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Achilles und die Schildkröte


Gedankenexperiment


Basiswissen


Ein schneller Läufer wird niemals eine langsame Schildkröte einholen können, wenn die Schildkröte beim Start einen Vorsprung bekommt. Diese Paradoxie ist hier kurz vorgestellt.

Grundgedanke


Der sportliche Achilles bietet einer Schildkröte ein Wettrennen an: Die Schildkröte bekommt einen großen Vorsprung. Gewonnen hat, wer zuerst die Ziellinie überschreitet. Der Alte Grieche Zenon argumentiert nun, dass Achilles die Schildkröte niemals überholen kann. Das Ergebenis der Argumentation ist offensichtlich falsch. Aber wo liegt der Fehler?

Das Paradoxon


Am Anfang ist die Schildkröte vor Achilles. Wenn Achilles gleich dort ist, wo die Schildkröte gerade war, dann ist diese schon ein Stückchen weiter gewandert. Dies Situation kann man aber wieder als Anfangssituation interpretieren und jetzt verallgemeinern: immer wenn Achilles dort ist, wo die Schildkröte gerade war, wird diese ein Stückchen weitergewandert sein. Da dieser Gedanke nirgends abbricht, wird Achilles die Schildkröte niemals überholen können.

Was ist die Kernfrage des Paradoxons?


Dass Achilles die Schildrkröte irgendwann überholen kann ist offensichtlich richtig. Das Paradoxon wirft die Frage nach dem Verhältnis von Gedankenwelten und der physikalisch realen Welt. Zenon nutzt die gedankliche Möglichkeit, dass man Zeiten und Raumstrecken immer wieder neu verkleinern kann. Er nennt keine kleinste Strecke oder Zeitdauer, die man in der Wirklichkeit nicht weiter unterschreiten kann. Die Frage ist dann: sind Entfernungen und Zeitdauern der Wirklichkeit beliebig klein stückelbar? Oder gibt es kleinste Raum- und Zeitatome, die sich physikalisch nicht weiter unterteilen lassen? Geht man von kleinsten Raum- und/oder Zeitelementen aus, spricht man von einem diskreten oder auch zellulären Universum. In diesem Fall würde das Paradoxon nicht auftreten, da Achilles und die Schildkröte irgendwann einmal auf demselben Raum-Zeit-Element stünden und im nächsten Schritt Achilles die Schildkröte überholt hätte. Solche fundamentalten Betrachtungen über das Wesen der Wirklichkeit behandelt die Ontologie (Philosophie) ↗

Was ist eine reductio ad absurdum?


Auf Deutsch: eine Zurückführung auf einen Widerspruch, etwas Absurdes. Der Grundgedanke ist, dass man etwas zunächst als wahr annimmt und dann mit Hilfe streng logischer Argumente daraus etwas offensichtlich Falsches herleitet. Zenon nimmt zunächst als wahr an, dass Achilles und die Schildkröte sich bewegen und dass die Bewegungsabschnitte sowol räumlich wie auch zeitlich beliebig fein gestückelt werden können. Diese zunächst akzeptabel Annahmen führt er dann zu einem offensitlich falschem Schluss. Siehe auch reductio ad absurdum ↗

Was ist ein infiniter Regress?


Als unendlichen oder auch infiniten Regress bezeichnet man ein logisches Konstrukt, dass sich ständig neu selbst aufruft und wiederholt und dabei nie zu Ende kommt. Das Gedankenexperiment von Achilles und der Schildkröte ist ein klassisch infiniter Regress ↗

Was ist eine Aporie?


Zenons Paradoxon zählt zu den Aporien, den unlösbare oder schwer lösbare Fragen im Grundsätzlichen. Weitere Beispiele stehen unter Aporien ↗

Was hat das mit reellen Zahlen zu tun?


Wären als Positionen nur ganze Kästchen, etwa wie beim Spiel Mensch ärgere Dich nicht, zugelassen sind, kann es keine unendlich feine Stückelung von Strecken und Zeiten geben. Dieses Problem tritt erst auf, wenn man rationale oder reelle Zahlen zur Beschreibung von Strecken und Zeiten zulässt: indem man dann von unendlich kleinen Zahlenabständen spricht, kann man auch von unendlich kleinen Strecken und Zeiten sprechen. Damit lässt sich dann die Paradoxie konstruieren. Siehe auch reelle Zahl ↗

Was ist die Infinitesimalrechnung?


Isaac Newton und Gottfried Wilhelm Leibniz entwickelten im späten 17ten Jahrhundert beide unabhängig voneinander eine Mathematik, die mit unendlich kleinen Zahlen, den sogenannten Infinetismalen, arbeitete. Obwohl die neuen Rechenweisen praktisch extrem erfolgreich waren, ließen sie sich nicht sauber und streng definieren. Unter anderem konnten sie nicht erfolgreich auf Paradoxoien wie jenes von Achilles und der Schildkröte angewandt werden. Die Idee unendlich kleine Zahlen wurde dann im Laufe der Geschichte der Mathematik aufgegeben und später ersetzt durch die Idee eines Grenzwerts. Zur Historie siehe auch Infinitesimalrechnung ↗

Die geometrische Reihe als Lösung?


Als übliche Lösung wird heute die Idee der geometrischen Reihe genannt: es wird rein mathematisch gezeigt, dass die unendlich vielen Streckenabschnitt, die Achilles bis zum Einholen der Schildkröte benötigt, letztendlich einen festen und endlichen Zahlenwert ergibt. Dieser weit verbreitete Lösungsvorschlag verfehlt aber den Kern von Zenons Argument. Zenon hat nicht behauptet, dass unendlich viele Summanden auch immer eine unendlich große Zahl ergeben müssten. Der Idee einer geometrischen Reihe mit endlich Summe hätte er wahrscheinlich nicht widerspruchen. Zenon hat aber behauptet, dass es keine Stelle in seinem Gedankgengang gibt, an der er mit guter Begründung abgebrochen werden kann. Die unendliche Anzahl von Einzelschritten ließe sich nach Zenon nicht vollständig hintereinander ausführen. Als Computersimulation würde es zu einer Endlosschleife ohne Abbruchkriterium führen. Zur Mathematik siehe auch Geometrische Reihe ↗

Interne Mengenlehre als Lösung?


Eine zweite Lösungsvariante schlägt der 1935 geborene Mathematiker McLaughlin (Caltechn, California) vor. Er weist die Beweise aufgrund geometrischer Reihen (siehe oben) zurück. Stattdessen schlägt er vor, den um 1977 exakt definierten historischen Begriff des Infinitesimalen zu nutzen[1].

Fußnoten