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Natürliche Religion


Gott in der Natur


Basiswissen


Die Welt - die Menschen eingeschlossen - ist so gemacht, dass man aus ihrer Beschaffenheit religiöse Wahrheiten schließen kann. Das ist der kleinste gemeinsame Nenner auf den man verschiedene Positionen einer natürliche Religion, auch religio naturalis genannt[21], bringen kann. Insbesondere wird eine göttliche Offenbarung als nicht notwendig für den Glauben zurückgewiesen[18]. Das ist hier näher vorgestellt.

Natürliche Religion als Erkenntnisweg


Ein theologisches Lexikon der Religion[7] definiert natürliche Religion (synonym mit natürlicher Theoologie) wie folgt: „Das Christentum setzt voraus, das seine Verkündigung Menschen trifft, die auf Gott hin geschaffen sind und infolgedessen irgenwelche, wenn auch getrübte Gotteserkenntnis bereits besitzen“. Diese natürlichen Anlagen werden weiter in zwei Aspekte aufgeteilt: „Man unterschied innerhalb der natürlichen Theologie meist ein mit dem Wesen des Menschen gegebenes apriorisches Gottesbewusstsein und eine auf Grund der Werke der Schöpfung a posteriori erworbene Erkenntnis Gottes.“ Was hier für das Christentum definiert wurde, eignet sich aber ganz generell auch für andere Religion. Ersetzt man die Idee eines Gottes durch die Vorstellung einer religiösen Grundwahrheit, so kann man verallgemeinern sagen: die natürliche Religion steht für Wege hin zur Erkenntnis religiöser Wahrheiten, die keiner Verkündigung bedürfen, sondern wahlweise oder einander ergänzen über eine Betrachtung der eigenen Innenwelt oder der Welt um uns führen kann. Das ist hier weiter ausdifferenziert.

Der innere Weg ohne Logik


Mystiker lehrten Übungen, mit denen man sich empfänglich machen konnte für ein tiefes Erleben Gottes oder religiöser Wahrheiten überhaupt. Die Ausschaltung rationalen Denkens und der Gedanken rund um den Alltag spielten dabei eine zentrale Rolle. Der versprochene Lohn war dann eine alles durchdringende Erkenntnis kosmischer Wahrheiten. Siehe auch Mystik ↗

Der innere Weg mit Logik


Betrachtet man die dem Menschen gegebene Logik als Teil der natürlichen, geschaffenen Welt, so kann auch eine Selbstreflexion der Logik zu Erkenntnissen von religiösen Wahrheiten führen. Die Grundannahme hier ist, dass die Logik selbst diese höheren Wahrheiten widerspiegelt. Ob das tatsächlich der Fall ist wurde schon immer angezweifelt, unter anderem von Immanuel von Kant in seiner Kritik der reinen Vernunft. Den Weg der Logik als Weg zu religiöser Erkenntnis gingen unter anderem das Christentum und auch der Islam in der mittelalterlichen Zeit der sogenannten Scholastik ↗

Der innere Weg, vom Äußeren erregt


Der protestantische Theologe Rudolf Otto (1869 bis 1937) beschrieb in einem Buch verschiedene Gefühlserlebnisse, die oft aus Erlebnissen der Außenwelt entstanden, zum Beispiel über das Erleben großer Landschaften oder Gewitter. Die Erlebnisse vreweisen dabei auf Aspekte des Göttlichen in einem fein ausdifferenzierten Spektrum zwischen dem Schauerlichen (mysterium tremendum) und dem Faszinierenden (mysterium fascinans). Dabei diskutierte er ausführlich, welchen Anteil das Rationale und das Irrationale an der Erkenntnis des Religiösen haben können. Siehe auch Rudolf Otto ↗

Der äußere Weg der Naturphilosophie


Der Innenschau des Menschen sozusagen entgegengesetzt ist die Betrachtung der äußeren Welt. Hier muss als Generalzweifel vorangestellt werden, dass es (nicht wenige) ernstzunehmende Denker gibt, die an der Existenz einer Welt außerhalb des menschlichen Geistes zweifeln[13]. Geht man aber von einer wirklich seiende Außenwelt aus, so der Gedanke der natürlichen Theologie, lasse der Beschaffenheit Rückschlüsse auf ein göttliches Wesen oder ein religiöses Urprinzip hinter allen Erscheinen zu. Ob eine solche Erkenntnis möglich ist, ist eine grundlegende Frage der Naturphilosophie ↗

Der äußere Weg über die Statistik


Die Idee, dass man die Erkenntnisse religiös suchender Menschen sozusagen in eine Gesamtschau stellt und dann nach Gemeinsamkeiten sucht könnte man als einen statistischen Zugang bezeichnen. Drei Autoren sind hier hervorzuheben. Nicolai Hartmann (1882 bis 1950) suchte unter dem Begriff der Philosophia perennis nach langsam über die Jahrtausende anwachsendem und sicherem Philosophischen Wissen[14]. Der US-Amerikaner William James (1842 bis 1910) wertete die Berichte über alle möglichen religiösen Erscheinungsformen aus[15], und der Engländer Aldous Huxley tat ähnliches, bereichert um eigene Erfahrungen mit der Droge Mescalin[16]. Siehe hier beispielhaft Die Vielfalt religiöser Erfahrung ↗

Beispiel: Herbert Cherbury (1663)


In seinem Werk De religione gentilium errorumque apud eos causis aus dem Jahr 1663 formulierte der Anglo-Waliser Herbert von Cherbury fünf Grundwahrheiten, die für jeden rational denkenden Menschen einsichtig sein müssen[1], sie bedürfen keiner göttlichen Offenbarung, um als wahr erkannt werden zu können. Diese fünf Grundtatsachen sind dann Chebury das Fundament einer (natürlichen) Religion:


Beispiel: Matthew Tindal (1730)


Ein sehr schlagkräftiges Argument für eine natürliche Religion, die keiner Offenbarung (etwa aus der Bibel) bedarf, lieferte im Jahr 1730 der Engländer Matthew Tindal. Gott kann unmöglich Menschen geschaffen haben ohne ihnen die Möglichkeit zum Erkennen de Wahrheit gegeben zu haben. Wie aber konnten dann Menschen zur Wahrheit finden, bevor es die Bibel und die jüdisch-christliche Religion gab? Laut Tindal konnten Menschen bereits vor der Formulierung des Christentums in der Bibel durch Vernunft und Naturbeobachtung die Wahrheit erkennen[2]. Das Argument Tindals ist in sich schlüssig, wenn man die Existenz eines wohlwollenden Gottes voraussetzt.

Beispiel: Gifford Lectures (1887)


Im Jahr 1887 starb ein reicher Rechtsanwalt und vererbte 80 Tausend Pfund, damals eine sehr große Geldmenge, an vier bekannte Universitäten in Schottland. Mit dem Geld verbunden war die Pflicht, die Idee einer natürlichen Religion frei von jeder Offenbarung wissenschaftlich zu fördern und allgemeinverständlich zu veröffentlichen. Daraus entstanden die sogenannten Gifford Lectures (Vorlesungsreihen), die seit dem Jahr 1888 einmal im Jahr gehalten werden. Die Lectures erreichten schnell internationale Bekanntheit. Zu den Referenten zählten neben Politikern und Theologen auch viele berühmte Naturwissenschaftler wie zum Beispiel William James (Psychologie), Alfred North Whitehead (Mathematik), Niels Bohr (Physik), Werner Heisenberg (Quantenphysik), Carl Friedrich von Weizsäcker (Philosophie, Physik), Sir John Eccles (Hirnforschung), Richard Dawking (Evolutionsbiologie) und Carl Sagan (Kosmologie). Viele der Vorträge sind heute frei im Internet zu lesen.

Deismus als eine Sonderform natürlicher Religion


Als Deismus bezeichnet man eine breite religions-philosophische Strömung die vor allem im 18ten Jahrhundert wirksam war. Deisten teilen die Grundposition einer natürlichen Religion, indem sie göttliche Offenbarung als Quelle über religiöses Wissen zurückweisen. Ferner gehen sie zwar von einem göttlichen Urgrund der Welt aus, lehnen aber die Idee ab dass Gott nach der Schöpfung noch aktiv handelnd in das Weltgeschehen eingreift. Siehe auch Deismus ↗

Abgrenzung der natürlichen Religion zur natürlichen Theologie


Im deutschen Sprachraum werden meist die Begriffe natürliche Religion und natürliche Theologie voneinander getrennt[4], oft aber auch sinngleich oder hierarchisch verschachtelt benutzt. Wo Denker eine Trennung vornehmen bezeichnet die natürliche Religion eher eine gelebte Weltanschauung, die keiner Offebarung bedarf. Natürliche Theologie hingegen bezeichnet eher eine erkenntnistheoretische Position, die auslotet, inwiefern religiöse Erkenntnis ohne Offenbarung und vor allem auf naturwissenschaftlichem Wege möglich ist. Zu dieser zweiten Bedeutung siehe auch unter natürliche Theologie ↗

Der naturalistische Fehlschluss als schwerwiegender Einwand


Viele Denker zweifeln die Möglichkeit einer natürlichen Religion aus logischen Gründen an. Den Schluss von der Beschaffenheit der Welt auf Aussagen darüber, wie die Welt beschaffen sein sollte, halten sie nicht für logisch zwingend. Aus der Beobachtung, dass es in der Welt Basalt gibt, kann man nicht schließen, dass Basalt als Stein eine an sich gute Sache ist oder vorhanden sein sollte. Von einem Sein, so die Skeptiker, kann man niemals zuverlässig auf ein So-Soll-es-Sein schließen. Siehe dazu auch naturalistischer Fehlschluss ↗

Der Genius malignus als großer Widersacher


Schon Platon ließ in einem Gleichnis Menschen in einer Höhe bloß die Schatten der wahren Außenwelt erblicken: seit den Anfängen des selbstkritischen philosophischen Denkens ist die Idee, dass unsere Eindrücke alle nur Täuschung sein könnten ein ständiger Begleiter. Eine moderne Version ist die Idee, dass unsere Gehirne in einem Glas mit eine Nährlösung hängen und wir alles nur von einem Computer vorgegaukelt bekommen (Gehirn im Tank). In der Philosophie bekannt ist dieser Gedanke auch unter dem Begriff des bösartigen Geistchens, dem Genius malignus ↗

Fußnoten