Nagaokasches Atommodell
Physik
Basiswissen
Der japanische Physiker Hantaro Nagaoka veröffentlichte im Jahr 1904 ein Atommodell, das die Vorstellung von Atomen von nicht-Physikern noch 120 Jahre später prägen sollte[3], ohne damit den Namen Nagaokas in Verbindung zu bringen: um den positiven und sehr kleinen Kern bewegen sich die Elektronen auf Kreisbahnen. Dieses Nagaokasche oder auch saturnische Atommodell ist hier kurz vorgestellt.
Nagaokas Saturn-Modell des Atoms
Nagaoka ließ offen, ob die Kreisbahnen alle in einer Ebene liegen (wie die Ringe des Planeten Saturn) oder alle auf einer gemeinsamen Kugelfläche laufen. Der zentrale Satz aus der Originalveröffentlichung ist: "If the spectra of the elements be due to the motion of electrons revolving in circular orbits". Nagaoka wollte mit seiner Veröffentlichung vor allem zeigen, dass die Bahnen der Elektronen rein mechanisch gesehen einigermaßen stabil sein könnten. Im Lauf der Geschichte der Atomphysik sollte letztendlich aber jeder Versuch scheitern, Atome rein mechanisch im Sinne der newtonschen Gesetze zu verstehen[5]. Werden sie instabil, so Nagaoka, könnten sie die Entstehung Alpha- und Betastrahlung erklären. Auf dieses Atommodell folgte als nächster wichtiger Schritt das Rutherfordsches Atommodell ↗
Der innere Aufbau des Kerns
Nagaoka und seine Mitarbeitet haben detaillierte Analysen von Spektrallinien verschiedener Elemente durchgeführt. Dabei hatten sie festgestellt, dass scheinbar einzelne Spektrallinien noch weiter aufgebrochen werden können in mehrere einzelne Linien (Hyperfeinstruktur). Nagaokas Atommodell war vor allem ein Versuch diese Spektrallinien zu erklären. Sein Kerngedanke war es, dass der Atomkern positiv geladen ist und die negativen Elektronen sich darum bewegen. Ferner nahm er an, dass vom positiven Atomkern nicht nur ein Coulombfeld ausgeht, sondern noch eine andere Wirkung auf die Elektronen.
Wolfgang Pauli über Nagaoka
Es gibt mindestens zwei Zitate des Physikers Wolfang Pauli über Nagaokas Saturn-Modell. Dabei äußert sich der sonst sehr kritische Pauli sehr würdigend über Nagaokas Idee, mit Hilfe von Spektralanalysen der Hyperfeinstrukturen mehr über den Atomkern zu erfahren. Dabei bezeichnet er die um den Kern laufenden Elektronen als Satelliten:
"Kürzlich ist nun das Auftreten der Satelliten von Nagaoka und seinen Mitarbeitern, denen man die systematische Ausdehnung der Satellitenmessungen ins ultraviolette Gebiet und speziell bei Quecksilber ein umfangreiches, wertvolles Beobachtungsmaterial verdanket, mit dem Vorhandensein von verschiedenen Isotopen eines Elementes unter Zugrundelegung von speziellen Vorstellungen über den Kernbau in Verbindung gebracht worden. Ohne diese speziellen Vorstellungen und die besonderen Ansichten dieser Verfasser über den Zusammenhang der Satelliten mit den verschiedenen Isotopen eines Elementes sowie deren formelmäßige Darstellung der Abstände gewisser Satelliten für hinreichend begründet zu halten, wollen wir hier den Gedanken Nagaokas und seiner Mitarbeiter versuchsweise in der allgemeinen Fassung aufnehmen, daß die Satelliten in dem zusammengesetzten Bau des Kernes und den davon herrührenden Abweichungen des Kernkraftfeldes vom Coulombschen Feld ihre Entstehungsursache haben. Wir wollen überdies (als einzige hier eingeführte besondere Annahme über den Kernbau) voraussetzen, daß der Kern (von etwaigen speziellen Ausnahmefällen abgesehen) ein nicht verschwindendes resultierendes Impulsmoment besitzt. Dann müssen sich das Kerngebäude und das System der Außenelektronen, (dessen Teile ja infolge der viel stärkeren Wechselwirkung der Elektronen untereinander und der Quantenbedingungen als fest gegeneinander orientiert anzusehen sind), infolge der zwischen ihnen herrschenden Wechselwirkungskräfte in verschiedenen, quantenmäßig bestimmten Orientierungen gegeneinander einstellen. Hierbei werden sich der Kernimpuls und der durch die Quantenzahl j bestimmte Gesamtimpuls der Außenelektronen zu bestimmten, gequantelten Werten des resultierenden Impulsmomentes des ganzen Atoms zusammensetzen. [zitiert nach 2]"
Wir möchten zum Schluß besonders hervorheben, daß uns auf Grund des vorliegenden Beobachtungsmateriales die hier diskutierte Hypothese über den Ursprung der Satelliten noch keineswegs als endgültig gesichert erscheint; wir möchten es sogar in keiner Weise für ausgeschlossen halten, daß sie sich noch als gänzlich irrig erweisen wird. Der Hauptzweck dieser Note ist jedoch, die Aufmerksamkeit der experimentellen wie der theoretischen Physiker auf die Satelliten der Spektrallinien zu lenken. Sollte sich nämlich andererseits die hier vorgeschlagene Auffassung der Satelliten als richtig herausstellen, so könnte man hoffen, aus einem vervollständigten und gemäß dem Kombinationsprinzip in Spektralterme geordneten Beobachtungsmaterial in Zukunft auf rein spektroskopischem Wege über den Bau der Kerne etwas zu erfahren.[3]
Fußnoten
- [1] Hantarō Nagaoka: Kinetics of a system of particles illustrating the line and the band spectrum and the phenomena of radioactivity. In: Philosophical Magazine. 7. Jahrgang, 1904, S. 445–455. Siehe auch Nagaokasches Atommodell ↗
- [2] Takashi T. INAMURA: Nagaoka’s atomic model and hyperfine interactions. In: Proc Jpn Acad Ser B Phys Biol Sci. 2016 Apr 11; 92(4): 121–134. doi: 10.2183/pjab.92.121
- [3] Wolfang Pauli: Zur Frage der theoretischen Deutung der Satelliten einiger Spektrallinien und ihrer Beeinflussung durch magnetische Felder. Naturwiss. 12, 1924. Seiten 741–743.
- [4] Gut zum Saturnischen Modell im Sinne Nagaokas passt ein Passage aus einem deutschen Lexikon des Jahres 1914. Dass dabei eine Kreisbewegung gedacht wurde, deutet unter anderem der Begriff der zentrifugalen Kraft an: "Die Atome, sind nicht unteilbar; sie besitzen vielmehr – gemäß ihren von Element zu Element verschiedenen typischen Eigenschaften – ausgesprochene Struktur. Sie sind aus kleinsten Masseteilchen (»Korpuskeln«) zusammengesetzt, die elementare elektrische Ladungen mit sich führen. Den Verband und die Bewegung der Korpuskeln innerhalb des Atoms regeln zentrifugale und zentripetale Kräftegruppen, anziehende und abstoßende Kräfte zwischen den Elementarteilchen. Im Innern der Atome herrscht also Bewegung oder doch Bewegungsmöglichkeit, die in ihrer Summe ganz enorme Energiebeträge darstellt. Im allgemeinen überwiegen die anziehenden, den Atomcharakter bewahrenden Kräfte. Es gibt aber auch Atome, in denen die zentrifugalen, die abstoßenden Kräfte diesem Zusammenhaltsbestreben nahezu gleich sind, Atome mit sogenanntem labilen Gleichgewicht, bei denen ein verhältnismäßig geringer Anlaß genügt, um den Verband der Teile zu lösen, das Atom mit explosionsartiger Heftigkeit zur Aufspaltung zu bringen. Solche instabile Atome besitzen die radioaktiven Elemente." In: Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 9 Stuttgart, Leipzig 1914., S. 627-629. Online: http://www.zeno.org/nid/20006164293
- [5] "Versuche, die Bewegung der um den Kern kreisenden Elektronen mit Hilfe der Gsetze der Mechanik zu verstehen - ähnlich wie sich Newton die Gesetze der Bewegung zunutze machte, um die Bahn der Erde um die Sonne zu begreifen -, schlugen vollständig fehl. Sämtliche Vorhersagen erwiesen aich als falsch." In: Richard Feynman: QED: Die seltsame Theorie des Lichts und der Materie. Piper Verlag. 1. Auflage 1992. ISBN: 3-492-21562-9
- [2] Der Physiker und Nobelpreisträger Richard Feynman (1918 bis 1988) machte deutlich, dass jedes Planetenmodell des Atoms heute als überholt gilt: "In der ersten Zeit nach der Entdeckung der Elektronen betrachte man die Atome als eine Art kleiner Sonnensysteme, bestehend aus einem schweren Zentrum (dem Atomkern) und Elektronen, die es, ähnlich wie die Planeten die Sonne auf bestimmten 'Bahnen' umkreisen. Wer sich diese Atomvorstellung bewahrt hat, lebt, was die Entwicklung der Physik betrifft, im Jahre 1910." In: Richard Feynman: QED: Die seltsame Theorie des Lichts und der Materie. Piper Verlag. 1. Auflage 1992. ISBN: 3-492-21562-9. Dort die Seiten 99 und 100. Siehe auch saturnisches Atommodell ↗
- [3] Bohrs Atom als Planetenmodell: "Atome kann man sich nach NIELS BOHR modellmäßig als kleine Sonnensysteme vorstellen. Um einen positiv geladenen Kern (die „Sonne“) kreisen auf vorgegebenen Bahnen die „Planeten“, in Form von Elektronen, deren jedes eine negative Ladung trägt." In: Krebs, A. (1968). Ionisierende Strahlen. In: Strahlenbiologie. Verständliche Wissenschaft, vol 95. Springer, Berlin, Heidelberg. Dort die Seite 13. Siehe auch Bohrsches Atommodell ↗