (Rotwein, Bordeaux) vom Jahrgang 1983: das ist der Verkaufspreis (Mehrwertsteuer inklusive), der auf einer Internetplattform im Jahr 2023 als Spitzenwert angegeben wurde. Der Preis ist nicht ungewöhnlich für teure Weine. Zum Vergleich: etwa 7000 Euro kostete zu selben Zeit ein Parabelflug mit dem mehrfachen Erlebnis von Schwerelosigkeit in einem großen Düsenflugzeug. In Deutschland verdiente man mit einer Vollzeitbeschäftigung im Schnitt etwa 4100 Euro Brutto[6] in einem Monat. Der Wert der Flasche Wein entspricht damit in etwa dem Wert von drei Monaten Arbeit in Vollzeit von einem deutschen Durchschnittsverdiener.

Luxus ist exklusiv


Exklusiv ist das Gegenteil von inklusiv. Auf Deutsch heißt exklusiv so viel wie ausschließend. Wenn also ein Geschäft seine Ware als „exklusiv“ bewirbt, wer soll dann ausgeschlossen werden? Mit den Worten „An diesem Abend exklusiv für Sie reserviert“ wirbt das Hotel 7132 in dem schweizer Ort Vals für zwei Übernachtungen für ein Paar zum Preis von etwa 8 Tausend Schweizer Franken[7]. Inbegriffen sind ein Helikopterflug auf einen Gletscher, ein 9-Gänge-Menü, die Übernachtung im Penthouse, Frühstuck etc. sowie auf Anfrage auch eine CO-Kompensation (Klimawandel). Die Exklusivität wird hier zusätzlich zum Preis noch unterstrichen durch die schwere Erreichbarkeit. Die zwei unvergesslichen Nächte sind damit praktisch unerreichbar für alle Personen mit wenig verfügbarem Geld. Sich von dem „gemeinen“ Menschen absondern zu können wird oft als ein bezeichnendes Merkmal der Reichen betrachtet[4].

Luxus ist unpraktisch


Im Jahr 2008 veröffentlichte die Universität Cambridge die Ergebnisse einer Studie, bei der mehr als 6000 Personen Wein blind verköstigt hatten. Dabei stellte sich heraus, dass Menschen ohne besonderes Training zum Weintesten eher die etwas billigeren Weine bevorzugten. Professionelle Weintester erkannten mit einer schwachen Korrelation die teureren Weine[6]. Was für Wein gilt, kann man auf andere Güter übertragen: eine luxuriöse Armbanduhr mit Goldkette ist weder stabiler noch zeigt sie die Zeit besser an als viele billigere Uhren. Wenn Luxus also keinen besonderen praktischen Nutzen hat, warum geben dann Menschen dann so viel Geld für Luxus aus?

Luxus als Todsünde?


Bemerkenswert ist, wie unterschiedlich Luxus in verschiedenen Gesellschaftszweigen bewertet wird. Während viele Reiche und ihre Bewunderer Luxus als erstrebenswert betrachten[2], sehen andere darin Zerfallserscheinungen und Sünde. Die katholische Kirche beispielsweise zählte die Luxuria zu einer der Todsünden[10]. Siehe dazu auch Die Sieben Todsünden ↗

Luxus als Nachhaltigkeit?


Einige überraschend positiven Aspekte von Luxus stellt der Betriebswirt und Journalist Frank Wiebe heraus: um eine teure Luxus-Uhr herzustellen benötigt man in etwa dieselbe Energie wie für eine Billiguhr, schafft damit aber viel mehr Wert und Arbeitsplätze. Auch können Billigprodukte oft nur in weit entfernten Billiglohnländern hergestellt werden. Das schafft die ökologischen Probleme des Transports und die ethischen Probleme der dortigen Arbeitsplätze. Wiebe zieht den Schluss, dass Luxus an sich zunächst kein ethisches Problem sei[11]. Unbeachtet bei seiner positiven Bilanz lässt Wiebe auch, dass Luxus oft darüber definiert wird, dass er nur einer kleinen Gruppe zugänglich ist. Erst dass macht Luxusartikel für viele Menschen erst reizvoll. Damit kann aber Luxus niemals die Lösung für Probleme sein, die ein Mitmachen einer großen Mehrheit erfordern. Es besteht auch weiter die Frage nach dem Sinn und Zweck von verschwenderischem Luxus.

Luxus als täuschungssicherer Beweis der Macht


Der US-amerikanische Ökonom Thorstein Veblen veröffentlichte im Jahr 1899 seine „Theorie der feinen Leute“[2]. Darin beschrieb er, wie die Vermeidung praktisch nützlicher Arbeit sowie die pompöse Zurschaustellung von nutzlosem Luxus wesentliche Merkmale reicher Menschen seiner Zeit waren. Literarisch bestätigt wird Veblens Bild von Jack Londons Roman „Der Seewolf“. Der Abenteurer, Alkoholiker und Autor Jack London lässt dort einen verwöhnten jungen Mann aus reichem Hause auf einen lebensrauhen Seemann treffen. Auf einem engen Schiff prallen die zwei Weltsichten dann folgenreich aufeinander. In Veblens Theorie der feinen Leute zeigt uns der Autor dann einen möglichen und doch ganz praktischen Nutzen von Luxus : man kann ihn auf Dauer nicht vortäuschen. Beständiger Luxus ist ein sicheres Anzeichen dafür, dass jemand tatsächlich reich ist. Und wo Reiche unter sich bleiben wollen, etwa um die Interessen ihrer Klassen im Verborgenen schützen zu können[8] ist echter Luxus die zuverlässigste Eintrittskarte. Diese Deutung kann auch den Effekt erklären, dass manche Güter erst ab einem gewissen Preis für Käufer überhaupt interessant werden. In den Wirtschaftswissenschaften spricht man vom sogenannten Veblen-Effekt ↗

Eine Anekdote aus der Erinnerung


Ich möchte hier eine Anekdote einfügen, die in den frühen 2000er Jahren spielte. Eine Sekretärin meines ehemaligen Arbeitgebers war damals in Scheidung von ihrem Mann. Der Mann hatte das Geld, die Frau nicht. Sie lebte fortan mit wenig Einkommen. Sie berichtete recht gefasst, wie mit dem Geld auch alle ihre alten Freundschaften verschwanden. Und zwar ganz ohne bösen Willen, sondern rein mechanisch: dadurch, dass man sich gewohnheitsmäßig in teuren Restaurants, Wellness-Spas oder Sport-Hotels traf konnte sie nicht mehr mitgehen. Ihr alter Freundeskreis war für sie unerreichbar geworden. Fehlendes Geld wirkt hier als automatischer Filter, als soziale Membran sozusagen. Doch nicht nur Geld alleine bestimmt die Gruppenzugehörigkeit. Man muss zusätzlich auch die richtigen Einstellungen mitbringen. Luxus und die dazu passenden Einstellungen schaffen Gruppenkohäsion ↗

Luxus in der biologischen Evolution


Luxus ist nicht auf Menschen beschränkt. Seit dem fernen Erdzeitalter des Miozän tragen Hirsche Geweihe. Aufwändige Geweihe aber kosten einen hohen Aufwand an Rohstoffen. Die Knochen benötigen vor allem Kalzium. Moderne Rothirsche auf den Schottischen Hebriden (Inseln) lauern dazu jungen Küken von Sturmtauchern, einer Vogelart, auf, um sie anschließend zu zerkauen. So gelangen die Hirsche an das wertvolle Kalzium[8]. Der praktische Nutzen der Geweihe indes ist gering. Bei der Flucht vor Raubtieren sind sie sogar hinderlich. Wie können große Geweihe dann über Millionen von Jahren in der Evolution bestehen? Dieselbe Frage stellt sich auch bei den aufwändiger Federkostümen von Vögeln. Man denke hier an Paradiesvögel oder Pfauen. Wozu der Luxus? Eine Antwort sehen Evolutionsbiologen hier in der Unfälschbarkeit eines Beweises. Hirsche mit großen Geweihen und Vögel mit aufwändigem Federkleid sind ein fälschunssicherer Beweis für körperliche Gesundheit. Und damit können die Weibchen die gesundesten Männchen auswählen. Und das wiederum ist ein Vorteil in der biologischen Evolution[5]. Wer Luxus zur Schau stellen kann, hat als Mensch in der sozialen Welt Zutritt zum inneren Zirkel der Macht oder als Tier zu Paarungspartnern. Damit können Soziologen und Biologen dauerhaft zur Schau gestellten Luxus auf eine sehr ähnliche Weise begründen. Beide Sichten verbinden sich im Forschungsfeld der Soziobiologie ↗

Fußnoten