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Weltbild


Naturphilosphisch


Grundidee


Weltbild und Weltanschauung werden oft als Synonyme verwendet[1]. Wo ein Unterschied gemacht wird, ist ein Weltbild ein eher beschreibendes Prinzip und die Weltanschauung eher (bejahend) wertend. Das ist hier kurz vorgestellt.

Weltbilder als naturwissenschaftliche Weltsicht


Ein Weltbild ist eine Sicht, wie man glaubt, dass die Welt tatsächlich eingerichtet ist und nicht so sehr, wie man denkt, dass die Welt richtig eingerichtet sein sollte. Naturwissenschaftler sprechen daher oft und passenderweise von ihrem Weltbild oder Weltansicht[3][4][5]. Ein Weltbild ist nicht beschränkt auf ein wissenschaftliches Teilgebiet, etwa nur die Optik, sondern überschreitet Fachgrenzen[20] und umfasst alles, was man für die eigene Lebensführung oder die Orientierung der Menschheit an sich für wichtig hält. Die Idee, dass ein Weltbild alle Gegenstände der Erfahrungung in einen Zusammenhang bringt ist der Leitgedanke für die spekulative Philosophie ↗

Ein Weltbild darf unangenehm sein


Der US-amerikanische Schriftsteller H. P. Lovecraft (1890 bis 1937) war schon als Kind naturwissenschaftlich sehr interessiert. So schrieb er schon als junger Schüler Artikel für ein astronomisches Magazin. Als Erwachsener hatte er ein Weltbild entwickelt, in dem der Kosmos von blinden, deterministischen Kräften beherrscht wird. In einem Brief[7] schreibt er düster: "heute wissen wir, dass die Welt bloß ein Fluss sinnloser Neuanordnungen ist, inmitten derer der Mensch bloß ein vernachlässigbares Ereignis oder ein Unfall ist." So sah Lovecraft die Welt, doch er empfand diese Welt nicht als gut und wünschte sich eigentlich eine ganz andere Welt. Ein Weltbild darf - anders als eine Weltschauung - selbst auch unangenehm sein. Siehe dazu auch H. P. Lovecraft (Zitate) ↗

Ein Weltbild darf sinnfrei sein


Der französische Arzt Julien Offray de la Mettrie veröffentlichte im Jahr 1748 ein damals höchst skandalöses Buch: Die Maschine Mensch[13]. In der Sicht von la Mettrie spulte sich der Mensch wie ein Automat durch seine täglichen Handlungen. Auch wenn diese Sicht keinen Platz lässt für einen Freien Willen, für moralisches Handeln und echten Sinn, so ist diese Sicht von la Mettrie doch ein berechtigtes Weltbild. Siehe auch Die Maschine Mensch ↗

Weltbild in Abgrenzung zur Weltanschauung


Moralische Fragen des Sollens sind in einem Weltbild eher nicht enthalten. Das Metzler Philosophie Lexikon grenzt Weltbild genau darüber vom Wort Weltanschauung ab: ein Weltbild "deutet im Unterschied [zu einer Weltanschauung] die Zusammenfassung wissenschaftlicher Ergebnisse zu einer Gesamtschau an, die nicht die letzten Fragen nach dem Woher und Wohin vn Welt, die Sinnfrage, stellt.[2]" Und: eine Weltanschauung ist "im Unterschied zum Weltbild nicht als bloß beschreibendes, sondern als erklärendes, sinnstiftendes Prinzip[3]" zu sehen. Eine Weltanschauung duldet keine Konkurrenz, sie ist aus ihrer eigenen Sicht heraus gesehen auch immer auch die einzig richtige Weltanschauung ↗

Weltbild als ein Puzzle aus Mini-Modellen


Es gibt verschiedene Modelle von Atomen (Thomson, Bohr), von Licht, von Gasen (ideales Gasmodell) oder auch von Materie (Demokrit, Mach): Modellen der Naturwissenschaft ist gemeinsam, dass sie als Erklärungsversuch für einen Ausschnitt der Wirklichkeit dienen sollen. Naturwissenschaftler halten es für Selbstverständlich, dass ein Modell nicht die letztendliche Wahrheit sein muss und dass es meist auch nur einen sehr begrenzten Teil der gesamten Wirklich beschreiben soll. Naturwissenschaftliche Modelle eignen sich daher als Bausteine für ein Weltbild, ohne selbst schon das Weltbild zu sein. Lies mehr unter Modell ↗

Weltbilder und der naturalistische Fehlschluss


Die Welt der Pflanzen, Tiere und Menschen läuft offensichtlich nach dem Prinzip einer darwinistischen Evolution ab: der Kampf ums Dasein und das Überleben der Besten ist ein Weltprinzip. Also muss man sich auch als menschliche Gesellschaft und als Staat in diese Weltlogik einfügen. Diese Argumentation benutzte zum Beispiel Friedrich von Bernhardi zur Rechtfertigung eines Krieges[11]. Die Übernahme der darwinistischen Theorie als gesellschaftlichen Wert nennt man Sozialdarwinismus. Dieser ist dann kein Weltbild mehr sondern eine Weltanschauung. Einen Ist-Zustand der Welt auch als Soll-Zustand der Welt zu definieren heißt als falscher Schluss naturalistischer Fehlschluss[10] ↗

Weltbilder nur als Gemeinschaftsaufgabe möglich?


Einer der vielen Unterschiede zwischen der katholischen und der protestantischen Auslegung von Christsein ist die Rolle der Gemeinschaft. Im Katholizismus bedarf der einzelne Mensch der Gemeinschaft in Form der Kirche. Die Kirche legt die Schrift aus und prüft Glaubensfragen. Das Ergebnis kann der einzelne Mensch dann für sich übernehmen. Dabei geht die Kirche arbeitsteilig vor. Es gibt auf Glaubensfragen spezialisierte Priester, es gibt für Glaubensfragen eingerichtete Entscheidungsprozesse (Konzilien) und es gibt eine oberste Entscheidungsinstanz, den Papst. Demgegenüber steht bei den meisten protestantischen Strömungen der einzelne Gläubige alleine vor Gott. Das Individuum legt die Bibel für sich aus und sucht im Gebet seine persönliche Verbindung zu Gott. Im katholischen Ansatz kommt möglicherweise die Idee zum Ausdruck, dass die Komplexität vieler Fragen die Denkmöglichkeiten einzelner Individuen übersteigt. Die Fragen sind nur im Kollektiv lösbar, ein einzelner kann für sich nicht zu einem angemessenen Weltbild gelangen. Die Lösung ist das gut organisierte Denkkollektiv ↗

Weltbilder und die technologische Singularität


Kann ein einzelner Mensch überhaupt die Welt in ihrer Komplexität erfassen? Oder sind wir nicht ähnlich begrenzt, wie eine einzelne Zelle im Gehirn eines Menschen? Die Zelle hat wahrscheinlich keine Chance, ein Gefühl wie Nostalgie oder einen komplexen Gedankengang wie einen mathematischen Beweis zu erfassen. Sie kann nur Teil sein eines größeren Gebildet. In dieser Metapher hätte die Zelle auch keine Aussicht auf ein angemessenes Weltbild. Verschärft wird dieses Problem noch durch die Möglichkeiten einer sogenannten Singularität. Dieser Idee zufolge erreichen künstliche Intelligenzen und die Komplexität der menschgemachten Technosphäre einen Grad an Unverständlichkeit, die es dem Individuum unmöglich macht, das Große Ganze zu verstehen. Die Möglichkeit von Weltverständnis schwindet und wir werden als Individuen bloße Spielbälle fremder Mächte. Siehe dazu auch Technologische Singularität ↗

Weltbilder und Intelligibilät


Als Intelligibilität bezeichnet man die grundsäztliche Verstehbarkeit der Welt. Ob die Welt als Ganzes für Menschen intelligibel ist hängt von mindestens zwei Faktoren ab: der Mensch muss die für das Weltverständnis nötigen Denk- und Anschauungskategorien besitzen. Binde können Bilder nicht verstehen. Und der Mensch muss auch die mengenmäßige Kapazität zur Erfassung aller wichtigen Dinge besitzen, nach der Zeit und nach seinem Arbeitsspeicher. Beide Voraussetzungen können nicht als sicher gegeben angenommen werden. Siehe dazu auch Intelligibilität ↗

Wie kommt man zu einem persönlichen Weltbild?


Es ist eine bemerkenswerte Tatsache, dass die Philosophie kein Teilgebiet kennt, die eine Methode für das individuelle Suchen nach einem passenden Weltbild vorschlägt. Es gibt viele fachlich aufgeteilte Gebiete wie die Logik, die praktische Philosophie oder die Ethik. Es gibt aber kein Gebiet der Philosophie, dass einem einzelnen Menschen eine Methode an die Hand gibt, mit dem er sich selbst sozusagen ein eigenen Weltbild erstellen. Zwar gab Platon einige Hinweise, wie man zur Erkenntnis der höchsten Ideen gelangen könnte[9]. Doch das war keine Methodik im eigentlichen. Der Mangel kann hier nur festgehalten werden[10].

Fußnoten


"Platons Ideenlehre". Geleitet von Jürgen Villers. Wintersemester 2000/2001. Institut für praktische Philosophie der RWTH Aachen. Online: https://www.seelengrund.de/2003/HTMLarchiv/irrational/hauptteil.htm#Die_Erkennbarkeit_der_Ideen