R


Leutezug


Bergbau


Basiswissen


Als Leutezug bezeichnet man Aachener Steinkohlenrevier einen unter Tage fahrenden Zug zum Beförderung von Menschen, der sogenannten Fahrung. Neben dem Leutezug gab es auch Zuge zur Förderung von Kohlen und Bergen. Zum Leutezug sind hier kurz persönliche Erinnerungen geschildert.

1989, Emil Mayrisch


Im Winter 1989/1990 verbrachte ich als sogenannter Bergbaubeflissener drei Monate auf dem Steinkohlenbergwerk Emily Mayrisch in Siersdorf, nördlich von Aachen. Die Strecken, die man unter Tage bis zum jeweiligen Arbeitsort zurücklegen musste betrugen oft mehrere Kilometer. Lange Strecken wurden dabei oft im Leutezug zurückgelegt. Siehe auch Emil Mayrisch ↗

Im Leutezug ist es eng


Die Waggons der Leutezüge waren sehr eng und meist dicht besetzt. Man saß sich gegenüber, wobei die Beine dann wie in einem Reißverschluss mit den Beinen der gegenüber sitzenden Personen vernäht waren. Saß man neben großen Typen, war man fest zwischen Wand und Nachbar eingeklemmt. Die Decken waren so niedrig, dass man mit Helm mit aufrecht sitzen konnte. Der Ein- und Ausstieg erfolgte über eine kleine schmale Luke.

Der Leutezug war ruckelig


Die Schienenstränge der Gleise waren mit Lücken verlegt und nicht perfekt gerade. Ständige heftige Stöße und Ruckeleien waren völlig normal.

Tropische Schwüle, eisige Kälte


Die Gebirgsemperatur unter Tag lag bei rund 30 °C. Entsprechend warm wurden an vielen Orten auch die sogenannten Wetter, also Luftmassen unter Tage. Zusammen mit der Feuchte (Grundwasser) ergab sich eine oft tropisch-stickige Atmosphäre. Bereits nach kurzer Zeit körperlicher Arbeit war die Kleidung vom eigenen Schweiß durchtränkt. So trat man am Ende der Schicht die Rückfahrt zum Schacht an. Kam man dabei in Wetterströme, die frisch aus dem Schacht von über Tage angesogen waren, fiel die Temperatur oft schlagartig auf winterliche Werte (Dezember, Januar). Man begann zu frieren und saß dennoch unbeweglich im Leutezug. Siehe auch Bewetterung ↗

Alkohol im Zug


Es war eine Eigenart des Bergwerkes Emily Mayrisch, dass dort auch unter Tage große Mengen an Alkohol getrunken wurden. So saß ich einmal einen sehr dicken und großen Bergmann im Zug gegenüber. Wir kamen ins Gespräch und dann öffnete er seinen Wams (Jacke). In Innentaschen waren dann überall kleine Schnaps- oder Likörflaschen zu sehen. Von diesen nahm er bereits zu Beginn der Schicht einige zu sich und bot auch mir welche an. Das war alles ganz öffentlich und ohne jeden Versuch einer Vertuschung.

Ritual zum Schichtende


Je näher am Ende der Schicht der Schacht kam, desto erregter wurden viele der Kumpels im Leutezug. War der Zug dann langsam genug, sprangen viele der Kumpels feixend aus dem noch rollenden Waggon und drängelten sich im gespielten Wettkampf zum Korb. Der Korb war der Name für den "Fahrstuhl" mit dem man dann nach über Tage ausfuhr. Je nach Anzahl der Personen musste man mehrere Fahrten warten, bis man an der Reihe. Erfolgreiche Vordrängler waren damit auch früher im eigenen Feierabend. Eine große Rolle spielte das vor allem für Raucher, die während der Schicht unter Tage keine einzige Zigarette anrühren dürften. Die erste Handlung über Tage war dann das Anzünden einer Zigarette.

Gibt es heute noch Leutezüge?


Ja, auf vielen Bergwerken weltweit, die noch unter Tage fördern. In Mitteleuropa kann man selbst in einigen Besucherbergwerken noch mit Leutezügen fahren, etwa im sauerländischen Marsberg (Kupferbergbau). Siehe auch Ausflugtipps ↗


Die Unterschrift deutet an, dass dieser Artikel stark auch die persönliche Meingung des Autoren wiedergigbt.