Quaestio
Philosophie
Basiswissen
Die Quaestio, auf Deutsch so viel wie Frage, ist eine mittelalterliche Literaturform zur Entscheidung von Fragen und Problemen[4] in der Wissenschaft. Die Quaestio konnte auch die Form einer Aussage annehmen, die dann aber als zweifelhaft angenommen wurde[3]. Es gab verschiedene Ausprägungsformen und Entwicklungsstufen. Der Grundaufbau war dabei meist gleich: „Der Aufbau der quaestio besteht immer aus den drei genannten Teilen: Zuerst werden Argumente für und wider vorgetragen, dann trägt der Autor seine eigene Stellungnahme zur Frage bei, und schließlich setzt er sich mit den eingangs vorgetragenen Argumenten auseinander.[1, Seite 2]“. Berühmt sind unter anderem Newtons Quaestiones[5]. Die Quaestio war oft auch Teil einer Disputation ↗
Fußnoten
- [1] Eine sehr ausführliche Darlegung der Entstehung und Struktur der Scholastischen Quaestion steht in: William J. Hoye: Die mittelalterliche Methode der Quaestio. Erschienen in: Philosophie: Studium, Text und Argument, hrsg. von Norbert Herold, Bodo Kensmann und Sibille Mischer. Münster, 1997. Dort die Seiten 155-178. Online: https://hoye.de/name/quaestio.pdf
- [2] Thomas von Aquin (1225 bis 1274) schildert hier die Methode der Quaestio wie er sie bereits bei dem Kirchenvater Boethius (480 bis 524) angelegt sieht: "Nachdem er [der Autor] einige Grundsätze, die notwendig sind, um die dargestellte Frage zu diskutieren, vorausgeschickt hat, befaßt er sich hier mit der dargestellten Frage, wobei er dreierlei tut. Zuerst stellt er die Frage dar. Zweitens trägt er die Lösung vor .[..] Drittens schließt er Einwände (obiectiones) gegen seine Lösung aus. [...] Im Rahmen des ersten Schrittes tut er zweierlei: Erstens schickt er voraus, was die Frage voraussetzt; zweitens, behandelt er, was in der Frage zweifelhaft ist." In: Thomas von Aquin, In De hebdomadibus, lectio 3 und 4 (Auszüge).
- [3] Quaestio im Mittelalter-Lexikon: "(lat., = Frage, Streitfrage; nach Boethiuis ist eine quaestio eine zweifelhafte Aussage: „Quaestio est dubitabilis propositio“). Scholastische Denk- und Lehrmethode der Theologen und Juristen, die auf aristotelische Disputationsregeln (enthalten in „Topik“ und „Nikomachische Ethik“) zurückgeht. Durch These, Antithese, Disput und determinatio (abschließende Stellungnahme) soll unvoreingenommene Problemlösung an die Stelle starrer Dogmatik treten. Die institutionaliserte Form der quaestio disputata war folgende: Zunächst wird das Problem (problema, dubitatio) in Frageform, nämlich ob es sich so oder anders (utrum ... an) verhalte, vorgestellt. Häufig wird dabei die Frage in einzelne Teile („articuli“) aufgegliedert. Der Opponent führt seine Argumente im sogenannten „videtur quod“ auf, der Proponent antwortet im „sed contra“. Im „Respondeo dicendum“ („Corpus articuli“) wird unter Zuhilfenahme der Logik die Entscheidung der Frage („Determinatio magistralis“) herbeigeführt. Abschließend werden unter Berücksichtigung dieser Entscheidung die Argumente pro und contra gewertet (ad rationes). Nach Augustinus, der selbst quaestiones geschrieben hat, ist die Methode interrogando et respondendo die beste zur Erforschung der Wahrheit. Der gleichen Meinung war Peter Abaelard: „maximum exercitium inquirendae veritatis“. In der quaestio quodlibetalis wurden verschiedene theologische oder philosophische Fragen behandelt; die quaestio collationum wurde als Übungskurs für Studenten gehalten; die quaestio disputata behandelte eine definierte Einzelfrage; zur Erlangung des Magisteriums musste eine quaestio in aula bestanden werden. Theologische Lehrbücher der Scholastik (Summen) waren meist in der Form von quaestiones gegliedert." In: Mittelalter-Lexikon. Dort der Artikel "Quaestio". Version vom 4. März 2006. Der Inhalt ist verfügbar unter der Lizenz ''Creative Commons'' – Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen. Online: https://www.mittelalter-lexikon.de/wiki/Quaestio
- [4] 1910, ähnlich wie Problem: "Problem, quaestio. – die Lösung eines Pr., deliberatio (das Nachsinnen über etwas)." In: Karl Ernst Georges: Kleines deutsch-lateinisches Handwörterbuch. Hannover und Leipzig 1910 (Nachdruck Darmstadt 1999), Sp. 1895. Siehe auch Problem ↗
- [5] 31 ausführlich dargelegte Fragen, die Quaestiones, in der englischen Übersetzung des lateinisches Originals auch Queries genannt finden sich am Ende von Isaac Newtons: OPTICKS: OR, A TREATISE OF THE Reflections, Refractions, Inflections and Colours OF LIGHT. The Fourth Edition, corrected. By Sir ISAAC NEWTON, Knt. LONDON: Printed for William Innys at the West-End of St. Paul's. Mdccxxx. Die Queries finden sich dort ab Seite 339. Online: https://www.gutenberg.org/files/33504/33504-h/33504-h.htm