Polschmelze
Klimawandel
Basiswissen
Als Polschmelze wird das Abtauen des arktischen und antarktischen Eisschildes bezeichnet. Würde das gesamte Eis rund um die Pole abtauen, würde dadurch der Meeresspiegel um gut 66 Meter ansteigen. Befürchtet wird ein nicht mehr abbremsbarer Kollaps der polaren Eismassen mit drastischen Folgen für das Weltklima und Überflutungen von Küstenregionen.
Größenordnung der Polschmelze
Die Eismasse der Antarktis wird auf rund 26,50 Millionen Gigatonnen geschätzt, die von Grönland auf etwa 2,85 Millionen Gigatonnen. Die Eismassen von Gletschern in Gebirgen außerhalb der Polarregion spielen beim Meeresspiegelanstieg kaum eine Rolle. Die Eismassen würden bei einem vollständigen Abauten den Meeresspiegel um fast 70 Meter anheben.
Antarktis: beschleunigtes Abtauen?
- 1979 bis 1990: etwa 40 Gigatonnen durchschnittlicher Eisverlust pro Jahr[3]
- 1989 bis 2000: etwa 50 Gigatonnen durchschnittlicher Eisverlust pro Jahr[3]
- 1999 bis 2009: etwa 166 Gigatonnen durchschnittlicher Eisverlust pro Jahr[3]
- 2009 bis 2017: etwa 252 Gigatonnen durchschnittlicher Eisverlust pro Jahr[3]
- Ab 2017 nahm der jährliche Eisverlust jedoch wieder deutlich ab[9]
- Der jährliche Eisverlust wächst mathematisch gesehen überproportional ↗
Seit wann ist das Thema bekannt?
Bereits im Jahr 1896 veröffentlichte ein schwedischer Wissenschaftler Berechnungen zum Einfluss von CO2 in der Atmosphäre auf eiszeitliche Eismassen an den Polen[4]. Der französische Ölkonzern Total sagte um 1971 dann ein teilweises Abtauen der Polkappen voraus[6]. Sehr detailliert gingen ein Bericht des australischen Geheimdienstes aus dem Jahr 1981[6] sowie der deutschen Kernforschungsanlage Jülich aus dem Jahr 1983[8] auf das Thema ein. In dem Bericht wurde sogar das Wort „Weltuntergangsgletscher“ (Domesday glacier) verwendet. Siehe auch Erderwärmung (Zitate) ↗
Wie bedrohlich ist das Szenario?
Experten halten die Polschmelze für sehr bedrohlich: der australische Geheimdienst sagte in einem vertraulichen Papier an den australischen Premierminister bereits 1981 sehr treffend voraus: "Speculations that in a century the main Antarctic and Greenland ice caps would completely melt, and thereby cause a 60 m rise in sea levels, can be dismissed as fanciful. However, the West Antarctic ice shield, which is grounded below sea level, is a different matter: a global average temperature increase of 5 °C would probably cause it to disintegrate, and raise sea levels by about 6 m. Not enough is yet known to predict how quickly this might occur, but it is feared that once the process begins it could be irreversible. A rise of 6 m would flood many of the major cities of the world as well as the delta regions of rivers such as the Ganges and Mekong, which support large populations.[6]" Siehe auch Meeresspiegelanstieg ↗
Was ist eine positive Rückkopplung?
Eine Art Teufelskreis: helles Eis reflektiert einfallendes Sonnenlicht sehr gut. Ein großer Teil des Lichts geht so wieder in den Weltraum zurück. Dunklere Flächen, etwa flüssiges Meereswasser, nehmen die einfallende Strahlung sehr viel besser auf, wodurch sie letztendlich wärmer werden. Taut nun an einem der Pole Eis, wird dadurch weniger Licht - und somit auch weniger Wärmenergie - in den Weltraum zurückreflektiert. Dadurch wird mehr Wärme aufgenommen, wodurch wieder mehr Eis abtauen wird. Wird ein solcher Teufelskreis nicht durch gegenläufige Mechanismen eingedämmt, wird es zu einer Selbstbeschleunigung der Polschmelze kommen. Der Moment in dem so etwas passiert heißt auch Kipppunkt, Kippelement oder auf Englisch tipping point. Siehe auch Kippelemente im Erdklimasystem ↗
Wie reagieren Staaten auf die drohende Polschmelze?
Erste flache Inselstaaten, wie etwa Tuvalu im Pazifik, planen eine vollständige Umsiedlung ihrer Bevölkerung. Teile des bedrohten Staatsgebietes sollen zumindest virtuell im Metaverse erhalten bleiben. Die Niederlande hingegen erwägen den Bau gigantischer Schutzwälle 25 Kilometer von der heutigen Küste entfernt. Doch bieten auch solche großtechnischen Projekte nur Schutz gegen die ersten 5 bis 10 Meter Meeresspiegelanstieg. Danach müssen auch Länder wie die Niederlande, Deutschland, England oder Polen weite Siedlungsgebiete aufgeben. Zum Niederländischen Schutzkonzept siehe den Artikel zum Haak-Seedeich ↗
Was ist eine Transgression?
Als Transgression bezeichnet man in der Geologie ein großflächiges Vordringen des Meeres auf das Festland. Die Ursache dafür kann sowohl ein Absinken großer Festlandsbereiche sein (etwa Norddeutschland) als auch ein Anstieg des Meeresspiegels. Die letzte Große Transgression fand nach dem Abtauen großer Eismassen vor etwa 12 Tausend Jahren statt. Dabei ging ein riesiges, besiedeltes Gebiet, das sogenannte Doggerland verloren, das heute auf dem Boden der Nordsee liegt. Lies mehr unter Transgression ↗
Fußnoten
- [1] Ruth Hutsteiner: Polschmelze macht Wetter variabler. In: Ö1-Wissenschaft. Science@ORF.at. Webseite des Österreichischen Rundfunkes vom 7. Februar 2019. https://science.orf.at/v2/stories/2963152/
- [2] Monika Seynsche: Polschmelze. Starke Wärmeflüsse unter der Westantarktis entdeckt. Online-Artikel des Deutschlandfunks. 12. September 2021. https://www.deutschlandfunk.de/polschmelze-starke-waermefluesse-unter-der-westantarktis.676.de.html?dram:article_id=325311
- [3] Eric Rignot et. al: "Four decades of Antarctic Ice Sheet mass balance from 1979–2017". Proceedings of the National Academy of Sciences. 2019. 116 (4): 1095–1103. doi:10.1073/pnas.1812883116. ISSN 0027-8424. PMC 6347714. PMID 30642972.
- [4] Svante Arrhenius: On the Influence of Carbonic Acid in the Air upon the Temperature of the Ground. In: Philosophical Magazine and Journal of Science Series 5, Volume 41, April 1896, Seite 267. Online unter: https://www.rsc.org/images/Arrhenius1896_tcm18-173546.pdf
- [5] In: Total Energies accused of downplaying climate risks. By Beth Timmins. Business reporter, BBC New. Online. October 20th, 2021
- [6] ONA: Assessment. Fossil Fuels and the Greenhouse Effect. Vertrauliche Information an den australischen Premierminister, verfasst vom australischen Geheimdienst im Jahr 1981. 18 Seiten. In: The Guardian. Australia’s spy agency predicted the climate crisis 40 years ago – and fretted about coal exports. Online. 28. November 2021.
- [7] NR Golledge: Long-term projections of sea-level rise from ice sheets. In: WIREs Clim Change. 2020. 11:e634. https://doi.org/10.1002/wcc.634
- [8] Kernforschungsanlage Jülich. Institut für Chemie 3: Atmosphärische Chemie. Studie über die Auswirkungen von Kohlendioxidemissionen auf das Klima. November 1983. ISSN 0366 -0885. 165 Seiten.
- [9] Isabella Velicogna et al.: Continuity of Ice Sheet Mass Loss in Greenland and Antarctica From the GRACE and GRACE Follow-On Missions. In: Geophysical Research Letters. Volume47, Issue 8. 28 April 2020. https://doi.org/10.1029/2020GL087291