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Gecko

Physik

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Basiswissen


Geckos gehören zu den Schuppenkriechtieren und werden zwischen 1,6 bis etwa 40 Zentimeter groß. Sie leben seit etwa 50 Millionen auf der Erde. Man trifft Geckos fast weltweit in Wüsten, den Tropen und den gemäßigten Zonen an. Die sogenannten Lamellenfußgeckos sind aus physikalischer Sicht besonders interessant: sie könne kopfüber an glatten Decken laufen oder senkrechte Wände hinauf laufen. Wie gelingt ihnen das?

Die Physik der Gecko-Füße


Liegt man in den Tropen mit dem Rücken auf einem Bett, so kann man mitunter beobachten, wie ein Gecko senkrecht die Wände des Zimmers hinauf läuft, dann quer über die Decke wandert, kurz anhält und einen von oben ansieht, um dann auf der anderen Seite des Zimmers wieder an einer senkrechten Wand hinunter zu laufen. Die interessante Frage ist: mit welchen Kräften können sich Geckos an senkrechten Wänden oder sogar kopfüber an Decken festhalten?

Saugkräfte?


Sind es Saugkräfte, die die Geckos an der Wand halten? So haben zum Beispiel manche Salamander Saugnäpfe an den Füßen. Auch andere Tiere, wie etwa Kraken habe Saugnäßfe ausgebildet. Das wäre also eine mögliche Erklärung. Die Natur wäre dazu in der Lage. Wenn aber Saugnäpfe die Antwort sind, dann würde der Wand-Lauf-Trick der Geckos nicht im Vakuum funktionieren. Denn Saugeffekte der nötige Art benötigen Luft (oder irgendein ausreichen dichtes Gas). Salamanderfüße versagen im Vakuum, die Füße der Geckos aber nicht. Also sind Saugfüße nicht die Antwort.

Reibungskräfte?


Auch Küchenschaben oder Kakerlaken können steile Wänder hinaufstegen. Sie haben an den Füßen viele kleine Haken, mit denen sie sich an Unregelmäßigen an Oberflächen festhaken können. Bei sehr glatten Oberflächen aber, etwa poliertem Glas, versagt diese Methode. Küchenschaben können nicht an glattem Glas hinaufklettern, Geckos hingegen schon. Reibungskräfte scheinen beim Lauf entlang senkrechter Wände eine Rolle zu spielen, nicht aber beim kopfüber-Lauf an Decken.[8]

Kleber?


Manche Insekten oder auch Spinnen nutzen kleberartige Ausscheidung, um sich an Oberflächen festzukleben. Doch findet man bei Geckos weder Drüsen in den Füßen, noch findet man Spuren irgendwelcher Chemikalien in der Spur von Geckos. Es ist also auch kein Klebeeffekt im Spiel.

Elektrostatik?


Kleidungsstücke in einem Wäschetrockner haften oft aneinander. Der Grund sind elektrostatischen Anziehungskräfte, sogenannte Coulomb-Kräfte. Sie entstehen, weil bei der gegenseitigen Reibung der Textilien elektrische Ladunge getrennt werden. Um die elektrostatische Anziehung zu unterbinden, kann man zum Beispiel die Luft ionisieren. Aber Geckos können auch in ionisierter Luft an senkrechten, glatten Glaswänden hinauf steigen. Also sind auch die elektrostatischen Kräfte keine Antwort.

Van-der-Waals-Kräfte!


Die wahrscheinliche Antwort auf die enormen Haftkräfte der Geckofüße sind die sogenannten Van-der-Waals-Kräfte.[3] So bezeichnet man mehrere unterschiedliche Arten von Kräften. Ihnen ist gemeinsam, dass sie a) letztendlich auf elektrischen Anziehungen zwischen unterschiedlichen Ladungen beruhren und b) nur auf extrem kurze Entfernung in der Größenordnung von Atomen oder Molekülen wirken.[1] Die Geckofüße sind so aufgebaut, dass feinste Härchen sehr, sehr eng an Oberflächen angeschmiegt werden können. Dadurch können die Van-der-Waals-Kräfte mit ihrer geringen Reichweite dann im eigentlichen Sinne des Wortes zum Tragen kommen.

Biologie der Füße


Die Antwort auf die besonderen Kletterfähigkeiten der Geckos hängt mit kleinsten Hafthärchen, den, sogenannten Spatulae (Einzahl: Spatula) an den Füßen zusammen[7]: bei den Gecko-Arten, die das Künststück zustande bringen, den sogenannten Lamellenfußgeckos, sind an den Füßen Milliarden dieser kleinsten Härchen zu sehen. Jedes Hafthaar oder Spatula ist etwa 200 Nanometer lang und breit und etwa 15 Nanometer dick.[2] Etwa 400 bis 1000 solcher Spatulae sitzen am Ende von jeweils einem größeren Haar, einem Seta. Ein Geckofuß hat etwa eine Million Setae und jedes Seta hat wiederum 400 bis 1000 Spatulae. So kommt man auf bis zu einer Milliarde Spatuale für jeden Fuß eines Geckos.[10]

Wie lösen sich die Füße wieder?


Wenn nun die Füße in ihrem engen Kontakt mit der Oberfläche so gut haften, wie gelingt es den Geckos dann, in einer Sekunde bis zu 50 Schritte zu machen?[8] Die Tiere müssen ja immer wieder und sehr schnell die Haftkräfte ihrer eigenen Füße überwinden. Um der Antwort näher zu kommen kann man sich einen starken Klebetreifen vorstellen, den man sehr oft und in sehr schneller Folge auf eine Glasfläche ankleben und dann sofort wieder ablösen soll. Wie würde man vorgehen?

MERKSATZ:

Wie würde man einen Klebestreifen von einer Glasfläche lösen? Wie löst man starke Pflaster von der Haut?

Nach etwas probieren würden die meisten Leute darauf kommen, dass man versucht, den Klebestreifen an einem Randstück zu packen. Und dann würde man am besten den Streifen von der Oberfläche abrollen. Wenn man so an einem Randstück zieht, dass an der Lösefront der Klebetreifen in einen großen Winkel zur Oberfläche gebracht wird, dann klappt es am besten. Und genau so arbeiten auch die Füße der Geckos: sie krümmen und rollen sich von der Seite her von der Oberfläche ab.[9] Bei einem Winkel von etwa 30° geht die Haftwirkung drastisch zurück.[11] Interessant in diesem Zusammenhang ist hier ein Querverweis auf Spinnen: warum kleben Fliegen und andere Opfer in einem Spinnennetz unentrinnbar fest, während die Spinnen selbst scheinbar mühelos auf dem klebrigen Netz umherlaufen?[12]

Praktische Anwendungen


Eine mögliche praktisch-technische Anwendung der Gecko-Fuß-Haft-Technik ist die Entwicklung trockener Klebevorrichtungen.[13] Das übertragen von Prinzipien und Techniken aus der Natur hin zu menschlichen Anwendungen bezeichnet man als Bionik. Die Füße der Geckos sind dafür ein gutes Beispiel. Siehe dazu auch Bionik ↗

Weitere Fakten


  • Auf Oberflächen stark elektrisch polaristierter Teilchen funktioniert der Gecko-Trick sehr gut.
  • Auf Teflon ist die Haftung der Geckos eher schlecht. Teflon besteht aus nicht elektrisch polarisierten Teilchen.
  • Jeder Geckofuß kann bis zu 10 Newton Haftkraft entwickeln, vier Füße bringen es also auf gut 40 Newton.[1]
  • In Laborexperimenten kam man auf gut 200 Mikonewton pr Seta als Haftkraft.[1]
  • Pro Schritt brauchen die Füße etwa 20 Millisekunden, pro Sekunde also 50 Schritte![8]
  • Die Setae löse sich ab einem Winkel von etwa 30° von Oberflächen.[12]

Fußnoten


  • [1] Auf spannende Weise und sehr ausführlich erklärte wie die Wirkung der Geckofüße in: Rizzle Kic: Unraveling the Mystery of How Geckos Defy Gravity. In: Raven Johnson: Biology. Dort "Part I. The Origin of Living Things". Seite 1 bis 3. Sechste Ausgabe. McGraw-Hill Science/Engineering. 2001.
  • [2] Wenn ein Nanometer ein millionstel Millimeter ist, und wenn weiter ein Hafthärchen (Spatula) eines Geckos eine Breite von 200 Nanometer hat, dann heißt das im Umkehrschluss, dass rund 10 tausend dieser Härchen nenbeinenader gelegt, eine Strecke von einem Millimeter ergeben. Siehe auch Nanometer ↗
  • [3] Kellar Autumn et al.: (2002) 'Evidence for van der Waals adhesion in gecko setae', Proceedings of the National Academy of Sciences, 99(19), pp. 12252–12256.
  • [4] Kellar Autumn (2002) 'Mechanisms of adhesion in geckos', Integrative and Comparative Biology, 42(6), pp. 1081–1090.
  • [5] Kellar Autumn (2008) 'Gecko adhesion: evolutionary nanotechnology', Philosophical Transactions of the Royal Society A: Mathematical, Physical and Engineering Sciences, 366(1870), pp. 1575–1590.
  • [6] Kellar Autumn (2006) 'How Gecko Toes Stick', American Scientist, 94(2).
  • [7] Kellar Autumn, A. M. Peattie (2002) 'Adhesive force of a single gecko foot-hair', Nature, 432(7019), pp. 815–816.
  • [8] "Geckos can run rapidly on walls and ceilings, requiring high friction forces (on walls) and adhesion forces (on ceilings), with typical step intervals of ≈ 20 ms. " In: Kellar Autumn (2006) 'Adhesion and friction in gecko toe attachment and detachment', Proceedings of the National Academy of Sciences, 103(2), pp. 493–498. Online: https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.0608841103
  • [9] "To detach, the high adhesion/friction is rapidly reduced to a very low value by rolling the toes upward and backward, which, mediated by the lever function of the setal shaft, peels the spatulae off perpendicularly from the substrates." In: Kellar Autumn (2006) 'Adhesion and friction in gecko toe attachment and detachment', Proceedings of the National Academy of Sciences, 103(2), pp. 493–498. Online: https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.0608841103
  • [10] Zum Aufbau des hierarchischen Haar-Systems: "with four feet, each foot with five toes, each toe with ≈ 20 rows of sticky lamellae, each lamella with many setal arrays consisting of thousands of setae, which amounts to ≈200,000 setae per toe, and each seta consisting of hundreds to 1,000 spatulae at its end." In: Kellar Autumn (2006) 'Adhesion and friction in gecko toe attachment and detachment', Proceedings of the National Academy of Sciences, 103(2), pp. 493–498. Online: https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.0608841103
  • [11] Zum Lösevorgang der Füße: "The release of a single seta has been found to occur at a characteristic angle θs of ≈30°" In: Kellar Autumn (2006) 'Adhesion and friction in gecko toe attachment and detachment', Proceedings of the National Academy of Sciences, 103(2), pp. 493–498. Online: https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.0608841103
  • [12] Der Trick der Spinnen ist vor allem mechanischer Natur. Die Antwort auf die Frage, warum Spinnen in ihrem eigenen Netz nicht kleben bleiben wird beantwortet im Artikel zum Spinnennetz ↗
  • [13] A. K. Geim et al.: Microfabricated adhesive mimicking gecko foot-hair. Nat Mater. 2003 Jul;2(7):461-3. doi: 10.1038/nmat917. PMID: 12776092.