R


Aberglaube


Irrglaube


Definition


Beim Anblick einer Sternschnuppe gedachte Wünsche gehen oft in Erfüllung: als Aberglaube bezeichnet man Annahmen über das Wirken übernatürlicher Wesen oder Kräfte, meist in irdisch-menschlichen Angelegenheiten, die man selbst für nicht zutreffend hält.

Aberglauben als Ausschmückung eines Weltbildes


In der Einleitung zu seinem Buch über den Aberglauben im damaligen Herzogtum Oldenburg charakterisiert der Autor Ludwig Strackerjahn (1825 bis 1881) den Aberglauben des Volkes unter anderem darüber, dass es die Idee einer von Gott wohl erschaffenen Welt ausschmückt: "Wir haben es im Folgenden mit dem Aberglauben im christlichen Volke zu tun. Nach Lehre des Christentums ist der Endzweck der Erschaffung der Welt die Offenbarung der Vollkommenheiten Gottes. Die leblosen und lebenden unvernünftigen Geschöpfe sollen diese Vollkommenheiten unbewußt verkünden, der vernünftige Mensch bewußt und frei. Zu dem Ende lenkt und ordnet der Schöpfer alles so, daß dieser Zweck erreicht wird. Deshalb heißt es in einem bekannten Liede: Nichts geschieht von ungefähr, Alles kommt von oben her. Das ist die Vorsehung. Der Aberglaube stellt nun neben diese Vorsehung eine zweite, ihm genügt die erste nicht. Er will sich damit nicht in einen Gegensatz zu dieser stellen, er will sie vielmehr ausbauen, ergänzen. Einmal läßt er Gesetze und Kräfte walten, die das Christentum nicht kennt und Vernunft und Erfahrung verwerfen (Vorbedeutung, Zauberei, Vor-, Nachspuk), er gaukelt uns Feinde vor, die vernünftiger Weise nicht existieren können (karrikierte Teufel und dessen Verbündete: Hexen, Walridersken, Wehrwölfe usw.). Ein andermal heftet er sich an die Wirklichkeit, an Zahlen und Zeiten, an die Gestirne des Himmels, an Feuer und Licht, an Pflanzen und Tiere, er stellt sich ein bei den Festen des Jahres, bei den wichtigsten Vorfällen im Leben des Menschen, er beeinflußt die Sagen, die Volkslieder und Spiele, die Märchen und Schwänke, welche im Volke gehen.[3]"

Die Flacherde als Stütze des christlichen Glaubens


Besonders interessant in Strackerjahns Buch über den Aberglauben im 19ten Jahrhundert ist eine kurze kosmologie Beschreibung der Erde als flache Scheibe: "Die Erde ist eine große flache Scheibe und treibt auf dem Wasser (Saterld.) Über ihr wölbt sich der Himmel, an welchem sich Sonne, Mond und Sterne als um ihren Mittelpunkt drehen." Der Hinweis "Saterld." bezieht sich wahrscheinlich auf das Saterland, eine Gegend nahe der Ems. Bemerkenswert ist hier, dass fast zeitlich zu Strackerjahns Buch über den Aberglauben seiner Heimat in England ein Buch erschien, das genau diese Weltsicht, nämlich von einer Flacherde, mit dem Anschein von Wisssenschaftlichkeit auf über 200 Seiten ausarbeitet[4]. Die ganze Argumentation des Buches läuft darauf hinaus, dass die Newtonsche Physik und Kosmologie grundlegend falsch sind, und dass im Umkehrschluss dann die Bibel recht haben muss. Siehe dazu auch den Artikel Flacherde (Rowbotham) ↗

Nutzen von Aberglaube


In einer Gegend Afrikas überquerten die Menschen häufig einen kleinen Wasserlauf. Für eine bestimmte Stelle galt die Empfehlung, dass man den Bach nur mit wilden Tanzbewegungen oder stark hüpfend überqueren sollte.[1] Damit würden böse Geister verwirrt oder gute Geister angerufen. Hielt man sich nicht daran, drohten Krankheit und Tod. Was zunächst wie Aberglaube aussah, hatte jedoch einen sehr realen Hintergrund: an der Stelle waren Malaria-Mücken häufig. Durch die Tanzbewegungen konnten sie nicht so leicht auf Menschen landen und diese infizieren. Was hier zunächst wie Aberglaube aussah hatte seine Berechtigung als unbewusste Intuition ↗

Fußnoten