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Friedrich Wilhelm Joseph Schelling

Naturphilosophie

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Basiswissen


Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (1775 bis 1854) war ein deutscher Naturphilosoph. Für die Physik ist er bedeutsam wo er sie kritisch als Mittel zum Zweck dazu diskutiert, dem Urgrund der Welt auf die Spur zu kommen. Schelling sah in der gesamten Natur den Ausdruck einer in allem wirkenden Weltseele. Philosophisch suchte er nach einer Letzbegründung, einem Urgrund allen Seins und Werdens, aus dem alles logisch abgeleitet werden könne.

Einseitige Rezeption


Als Rezeption bezeichnet man bei der Beschreibung eines Werkes, wie dieses von anderen Personen oder Gruppen aufgenommen, das heißt rezipiert wurde. Zahlreiche Ehrungen bezeugen Schellings Anerkennung durch seine Zeitgenossen und Nachfahren:

  • Dr. phil. h. c. (Universität Landshut, 1802)
  • Ritterkreuz des Verdienstordens der Bayerischen Krone (1808, damit verbunden persönlicher Adel als Ritter von)
  • Ehrenmitglied der Societas physico-medica Erlangensis (Erlangen, 1808)
  • Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (1806), der Akademie der vereinigten bildenden Künste (Wien 1812), der Preußischen Akademie der Wissenschaften (ausw. 1832, o. 1842), der Académie des sciences morales et politiques (Paris, korr. 1834) und der Ungarischen Akademie der Wissenschaften (1834)
  • Orden der französischen Ehrenlegion (1833)
  • Ritterkreuz des Ordens der Württembergischen Krone (1834)
  • Ritter des Griechischen Erlöserordens (1835)
  • Kommandeurkreuz des bayerischen Verdienst-Ordens vom Hl. Michael (1838) und des Verdienstordens der bayerischen Krone (1845)
  • Dr. theol. h. c. (Universität Halle, 1841)
  • Orden Pour le Mérite für Wissenschaft und Künste (1842)
  • Roter Adlerorden II. Klasse (1844)
  • Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst (München, 1853)
  • Aufnahme in die Walhalla (1860)

Schelling war also kein Niemand. Dennoch: rezipiert wurde er vor allem von Personen innerhalb der Philosophie im engeren Sinn. Von ihm beeinflusst sollen unter anderem gewesen sein: Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Franz von Baader, Ernst von Lasaulx, Ludwig Schöberlein, Karoline von Günderrode, Ignaz Paul Vitalis Troxler, Henrich Steffens, Joseph Görres, Hanno Bernheim (1824–1862), Lorenz Oken, Johann Baptist von Spix, Karl Joseph Hieronymus Windischmann, Gotthilf Heinrich von Schubert, Søren Kierkegaard, Karl Wilhelm Ferdinand Solger, Victor Cousin, Nishida Kitaro, Martin Heidegger[24] sowie Karl Robert Eduard von Hartmann, die Mediziner Röschlaub, Marcus, Eschenmayer, der Jurist Fr. J. Stahl und der Romanist Puchta[25].

Bei dieser Liste fällt eines auf: es finden sich darunter kaum Naturwissenschaftler im engeren Sinn. Ausnahmen sind der Biologe Oken, der oben nicht erwähnte, aber stark von Schelling beeinflussten Chemiker Johann Wilhelm Ritter 1776 bis 1810), der Geograph Alexander von Humboldt[26], der Zoologe und Evolutionsbiologe Ernst Haeckel, sowie der Schüler Schellings Henrik Steffens. Kannten große Physiker und Chemiker wie Maxwell, Einstein, Planck, die verschiedenen Curies, Meitner, Feynman oder Zeilinger die Ideen Schellings? Falls ja, was hielten sie davon? Man weiß davon eher wenig.

Dieser Befund ist bemerkenswert. Ähnlich ging es auch Johann Wolfang von Goethe, der sich selbst als großer Naturforscher sah.[26] Goethe hatte mit großem Aufwand Geologie und Farbenlehre betrieben. Über Jahrzehnte hat er akribisch gesammelt und Versuche durchgeführt, mit teils bedeutsamen Beobachtungen. Doch von Physikern des 20. oder 21. Jahrhunderts werden weder Goethe noch Schelling nennenswert als Vordenker zitiert. Wenn, dann werden von Naturwissenschaftlern im heutigen Sinn als bahnbrechende Köpfe eher die Namen von Denkern wie Demokrit, Aristoteles, Galilei, Kepler, Bruno oder Bacon genannt. Warum? Schelling hat doch ausdrücklich die Naturphilosophie auch ganz im Sinne einer praktisch forschenden Naturwissenschaft mitgemeint. Teil der Antwort ist vielleicht, dass Schelling die schon damals einzig anerkannten Methoden der Naturwissenschaften niemals ernsthaft angewandt hat, nämlich das Experiment und die Mathematik. Goethe, ein Zeitgenosse Schellings, verwendete zwar viel Zeit auf Experimente, versagte sich aber ganz der Mathematik. Dieser Erklärungsversuch passt auch gut zur nachfolgende betrachteten Kritik Schellings aus dem Jahr 1837.

Kritik


Sehr aufschlussreich ist eine Kritik (am Ende einer längeren Würdigung) der Art Schellings Philosophie zu treiben. Die Kritik wurde im Jahr 1837 veröffentlicht, als Schelling also noch 17 Jahre zu leben hatte. Man muss das Zeitalter etwas erahnen können, um die Kritik einordnen zu können. Seit 1835 fuhr in Deutschland die erste Dampflokomotive. Eine Schiffsreise nach Amerika dauerte Wochen. In der Medizin stand der Durchbruch hin zu einer wirkungsvollen Betäubung (Anästhesie) mit Äther im Jahr 1846 kurz bevor. Kurzum: 1837 lag in einer Zeit in der die praktische Seite der Naturwissenschaften von Erfolg zu Erfolg schritt. Lesen wir nun dir Kritik zu Schelling aus einem Lexikon dieser Zeit:


ZITAT:

"Durch seine frühern Schriften wie durch seine akademischen Vorträge hat sich Schelling eine große Anzahl begeisterter Anhänger verschafft, welche auf dem von ihm eingeschlagenen Wege fortgingen, aber großentheils auch die Fehler der Schelling'schen Art zu philosophiren, den Mangel an streng wissenschaftlichem Denken, vorzugsweise ausbildeten und mehr mit Phantasie und Witz als strengem Denken und tüchtigen Kenntnissen im Gebiete der Naturphilosophie sich zu thun machten und dadurch bald in um so größerer Blöße erschienen, als die empirischen Naturwissenschaften überraschend schnelle und großartige Fortschritte in neuster Zeit gemacht haben."[23]


Was Schelling und seinen Anhängern hier also vorgeworfen wird ist mangelnde Strenge im wissenschaftlichen Denken. Gemeint ist damit wahrscheinlich das Denken in der naturwissenschaftlichen Methode. Zwar hatte Schelling von 1796 bis 1798 Mathematik, Naturwissenschaften und Medizin in Leipzig studiert. Aber nirgends wurde bekannt, dass Schelling sich ernsthaft mit der Lösung von naturwissenschaftlichen Problemen beschäftigt hätte. Ob man aber selbst forschend innerhalb der Naturwissenschaften tätig werden sollte, um den Platz der Naturwissenschaften im übergeordneten Versuch eine Philosophie der ganzen Welt zu bestimmen, bleibt dahin gestellt. Muss man ein guter Uhrmacher sein, um das Wesen der Zeit zu erfassen? War Albert Einstein auch ein guter Uhrmacher?

Fußnoten


  • [1] Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: Über die Möglichkeit einer Form der Philosophie überhaupt (1794)
  • [2] Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: Vom Ich als Princip der Philosophie oder über das Unbedingte im menschlichen Wissen (1795)
  • [3] Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: Abhandlung zur Erläuterung des Idealismus der Wissenschaftslehre (1796)
  • [4] Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: Ideen zu einer Philosophie der Natur (1797)
  • [5] Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: Von der Weltseele (1798)
  • [6] Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: Einleitung zu seinem Entwurf eines Systems der Naturphilosophie. Oder über den Begriff der spekulativen Physik und die innere Organisation eines Systems dieser WissenschaftEinleitung zu dem Entwurf eines Systems der NaturPhilosophie (1799)
  • [7] Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: System des transzendentalen Idealismus (1800)
  • [8] Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: Über den wahren Begriff der Naturphilosophie und die richtige Art ihre Probleme aufzulösen (1801)
  • [9] Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: Zeitschrift für spekulative Physik. Verlag Christian und Ernst Gabler. Jena und Leipzig, 1800–1801.
  • [10] Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: Kritisches Journal der Philosophie (1802–1803; mit Georg Wilhelm Friedrich Hegel)
  • [11] Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: Bruno oder über das natürliche und götliche Princip der Dinge (1802)
  • [12] Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: Philosophie der Kunst (Vorlesung; 1802–1803)
  • [13] Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. (Tübingen 1803)
  • [14] Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: System der gesammten Philosophie und der Naturphilosophie insbesondere (Würzburger Vorlesungen; 1804, Nachlass)
  • [16] Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: Philosophie der Kunst (1802–1805
  • [17] Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: Philosophische Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit (1809, Volltext online)
  • [18] Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: Clara – Über den Zusammenhang der Natur mit der Geisterwelt. Ein Gespräch (Fragment aus dem handschriftlichen Nachlass, wohl zwischen 1809 und 1812)
  • [19] Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: Weltalter (1811; spätere Versionen dieser Schrift existieren)
  • [20] Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: Darstellung des philosophischen Empirismus (1830, nur aus dem Nachlass bekannt)
  • [21] Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: Philosophie der Offenbarung (Vorlesung; 1841–1842)
  • [22] Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: Philosophie der Mythologie (Vorlesung; 1842)
  • [23] Die zitierte Kritik stammt aus dem Artikel "Schelling". Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 67-68. Online: http://www.zeno.org/nid/20000862207
  • [25] Der erste Teil der Liste der von Schelling beeinflussten Denker findet sich in: der Artikel "Schelling". Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 731-733. Online: http://www.zeno.org/nid/20007416660
  • [26] Zum Beispiel bezeugt in einem Brief von Humboldt an Schelling vom 1. Februar 1805.