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Showmastereffekt


Physiker


Basiswissen


Die Lehrperson wirkt unnahbar und behandelt nur Probleme für die nur sie selbst eine Lösung hat. Auf die Lernenden wirkt dieser Effekt oft frustrierend und hemmend. Hier stehen einige Tipps aus der Praxis des Physik-Unterrichts, wie man als Lehrer den Effekt erzeugen kann.

Wie kann eine Lehrperson den Effekt erzeugen?


Es gibt eine Reihe von Mitteln, dass man als Lehrperson bei Lernenden den Eindruck erzeugen kann, dass der Lernstoff für "normale" Schüler kaum fassbar ist und im eigentlich nur von "Eingeweihten" oder "Naturtalenten" zu verstehen ist.

Hohe Taktzahl


Der Lehrende stellt in schneller Abfolge ständig neue Dinge vor. Es ist beispielsweise nicht unüblich, dass innerhalb von nur 6 Unterrichtstunden in der Physik behandelt werden:


Keine Legenden


Dieser Effekt ist sehr wirkungsvoll: die Lehrperson schreibt Formelzeichen und Abkürzungen an die Tafel und gibt nirgend eine Legende an. Die Mitschriften bleiben so meist unverständlich. In Mitschriften von Oberstufenschülern finden wir häufig Beispiele wie die folgenden:


Kein Stoffplan


Die Lehrperson gibt keinen Stoffplan für mehrere Wochen, Monate oder gar das ganze Schuljahr heraus. Erst mit Beginn einer Unterrichtsstunde wird klar, worum es geht.

Synchron reden


Der Lehrende schreibt etwas an die Tafel und redet gleichzeitig dazu. Das unterbindet effektiv, dass man sich auf eines der zwei Dinge konzentriert. Die Wirkungen der zwei Sinnenskanäle können sich zum Teil sogar gegenseitig auslöschen.

Kontextfreiheit


Viele Aussagen in der Physik gelten nur unter ganz bestimmten, oft idealisierten, Bedingungen. So liest man in Unterrichtsmitschriften oder Vorlesungsskripten oft die Aussage: (Wasser)Wellen übertragen keinen Impuls. Als Verdeutlichung wird oft ein Kork herangezogen, der beim Durchgang einer Meereswelle nur nach oben unten unten geht, abern nicht dauerhaft nach vorne oder hinten. Tatsächlich aber können Meereswellen sehr viel Impuls übertragen: sie tragen Schwimmer am Strand oft Richtung Küste. Sie können Menschen umwerfen, wenn sie im hüfthohen Wasser stehen, Tsunamis werfen Schiffe auf Land. Und auch der Korken erfährt ja zunächst einen Impuls nach oben. Lässt man diese Betrachtungen weg, geraten Schüler oft nach dem Unterricht darüber in Verwirrung und ziehen den Schluss, etwas Wesentliches nicht verstanden zu haben.

Keine Zeit für Fragen


Während des Unterrichts folgen so viele neue Worte und Zeichen, dass die Lernenden keine Zeit haben, das Neue zu durchdenken und Fragen dazu zu stellen. Wenn überhaupt, treten die Fragen oft erst zuhause auf.

Keine Bücher


Bücher werden im schulischen Physik-Unterricht meist nur als Aufgabensammlungen verwendet. Als einziger Anhaltspunkt zum Lernen bleibt Schülern dann oft nur die eigene Unterrichtsmitschrift. Diese ist aber oft so fragmentarisch, dass sie fast wertlos ist.

Körpersprache


Ein leichtes Verziehen des Mundwinkels, mitleidiges Lächen oder die Augen kaum merkbar nach oben drehen: diese einfachen Mittel sind sehr wirkungsvoll, um einem Gegenüber die Minderwertigkeit der geäußerten Gedanken zu kommunizieren.

Jüngerschaft


Als Lehrer freut man sich über eine mündliche Beteiligung von Schülern. Schüler, die schnell echt (oder nur scheinbar) gute Gedanken produzieren geben oft den Takt im Unterrichtsgeschen vor. Als Lehrer zieht man unbewusst den Schluss, dass wenn einer es verstanden hat, es wahrscheinlich alle verstanden haben müssten. Es wird oft beschrieben, dass gerade Physik eine Art cliquenhaften Privatunterricht mit wenigen "Nerds" führen, während der größere Teil der Klasse mehr oder weniger passiv anwesend ist.

Killer-Phrasen


Redewendungen und Worte "trivial", "wie man leicht sieht" oder "logisch" erzeugen bei den Zuhörenden oft den Eindruck, dass der Stoff etwas besonders leichtes sei. Stellt sich trotzdem kein Aha-Effekt ein, liegt der Schluss nahe, dass man selbst etwas begriffsstutzig und für das Fach eher nicht geeignet ist.

Gibt es den Effekt wirklich?


In der Lernwerkstatt (Aachen, 2020) erhalten wir vor allem von Schülern der Physik Beschreibungen von Lehrern, die den Effekt recht gut wiedergeben. Während in den unteren Klassen (5 bis 7) viele Schüler eine Begeisterung für Physik zeigen, ist diese Zahl bis zum Beginn der Oberstufe drastisch reduziert: Physik gilt dann als eines der unbeliebtesten Fächer. Fragt man Schüler nach dem Grund, Physik so früh abzuwählen geben sie oft an, dass sie die Erklärungen der Lehrer nie verstanden hätten.

Welchen Nutzen kann der Effekt haben?


Setzt man ihn als Lehrperson gekonnt ein und haben die Schüler die Wahl einen Kurs freiwillig zu wählen, bleiben letztendlich wahrscheinlich überwiegend Schüler mit einer hohen eigenen Auffassungsgabe übrig. Damit kann man sich als Lehrer recht gut mit leistungsstarken Schülern umgeben. Tatstächlich wird wird oft beschrieben, dass nur wenige "Nerds" Physik als Leistungskurs wählen, der Rest wurde verschreckt. Entsprechende Schilderungen hören wir sehr viel seltener von anderen Fächern.