Zenons Paradoxon
Gedankenexperiment
Basiswissen
Achilles bietet einer Schildkröte ein Wettrennen an: Die Schildkröte bekommt einen ordentlichen Vorsprung. Gewonnen hat, wer zuerst die Ziellinie überschreitet. Der Alte Grieche Zenon argumentiert nun, dass Achilles die Schildkröte niemals überholen kann. Das Ergebenis der Argumentation ist offensichtlich falsch. Aber wo liegt der Fehler?
Das Paradoxon
Am Anfang ist die Schildkröte vor Achilles. Wenn Achilles gleich dort ist, wo die Schildkröte gerade war, dann ist diese schon ein Stückchen weiter gewandert. Dies aber kann ich wieder als Anfangssituation interpretieren und jetzt verallgemeinern: Immer wenn Achilles dort ist, wo die Schildkröte gerade war, wird diese ein Stückchen weitergewandert sein. Da dieser Gedanke nirgends abbricht, wird Achilles die Schildkröte niemals überholen können.
Grundproblem
Es ist offensichtlich, dass Zenons Behauptung, Achilles könne die Schildkröte niemals überholen, falsch ist. Das Interessante an diesem Paradoxon ist nicht, zu zeigen, dass es falsch oder alternative Lösungen aufzuzeigen. Vielmehr ist die interessante Frage: welche nicht genannten Annahmen (Prämissen) sind in Zenons Argument enthalten, die falsch sein müssen? Eine mögliche Antwort darauf ist: dass Raum und Zeit beliebig fein stückelbar sind. Anders gesagt: Zenon nahm an, die Raumzeit sei im mathematischen Sinn stetig ↗
Die Schachbrett-Welt als Lösung?
In den 1940er Jahren schlug der Physiker Richard Feynman vor, die Welt in ihrem zeitlichen Ablauf modellhaft als Schachbrett zu denken[2]. Eine Zeile von links nach rechts entspricht dabei dem eindimensional gedachten Raum. Jede Zeile für sich steht dann für einen Zeitpunkt. Zwischen zwei aufeinanderfolgenden Zeitpunkten gibt es keine weiteren Zwischenzeitpunkte. Eine solche Vorstellung ist nicht mehr stetig sondern in der Sprache der Mathematik diskret (gestückelt). Man stelle sich nun eine Zeile von links nach rechts bestehend aus einzelnen Feldern vor. Die Zeile sei unendlich lang. Ganz links am Rand steht Achilles. 10 Felder rechts von ihm steht die Schildkröte. Nach dem Startschuss für das Rennen bewegen sich beide Läufer nach rechts. Achilles benötigt für ein Feld nach rechts einen Zeittakt, die Schildkröte benötige dafür zum Beispiel zwei Zeittakte. In einer solchen diskreten Modellierung tritt das Paradoxon nicht auf. Eine falsche Grundannahme von Zenon war es also, sowohl Raum als auch Zeit als stetig fließende Größen aufzufassen. Die mögliche Lösungs verweist auf die Frage, ob Raum und Zeit in Wirklich nicht tatsächlich diskret, also gestückelt sind. Dieser Gedanken wurde von verschiedenen Wissenschaftlern diskutiert[1][2][3]. Ein Beispiel ist die Idee von der Welt als Zellularautomat ↗
Was ist eine Aporie?
Zenons Paradoxon zählt zu den Aporien, den unlösbare oder schwer lösbare Fragen im Grundsätzlichen. Weitere Beispiele stehen unter Aporien ↗
Fußnoten
- [1] Edward Hanna: Feynman Checkerboard as a Model of Discrete Space-Time. July 6th, 2006. Cornell University. arXiv:cs/0607018
- [2] Konrad Zuse, 1969. Rechnender Raum. Braunschweig: Friedrich Vieweg & Sohn. 70 Seiten.
- [3] Stephen Wolfram: A New Kind of Science. Wolfram Media, Inc., May 14, 2002. ISBN 1-57955-008-8.
- [4] Zenons Paradoxon in den Worten von Friedrich Nietzsche: "Es kann keine Bewegung von einem Orte zum andern geben: denn wenn es eine solche gäbe, so wäre eine Unendlichkeit vollendet gegeben: dies ist aber eine Unmöglichkeit.« Achill kann die Schildkröte, die einen kleinen Vorsprung hat, im Wettlauf nicht einholen; denn um nur den Punkt, von dem die Schildkröte aus läuft, zu erreichen, müßte er bereits zahllose, unendlich viele Räume durchlaufen haben, nämlich zuerst die Hälfte jenes Raumes, dann das Viertel, dann das Achtel, dann das Sechzehntel und so weiter in infinitum. Wenn er tatsächlich die Schildkröte einholt, so ist dies ein unlogisches Phänomen, also jedenfalls keine Wahrheit, keine Realität, kein wahres Sein, sondern nur eine Täuschung. Denn nie ist es möglich, das Unendliche zu beendigen." In: Friedrich Nietzsche: Werke in drei Bänden. München 1954, Band 3. Dort die Seite 391. Online: http://www.zeno.org/nid/20009257829
- [5] Misra, B. und E. C. G. Sudarshan: The Zeno’s paradox in quantum theory. J. Math. Phys. 18. 1977. Dort die Seiten 756–763. Online: https://doi.org/10.1063/1.523304
- [6] Aristoteles beschäftigt sich in seiner Physik mit dem Paradoxon. Er versucht es zu lösen, indem er nicht nur den Raum sondern auch die Zeit als kontinuierlich vesteht, dass also auch die Zeit aus unendlich vielen Teilen aufgebaut ist: "Auf dieselbe Weise ist zu begegnen auch denen, die mit Zenon fragen und behaupten: ob stets die Hälfte durchgegangen werden müsse; dieß aber sei unbegrenzt. Unbegrenztes aber könne nicht durchgangen werden. Oder wie die nämliche Frage Andere aufwerfen, indem sie behaupten, daß, indem etwas durch die Hälfte sich bewege, es zuvor jedes andere halbe, durch das es komme, überzähle: so daß, wenn etwas durch die ganze Linie kommt, es eine unbegrenzte Zahl überzählt haben müsse. Dieß aber kann zugestandener Weise nicht geschehen. In unsern ersten Betrachtungen nun über die Bewegung haben wir dieß dadurch gelöst, daß die Zeit unbegrenzt viele Theile in sich schließe." Und weiter so in: Aristoteles. Physik. Achtes Buch. Achtes Kapitel. Aristoteles: Physik. Leipzig 1829, S. 222-231. Siehe auch Kontinuum (Physik) ↗