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Genetisches Unternehmen


Spekulative Evolution


Definition


Als genetisch wird hier ein Unternehmen bezeichnet, das sehr weitgehend die evolutionären Optimierungsstrategien biologisch evoluierender Lebensformen nutzt. Das betrifft insbesondere die Ausbildung einer klaren Generationenfolge und einem Analogon zu einer biologischen Keimbahn. Das ist hier kurz vorgestellt.

Einführung


Unternehmen in einer Marktwirtschaft sowie lebende Organismen in einem Ökosystem unterliegen - ausreichend abstrahiert - beide ähnlichen Selektionsdrücken. Begriffe wie zum Beispiel Parasitismus, Mutualismus, Koevolution oder Symbiose lassen sich sinnvoll auf beide Betrachtungsbereiche anwenden. Man spricht treffenderweise etwa von ökologischen Nischen in der Biologie und Nischenprodukten in der Ökonomik. Hier werden mögliche - zukünftige - konvergenzte Evolutionen von biologischen Organismen und wirtschaftlichen Unternehmen hin zu analogen Phänotypen skizziert.

Die Idee einer konvergenten Evolution


Fische, Pinguine und Wale haben alle einen sehr ähnlichen, nämlich einen stromlinienförmigen Körperbau. Ihre Vorfahren hatten diese Körperbau jedoch überhaupt nicht. Die Vorfahren von Fischen waren wahrscheinlich wurmähnlich, die von Pinguinen fliegende Vögel und die von Walen eher hundeähnlich. Die Anforderung aber, im Wasser mit geringen Kraftaufwand schnell schwimmen zu können und dabei auch manövrierfähig zu bleiben ergab bei allen drei Tierarten einen letzendlich ähnlichen Körperbau. Die Evolution wirkte hier konvergent, das heißt zusammenführen. Das Ergebnis einer konvergenten Evolution heißt in der Evolutionsbiologie Analogie (Biologie) ↗

Große Populationen als Voraussetzung


Eine evolutionäre Optimierung im Sinne einer darwinistischen Evolution ist eine Art statistische Filterung, eine Trennung von günstigen und ungünstigen Merkmalen. Für das effektive Wirksamwerden solcher statistischen Filterprozesse ist eine ausreichend große Anzahl statistischer Objekte notwendig, einer Art Grundmenge. Bei einer zu kleinen Anzahl von Organismen (5 Vögel auf einer Insel) oder einer zu kleinen Anzahl von Unternehmen (2 Großanbieter in einem Land) können evolutive Mechanismen kaum oder gar nicht greifen. Was man benötigt ist eine ausreichend große Population ↗

Die Idee der Unternehmens-DNA


Der Begriff der Unternehmens-DNA in eng biologischer Analogie mit biologischer DNA gedacht steht für eine Kodierung von Merkmalen individueller Organismen. Die DNA kodiert dabei nicht direkt die Merkmale. Auf vielen Umwegen (Genexperimierung, Morphogenese, Epigenetik) entstehen aus den Genen die physikalischen und verhaltensbezogenen Besonderheiten eines Individuums. Wesentlich ist, dass die Gene einen physikalischen Code darstellen, der innerhalb einer Generationenfolgen kontrolliert weitergegeben werden kann. Als Vorformen (Präadaptationen) von genetischem Code könnte man zum Beispiel fest kodierte Unternehmensabläufe (QM, Zertifizierungen, Workflow-Software), Verhaltensregeln (Ethik), Betriebsanleitungen, Patente und derlei mehr betrachten. Im Sinne einer Generationenfolge könnten diese Codes dann dazu genutzt werden, die Entwicklung neuer Kinder-Unternehmen zu steuern (ökonomische Epigenetik). Siehe auch Unternehmens-DNA ↗

Eine Generationenfolge als Voraussetzung


In der biologischen Evolution sieht man, dass Individuen wie Viren, Bakterien oder Tiere ein eigenes größenmäßiges Wachstum irgendwann einstellen (Menschen bei etwa 1,60 bis 1,80 Meter Körperhöhe). Stattdessen wandeln sie Ressourcen eher um in die Erzeugung und Aufzucht von Nachkommen. Damit kommt es zu einem vermehrten (Bakterien) oder vollständigen (Tiere) absterben der Elterngeneration zugunsten einer nachfolgenden Kindergeneration. Man kann annehmen, dass die Preisgabe der individuellen Unsterblichkeit zugunsten einer Generationenabfolge evolutionäre Vorteile im Sinne einer heuristischen Optimierung von Merkmalen bringt. Das klassische und modellhafte Beispiel dafür ist der genetische Algorithmus. Eine Vorstufe einer solchen Generationenfolge kann man in Franchise-Unternehmen, Kettenunternehmen allgemein sehen.

Bakterielle Unternehmen?


Besonders bei Bakterien beobachtet man, dass DNA und damit Erbionformation nicht nur von einem Individuum auf eine Nachfolgeindividuum weitergegeben wird, sondern auch zwischen lebenden Individuen direkt ausgetauscht wird. Man spricht von einem horizontalen Gentransfer. Übertragen auf Unternehmen könnte ein ähnlicher Mechanismus bei der Weitergabe von erfolgsfördernden Merkmalen durch Unternehmensberater wirken oder auch bei der Sanierung von konkursbedrohten Unternehmen.

Die Idee der Dawkins-Drossel


Es ist eine bemerkenswerte Tatsache: von den Millionen der Zellen in einem tierischen Organismus gelangt nur jeweilst eine Ei- oder Spermazelle in die nächste Generation. Diese Zellen alleine gegeben die DNA weiter. Sollen Unternehmen in enger Analogie zu lebenden Organismen modelliert werden, dann könnte man erwarten, dass Unternehmen bei ihrer Vermehrung nicht etwa bestehende Mitarbeiter, Maschinen oder Kunden an ihrer Kinder-Unternehmen weitergeben sondern ausschließlich die genetische Information, gegebenenfalls unterstützt durch einige Startressourcen (analog einer Frucht oder einem Eikörper). Siehe dazu auch Dawkins-Drossel ↗

Genmischung, Mutation, Rekombination


Wesentlich für eine wirksame biologische-darwinistische Evolution ist die Mischung elterlicher DNA bei der Zeugung der DNA für ein Kinder-Unternehmen. Bei dieser Mischung wird die DNA der Eltern rekombiniert. Zudem treten vorher oder nachher auch Mutationen auf. Wie könnte diese Mischung elterlicher DNA in einem genetisch modellierten Wirtschaftsgeschehen aussehen? Es gibt bereits heute Unternehmensfusionen und auch Übernahmen. Dabei werden aber meist alle vorhandenen Unternehmensbestandteile verbunden oder übernommen. Bleibt man streng beim biologischen Vorbild, müsste es eine Art Paarung von Unternehmen geben, bei denen die Unternehmen aber nicht verschmelzen sondern nur ihre Unternehmens-DNA in irgendeiner Weise verbinden und diese "befruchtete" Unternehmens-DNA als Ausgang (Dawkins-Drossel) für ein Kinderunternehmen in die Welt entlassen.

Die Idee der Präadaptationen


Die hier geschildertem Merkmale eines hypothetischen Gen-Unternehmens existieren in einer mehr oder minder ausgeprägten Form schon jetzt in der Realität in Einzelfällen. Sie wirken aber noch nicht zusammen im Sinne einer strikt genetischen Fortpflanzung und evolutionären Optimierung von Unternehmen. Erst wenn sie zu einem Wirkungsgefüge zusammenfinden, "zündet" die genetische Evolution von Unternehmen. Eine solche vorab-Anpassung an später erst mögliche Nutzen nennt man in der Evolutionsbiologie eine Präadaptation ↗

Die Idee der ökonomisch-technologischen Ursuppe


Verschiedene Autoren[1] sehen in der gegenwärtigen Ökonomie die Vorstufen zukünftiger biologistischer Überlebensformen. Etablierte Schlagworte sind hier Global Brain, Metaman, Kybiont und Machina sapiens. Die gegenwärtige Ökonomie ist in solchen Sichten eine Art Ursuppe, voll mit Präadaptionen, aus denen früher oder später die prophezeihten Lebensformen entstehen werden. Siehe dazu auch Ursuppe (Technosphäre) ↗

Fußnoten