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Arbeitsteilung


Spekulative Soziologie


Definition


In der Wirtschaft und der Biologie: als Arbeitsteilung versteht man die organisierte Zusammenarbeit verschiedener Individuen oder Gruppen zur Erreichung eines gemeinsamen Zieles, wobei die einzelnen Individuen oder Gruppen nicht alle dieselben Tätigkeiten ausführen. Das wird hier kurz vorgestellt.

Arbeitsteilung steigert die Produktivität (Kernidee)


Das klassische Beispiel zur Arbeitsteilung ist die Herstellung von Nadeln in einer Schmiede. Der Ökonom Adam Smith beschrieb 1776 damit die große Effizienz, die sich so erreichen ließe: Die Herstellung von Nadeln (pins) besteht aus mindestens 18 Einzelschritten. Würde eine einzelne Person Nadeln in einer Schmiede herstellen, kämen sie auf wenige Exemplare pro Tag. Arbeitsteilig organisiert können aber 10 Personen pro Person bis zu 4800 Nadeln pro Person täglich herstellen. Jede Person vollführt dabei dabei nur einen einzelnen Arbeitsschritt, der sich ständig wiederholt. Das vollständige Zitat zur Smithschen Idee der Arbeitsteilung von 1776 steht im Artikel Adam Smith (Zitate) ↗

Arbeitsteilung in industriellen Fertigungsprozessen


Die konsequente Anwendung der Arbeitsteilung in Fabriken führte im frühen 20ten Jahrhundert zur industriellen Fließbandfertigung. Menschen standen ortsfest an einer Stelle und bekamen von Fließbändern Gegenstände vorgesetzt an denen sie tagein tagaus dieselben Handgriffe ausübten. Der Mensch war damit auf wenig mehr reduziert als eine roboterhafte Maschine. Als betriebswirtschaftliche Methode spricht man hier auch vom Taylorismus ↗

Arbeitsteilung in der Wissensarbeit


1942, im zweiten Weltkrieg, wurde in den USA das Manhattan Projekt geboren. Das Ziel war der Bau einer zündfähigen Atombombe. Zeitweilig arbeiteten an dem Projekt mehr als 150 Tausend Personen: Bauingenieure bauten Fabrikhallen, Chemiker trennten verschiedene Uransorten, Physiker studierten die Elementarteilchen, Mathematiker berechneten Wahrscheinlichkeiten, Aerodynamiker entwickelten die perfekte Bombenform, Soziologen und Militärstrategen die bestmöglichen Zielorte für einen Abwurf. Nach dem Krieg prägte Robert E. Lang den Begriff der Wissensgesellschaft. Ein wesentliches Merkmal ist die Professionalisierung der Produktion und des Umgangs mit Wissen. Als Pionier des Studiums von Wissensarbeit als Gemeinschaftswerk gilt der Pole Ludwik Fleck. Anhand seiner eigenen medizinischen Forschungen prägte er Begriffe wie Denkkollektiv, Denkstil und Denkzwang. Lies mehr unter Denkkollektiv ↗

Arbeitsteilung in indianischen Hochkulturen


Im Südwesten der USA, im Gebiet des heutigen Bundestaates Neu Mexiko, blühte in der Zeit von etwa 900 bis 1100 nach Christus eine indianische Hochkultur auf. Wie aus dem Nichts entwickelte sich eine Stammesgesellschaft hin zu einer städtischen bis fast staatlichen Lebensform. Der englische Wissenschaftsautor Roger Lewin vermutet, dass die Einführung von Arbeitsteilung der auslösende Faktor war[4]. Das ist näher vorgestellt im Artikel zur Chaco-Canyon-Kultur ↗

Arbeitsteilung führt zu Degeneration und Entfremdung


Wo Menschen arbeitsteilig organisiert werden, entsteht meist eine deutlich höhere Produktvität als würde jede Person alle Arbeitsschritte einzeln ausführen. Möglicherweise stand die Entstehung von frühen Hochkulturen (Ägypten, Sumer) damit in Verbindung. Doch mit der Arbeitsteilung einher geht eine Reduzierung des Menschen auf monotone immer gleichbleibende Abläufe. Das kann zu einer Abstumpfung des Geistes führen. Adam Smith selbst sah diese Gefahr und schrieb über die Arbeitsteilung: it can lead to "the almost entire corruption and degeneracy of the great body of the people. … unless the government takes some pains to prevent it."[1] Der französische Diplomat und Historiker Alexis de Tocqueville stimmte Smith zu und warnte: "Nothing tends to materialize man, and to deprive his work of the faintest trace of mind, more than extreme division of labor." Siehe dazu auch das Stichwort Entfremdung ↗

Soziale Differenzierung als gesellschaftliche Arbeitsteilung?


Das Wort Arbeitsteilung wird traditionell meist in enger Verbindung mit industriellen oder mikroökonomischen Prozessen verwendet: Fabrikarbeiter an einem Fließband oder Abteilungen in einem Unternehmen sind die klassischen Beispiele. Auf makroökonomischer Ebene (Volkswirtschaft) kann man die Ausbildung sozialer Milieus als Katalysator einer gesamtgesellschaftlichen Arbeitsteilung auffassen. Das Milieu der Seeleute beispielsweise ist spezialsiert für die Seefahrt, das Milieu der Juristen für die Rechtssprechung und das Milieu der Politiker für Bildung und Fokussierung kollektiven Willens. Diese Milieus grenzen sich oft auch räumlich gegeneinander ab. So gibt es etwa Arbeitersiedlungen und Akademikerviertel. Verschiedene Städte sind oft eng verbunden mit bestimmten Branchen, Stuttgart etwa mit Buchverlagen und Frankfurt mit dem Finanzwesen. Die Abbildung funktionaler Arbeitsteilung in räumliche Strukturen kann man deuten als eine Art Gewebebildung auf gesellschaftlicher Ebene. Verschiedene Autoren[5][6] spekulieren, dass Gesellschaften als Ganzes in enger Analogie zu biologischen Organismen organisiert sind. Dazu passend sind Begriffe wie Volkskörper[7] oder Staatsorgan[8]. Siehe mehr zu diesem Gedanken im Artikel soziale Differenzierung ↗

Arbeitsteilung in biologischen Organismen


Wie in menschlichen Gesellschaften höhere Komplexität mit Wirtschaftsmacht einherzugehen scheint, so weisen auch alle echten Mehrzeller und viele soziale Gruppen, etwa Ameisenstaaten[12] intern eine stärkere Arbeitsteilung auf. Das kann man schon bei Algen und Kolonien von Bakterien beobachten. In einem tierischen Körper, einem Organismus, ist die innere Arbeitsteilung dann meist sehr weitgehend. So sind manche Zellen nur auf die Weiterleitung elektrischer Signale spezialisiert, andere auf das Pumpen von Blut und wiederum andere auf die Abwehr von gefährlichen Mikroben. Eine frühe Stufe dieser Arbeitsteilung lässt sich bei den möglicherweise ersten echt mehrzelligen Tieren, den Schwämmen, schon deutlich erkennen. Schon im 19ten Jahrhundert fielen Analogien zwischen der Arbeitsteilung bei Staaten von Insekten und Staaten von Menschen auf[14]. In der Biologie, aber auch in den Sozialwissenschaften[15], ist die Idee der Arbeitsteilungen eng verbunden mit der Ausbildung von Organen und den Begriffen Gewebe und Differenzierung (Biologie) ↗

Soziointegrative Degeneration als letzte Konsequenz?


[2] Der polnische Autor Stanislaw prägte rund 150 Jahre nach Adam Smiths Gedanken zur Arbeisteilung den knappen Begriff der soziointegrativen Degeneration. Lems Idee war es, dass ein Kollektiv gerade dadurch effizienter wird, dass seine einzelnen Mitglieder degenerieren. Auf die industriell organisierte Arbeitsteilung trifft das ganz sicher zu. Siehe mehr zu Lems soziologischem Konzept im Artikel soziointegrative Degeneration (Soziologie) ↗

Fußnoten


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