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LNG-Terminal Wilhelmshaven


Erdgas


Basiswissen


Im Mai 2022 wurde nördlich von Wilhelmshaven unter dem Druck unzuverlässiger Erdgaslieferungen aus Russland mit dem Bau eines Terminals als Hafen begonnen. Mitte Oktober 2022 war der Bau fertig. Dieses Terminal ist hier kurz vorgestellt.

Wie funktioniert das LNG-Terminal?


Große Schiffe liefern verflüssigtes und gekühltes Erdgas an. Dieses muss am Terminal wieder erwärmt und dann vergast werden. Für die Anlage bei Wilhelmshaven steht dafür das das LNG-Terminal- und Verdampfungs-Schiff Höegh Esperanza zur Verfügung. Dieses Schiff ist dauerhaft am Ende einer langen Landungsbrücke festgemacht. Das wiedervergaste Erdgas wird nach der Vergasung über eine 26 Kilometer lange Gasleitung bei 100 bar Druck in die Kaverne Etzel in Ostfriesland transportiert. Siehe auch Gaskaverne ↗

Das Verdampfung-Schiff Höegh Esperanza in Zahlen



Welche Gasmengen werden hier umgesetzt?


Die mit der deutschen Bundesregierung vertraglich vereinbarte Dauerleistung der Höegh Esperanza beträgt 5 Milliarden Kubikmeter LNG pro Jahr (bcm/a), die Maximalleistung 7,5 bcm/a.[12] Das Terminal soll etwa 6 % des deutschen Gasbedarfs decken. Im Jahr 2022 deckte Deutschland rund 24 % seines Primärenergiebedarfs mit Gas. Der Anteil des LNG-Terminals in Wilhelmshaven beträgt damit rund 1,44 % des deutschen Primärenergieverbrauch[s] ↗

Was ist der geopolitische Hintergrund?


Im Jahr 2022 lag der Primärenergieverbrauch Deutschlands bei rund 12 Tausend Petajoule oder rund 12 Exajoule. Davon entfiel mit rund 24 % fast ein Viertel auf Erdgas. Erdgas wird vor allem zum Heizen von Privathaushalten, zur Stromerzeugung und als Rohstoff der chemischen Industrie eingesetzt. Ein Ausfall oder eine Verknappung der Versorgung mit Erdgas könnte das Leben in Deutschland spürbar erschweren und verteuern. Rund 65 % des importierten Erdgases stammten 2021 aus Russland[2] und wurden über tausende von Kilometern lange Pipelines nach Deutschland transportiert. Durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine kam es bald zu einem Rückgang russischer Gaslieferung, bis hin zu einem nahezu vollständigen Erliegen. Zur Sicherstellung der gewollten Gasmengen leitete das Bundeswirtschaftsministerium den zügigen Bau von drei Terminals in Deutschland zum alternativen Import von verflüssigtem Gas mit Hilfe von Schiffen ein. Das Terminal in Wilhelmshaven ist eines dieser drei Terminals.

Warum berichten Medien über eine Vergiftungsgefahr?


In einem längeren Artikel[3] beschrieb das Magazin Stern mehrere Gefährdungen der Umwelt durch das Gasterminal. Das norwegische Schiff Höegh Esperanza als schwimmende Wiedervergasungsanlage entspräche nicht mehr dem Stand der Technik in Sachen Umweltverträglichkeit. Vor allem die Verhinderung eines Zuwachsens des Schiffsrumpfes mit Meerestieren und -pflanzen (Muscheln, Algen, Seepocken etc.) muss durch giftige Chemikalien, die zum Teil Nervengifte enthalten verhindert werden. Rund 178 Millionen Kubikmeter mit Chlor und bis zu 30 weiteren Chemikalien verseuchtes Wasser sollen dann jährlich in die Nordsee eingeleitet werden. Chlor ist ein hochreaktives Gift. Die Chemikalien bedrohen dann das Biotop direkt angrenzenden Wattenmeeres um die Badeorte Hoosiel, Horumersiel und die Ferieninsel Wangerooge. Aus diesem Grund sei eine Einsatz des Schiffes von Australien zuvor abgelehnt worden[4]. Eine zweite Gefährdung seien mehrere Quadratkilometer große sogenannte Kaltwasserwolken. Bei der Erwärmug des anglieferten Gases wird dem umliegenden Meereswassers Wärmenergie entzogen. Das Meerwasser kühlt ab und sinkt weitflächig zu Boden. Die Lebewesen im Meer reagieren zum Teil sehr empfindlich auf Temperaturänderungen.

Woher stammt das erwähnte Chlor?


Für Schiffe und technische Anlagen im Meer ist der Bewuchs mit Pflanzen und Tieren ein großes Problem. Schon alte Segelschiffe waren oft mit unter Wasser mit Muscheln bewachsen, die die Geschwindigkeit deutlich herabsetzten. Um das zu verhindern verwendet man heute für Boote und Schiffe sogenannte Antifouling Antriche. Das sind Anstriche die Biozide enthalten, also Gifte, die einen Bewuchs unterbinden sollen. Speziell für das Verdampfungsschiff müssen aber zusätzlich zum Schiffsrumpf auch Leitungen und Rohre frei von lebendigen Bewuchs gehalten werden. Das geschieht mit Hilfe der sogenannten Elektrochlorierung. Durch Anlegen einer niedrigen elektrischen Gleichspannung wird das Salzwasser in Wasserstoffgas sowie Natriumhypochlorit (NaOCl) zerlegt. Aus dem Natriumhypochlorit entstehen dann kleinere Mengen Chlor. Dieses giftige Chlor wirkt als Biozid (wörtlich: Lebenstöter) und soll dann die Rohrinnenseiten frei halten. Um als Biozid wirksam zu sein, würden schon 0,2 Milligramm (mg) Chlor pro Liter Wasser genügen[7]. Zur Grundidee der Herstellung siehe auch den Artikel zur Wasserelektrolyse ↗

Wie beurteilen Fachleute die Gefahr für das Wattenmeer?


Widersprüchlich: keine Gefahr hingegen sieht Thomas Raabe, Diplom-Chemiker und Gutachterer Firma Firma AquaEcology[6]. Die durch das Terminal eingeleiteten Chemikalien würden das Wattenmeer nicht maßgeblich mehr belasten, als es bisher schon belastet ist. Das zweifelt die Schadstoffexpertin Gesine Witt jedoch an. Witt mahnt an, dass zusätzliche Chemikalien neue Verbindungen mit anderen Chemikalien eingehen könnten, was Raabe nicht entsprechend untersucht habe. Dem stimmt auch Matthias Brenner vom Alfred-Wegener-Institut zu: man dürfe nicht nur einzelne Stoffe betrachten, sondern deren mögliche Wechselwirkungen. Auch habe Raabe, so Witt, in seinem Guchtachten nicht die Erfahrungen von ähnlichen Anlagen in Italien und Frankreich berücksichtigt. Dort hätten sich tatsächlich Schadstoffe in Muscheln und Pflanzen angereichert.[6]

Ist das Terminal eine Gefahr für Badegäste?


In direkter Nachbarschaft zu dem LNG-Terminal Wilhelmshaven liegen die Badeorte mit Badestränden in Hooksiel, Horumersiel und Schillig, etwas weiter entfernt auch auf der Nordseeinsel Wangerooge. Die Chemikalien im Zusammenhang mit dem Einsatz des Regasifizierungsschiffes Höegh Esperanza sollen neben Chloraten[6] auch bromhaltige Nervengifte[4] enthalten. Der Autor hier schickte im Oktober 2022 mehrere Anfragen an die Touristeninformationen dieser Region sowie der Insel Wangerooge, ob von den angedeuteten Nervengiften und dem Chlor eine Gefährdung für Badegäste zu befürchten sei. Die Wangerland Touristik GmbH gab in einer Mail vom Juni 2023 Entwarnung, ihr zufolge besteht "besteht [...] kein konkreter Anhaltspunkt zur Sorge, da das Projekt und damit auch die Überschreitung möglicher Grenzwerte engmaschig durch das Land kontrolliert wird." Als Beleg dient eine Informationsseite des Landes Niedersachsen, in dem auf die geringe Menge Chlor (0,2 mg/l) im Abwasser der Anlage verwiesen wird. Die zitierte Informationsseite[7] des Landes geht aber nicht auf andere Chemikalien wie etwa bromhaltige Nervengifte ein, die zum Beispiel von der deutschen Umwelthilfe ins Spiel gebracht wurden[4].

Woher kommt der Vorwurf der Lichtverschmutzung


Das Vergasungsschiff (Regasifizierungsanlage) Höegh Esperanza wird 24 Stunden am Tag und 7 Tage die Woche betrieben. Daraus ergäbe sich laut Betreiber die Notwendigkeit, das Schiff und den Pier rund um die Uhr hell auszuleuchten. Ein Artikel des Online-Dienstes Hooksiel-lief berichtete darüber[8]. Demnach sei die helle Ausleuchtung im Rahmen der Gesetzgebung. Das Gewerbeaufsichtsamt Oldenburg sehe keine Handlungsbedarf. Ds Licht der Höegh Esperanza wäre ohnehin nur Teil einer bereits sehr hellen Umgebung. Lichthelligkeitsmessungen sollen nun die Wirkung an verschiedenen Orten in der Einheit Lux messen. Naturschützer auf der Insel sahen Bedenken für Zugvögel aber auch andere Tiere, die sich nachts an Licht orientieren (etwa Insekten). Ein neues Licht in einer bisher eher dunklen Umgebung ist problematischer als in einer bereits hellen Umgebung[9]. Tatsächlich ist die Nachtbeleuchtung bis hin in über 20 Kilometer Entfernung auf der Insel Wangerooge als sehr hell wahrzunehmen. Das Licht überstrahlt damit das gesamte Wattenmeer. Es ist schwer vorstellbar, dass die enorme Lichtquelle ohne Störung für die Lebewelt und für Urlaubsgäste sein soll. Nirgends bisher (Stand Sommer 2023) wurde die Möglichkeiterwähnt, das Licht so abzuschirmen, dass ausschließlich die technischen Anlagen ausgeleuchtet werden. Siehe auch Lichtverschmutzung ↗

Informationen des Bundesumweltministeriums


Auf eine Anfrage bezüglich der möglichen Gefahr des Chlors und möglicher bromhaltiger Nervengifte hin schrieb das Bundesumweltministerium die folgende, durchaus weiterführende Antwort: „Da es sich dabei um eine Einschätzung der Situation bzw. Sachlage handelt und nicht um die Anforderung konkreter Umweltinformationen, weise ich darauf hin, dass ihre Anfrage nicht als UIG- oder IFG Anfrage betrachtet wird. Zunächst einmal weise ich darauf hin, dass der Vollzug des Umweltrechts eine Aufgabe der Bundesländer ist. Über die regionalen oder örtlichen Behörden wird entsprechend auch das Wasserrecht umgesetzt. Zu Ihrer Frage nach der „uneingeschränkten Unbedenklichkeit des Badens an Stränden“ kann ich daher nur auf diese Behörden verweisen und von hier aus leider keine Auskunft erteilen. Ich bitte auch um Verständnis, dass mir eine Einschätzung der lokalen Gegebenheiten mangels Ortskenntnis nicht möglich ist. Zur Frage der Badegewässerqualität weise ich noch auf die europäische Badegewässerrichtlinie hin, auf dessen Basis eine Einschätzung der Badegewässerqualität erfolgt. Die EU-Badegewässerrichtlinie wird direkt durch die Länder in Landesrecht umgesetzt, es existiert kein Bundesrecht hierzu. Inhaltlich sieht die Richtlinie dabei vor, dass über 2 mikrobiologische Parameter die Gewässerqualität bestimmt wird, nämlich die Parameter E. coli und Enterokokken als Indikator für fäkale Verunreinigungen von Badegewässern. Eine Bewertung chemischer Inhaltsstoffe ist nach der Badegewässerrichtlinie nicht vorgesehen.“ Das heißt: wenn ein Strand nach Badegewässerrichtlinie als unbedenklich gilt, kann er durchaus mit Giftstoffen in bedenklicher Menge belastet sein.

Fußnoten