Königsweg
Mathematik
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Definition|
Historische Anekdote|
Whitehead über den Königsweg|
Der geduldige Teufel|
Persönliche Anmerkung|
Fußnoten
Definition
Im alten Ägypten gab es Straßen, die für die Obrigkeit, zum Beispiel den Pharao und sein Gefolge, vorbehalten waren. Dies waren die kürzesten und bequemsten Straßen im Land, die Königswege. Als Sinnbild steht der Königsweg für eine komfortable Abkürzung hin zu einem Wissen oder Können, vorbei an den Mühen des gemeinen Fußvolks. Meist wird diese Metapher in dem Sinn verwendet, dass es einen solchen Königsweg für die meisten Lerninhalte nicht gibt.
Historische Anekdote
Mit dem Tod von Alexander dem Großen zerfiel sein Großreich. Ägypten fiel dabei an einen der Generäle Alexanders, Ptolemaios. Dieser regierte dann Ägypten als Ptolemaios I. Er förderte Kultur und Handel und galt als weiser und weitsichtiger Herrscher. Einmal frug er den berühmten Mathematiker Euklid, ob es denn keinen "Königsweg" zum Erlernen der Geometrie gebe. Ptolemaios wollte nicht den mühsamen Weg des Buches "Die Elemente" gehen, sondern sich Mühe sparen. Euklid verneinte sinngemäß: nein, es gibt keinen einfacheren Weg als die Lektüre des Buches, verbunden mit Mühe und viel Zeit.[1] Siehe auch Didaktik ↗
Whitehead über den Königsweg
Alfred North Whitehead war einer der führenden Logiker und Mathematiker des frühen 20. Jahrhunderts. An mehreren Stellen hat er seine Gedanken niedergeschrieben, wie die Mathematik als Fach am besten zu vermitteln sei. Warum es keinen Königsweg (royal road) für das Erlernen der Mathematik gibt, klingt bei ihm so:
ZITAT:
Whitehead, 1911: "Ohne Zweifel ist handwerkliches Können die erste Voraussetzung für wertvolle Geistestätigkeit: der Rhythmus eines Milton [englischer Dichter] oder die Leidenschaft einer Shelley [Autorin des Frankenstein] wird uns entgehen, solange wir Buchstabe für Buchstabe lesen und uns bei einzelnen Buchstaben immer wieder unsicher fühlen. In diesem Sinn gibt es keinen Königsweg des Lernens."[2]
Whitehead, 1911: "Ohne Zweifel ist handwerkliches Können die erste Voraussetzung für wertvolle Geistestätigkeit: der Rhythmus eines Milton [englischer Dichter] oder die Leidenschaft einer Shelley [Autorin des Frankenstein] wird uns entgehen, solange wir Buchstabe für Buchstabe lesen und uns bei einzelnen Buchstaben immer wieder unsicher fühlen. In diesem Sinn gibt es keinen Königsweg des Lernens."[2]
Die handwerkliche Technik ist also das Erste, was es zu lernen gilt. Das aber ist oft mühselig und langweilig. Das gilt ganz besonders für die Mathematik. Die großen Prinzipien und Konzepte der Mathematik werden erst später sichtbar:
ZITAT:
Whitehead über die Mathematik: "ihre grundlegenden Ideen kann man den Lernenden nicht losgelöst von den technischen Verfahren erklären, die erfunden wurden, die Ideen in ganz bestimmten Fällen darzustellen. Entsprechend müssen die glücklosen Lerner sich mit einer Überfülle von Details abmühen, ohne dass diese Licht auf die allgemeinen Ideen werfen würden."[3]
Whitehead über die Mathematik: "ihre grundlegenden Ideen kann man den Lernenden nicht losgelöst von den technischen Verfahren erklären, die erfunden wurden, die Ideen in ganz bestimmten Fällen darzustellen. Entsprechend müssen die glücklosen Lerner sich mit einer Überfülle von Details abmühen, ohne dass diese Licht auf die allgemeinen Ideen werfen würden."[3]
Whitehead argumentiert dann sinngemäß weiter, dass der Weg zur Mathematik in einem ausgewogenen Wechselspiel zwischen dem Einstudieren von Fähigkeiten und der gedanklichen Durchdringung abstrakter Ideen liegt.
Der geduldige Teufel
Eine ähnliche Anekdote wie die vom Königsweg des Ptolemais wird wie folgt erzählt: "Welcher Teufel soll das verstehen?" fragte ein französischer Nobelmann seinen Lehrer der Geometrie. Dieser antwortete kurz: "ein geduldiger Teufel".[1]
Persönliche Anmerkung
Seit dem Jahr 2005 unterrichte ich Mathematik, zunächst fünf Jahre an einer Schule, dann in unserer Lernwerkstatt in Aachen. Ich arbeitete in dieser Zeit mit den unterschiedlichsten Personen. Darunter waren Kinder mit einer schweren Dyskalkulie, hochbegabte Hochleister mit einem gemessenen IQ von über 140, hochbegabte Minderleister mit einem IQ von ebenfalls 140 (auch im logischen Bereich) aber ohne jedes Glück in der Schule, bodenständige Handwerker auf der Meisterschule oder auch "ganz normale Kinder", die in der Schule so la la je nach Umständen mal oder auch mal nicht so gut mitkommen. Ernsthafte und dauerhafte Probleme gab es tatsächlich meist nur dann, wenn mindestens eine der zwei Whiteheadschen Denkbewegungen, das sture Trainieren von Techniken und das denkerische Erfassen von Ideen nicht zur Wirkung kamen. Es gab fleißige Schüler, die gerne und viel Verfahren lernten. Aber sie konnten oder wollten sich nicht mit Ideen, Gedanken, Argumenten beschäftigen. Und umgekehrt gab es Schüler die sich für abstrakte Konzepte begeisterten, sich aber jedem starren Training verweigerten. Die einen gingen nur auf dem linken, die anderen nur auf dem rechten Bein. Gute Läufer brachte keine der Gruppen hervor. Ein guter Lehrer muss beide Denkbewegungen ausgewogen fördern, ohne aber das Kind (oder den Jugendlichen oder Erwachsenen) zu überfordern. Schwer ist oft die Einschätzung, wie gut das jeweilige Potenzial überhaupt vorhanden ist.Fußnoten
- [1] Die Anekdote zu Ptolemaios, sowie zwei ähnliche Geschichten, finden sich in einem englischen Lexikon aus dem Jahr: "It was his answer to Ptolemy, who asked if geometry could not be made easier, that there was no royal road. This piece of wit has had many imitators; "Quel diable" said a French nobleman to Rohault, his teacher of geometry, "pourrait entendre cela?" to which the answer was "Ce serait un diable qui aurait de la patience." A story similar to that of Euclid is related by Seneca (Ep. 91, cited by August) of Alexander." In: William Smith (Herausgeber): Dictionary of Greek and Roman Biography and Mythology. 1870. Dort der Artikel "Eucleides 1". Online: https://en.wikisource.org/wiki/Dictionary_of_Greek_and_Roman_Biography_and_Mythology/Eucleides_1.
- [2] Whiteheads Gedanke zum Königsweg im englischen Original: "Without a doubt, technical facility is a first requisite for valuable mental activity: we shall fail to appreciate the rhythm of Milton, or the passion of Shelley, so long as we find it necessary to spell the words and are not quite certain of the forms of the individual letters. In this sense there is no royal road to learning". In: Alfred North Whitehead: An Introduction to Mathematics. Verlag von WILLIAMS & NORGATE. London, 1911.
- [3] Und Whitehead speziell zur Mathematik: "its fundamental ideas are not explained to the student disentangled from the technical procedure which has been invented to facilitate their exact presentation in particular instances. Accordingly, the unfortunate learner finds himself struggling to acquire a knowledge of a mass of details which are not illuminated by any general conception." In: Alfred North Whitehead: An Introduction to Mathematics. Verlag von WILLIAMS & NORGATE. London, 1911.