Rotation eines Vektorfeldes
Physik
Basiswissen
Die Rotation eines Vektorfeldes hängt anschaulich eng mit Wirbeln[1], Winkelgeschwindigkeiten[2] und der Rotation von Probekörpern um sich selbst in einem Strömungsfeld[3] von Flüssigkeiten[4] zusammen. Das ist hier mit Rechenbeispielen erklärt.
Einführung
Die Rotation von Vektorfeldern wird unter anderem zum Berechnen der Bewegung von Flüssigkeiten[4] und Gasen sowie auch zur Berechnung von elektromagnetischen Feldern eingesetzt. Während die Berechnung zwar aufwändig aber prinzipiell einfach ist, bereitet die anschauliche Deutung oft Verwirrung. Um zu verstehen, was Rotation (englisch: curl) anschaulich meint, muss man beachten, dass die Rotation eine lokale Eigenschaft eines Punktes im Raum ist[6] und nicht eines ganzen Bereiches oder Feldes von Vektoren. Jeder Punkt eines Vektorfeldes kann seine eigene Rotation haben. Das kann zu der scheinbaren Paradoxie führen, dass eine Gruppe von Vektoren, die wie bei einem Wirbelsturm optisch gegen den Uhrzeigersinn rotieren rechnerisch überall eine Rotation im Uhrzeiger oder sogar keine Rotation haben. Die Erklärung hier beginnt mit der Berechnung der Rotation.
Notation der Rotation eines Vektorfeldes
- Angenommen A steht für ein beliebiges Vektorfeld in einem dreidimensionalen Raum.
- Man kann zur Verdeutlichung noch einen Pfeil nach rechts über A setzen.
- Die Ausdrücke rot(A) oder auch ∇ × A stehen für die Rotation des Vektorfeldes
- Das umekehrte Dreieck ∇ ist der sogenannte Nabla-Operator ↗
- Das Kreuz × steht für das sogenannte Kreuzprodukt ↗
Berechnung der Rotation eines Vektorfelds formal
- Wenn R das zu berechnende Vektorfeld der Rotation des gegebenen Feldes A ist, dann gilt:
- Rx = ∂Az/∂y - ∂Ay/∂z
- Ry = ∂Ax/∂z - ∂Az/∂x
- Rz = ∂Ay/∂x - ∂Ax/∂y
Wofür steht zum Beispiel ∂Ay/∂x?
- ∂Ay/∂x heißt, dass man den Term für die y-Koordinate des gegebenen Vektorfeldes A nach x ableiten soll.
- Angenommen der Term für y-Koordinate des gegebenen Vektorfeldes sei 2x²y.
- Dann ist das abgeleitet nach x der Term 4xy.
- Wenn nach x abgeleitet werden soll, behandelt man alle anderen Variablen wie eine Konstante.
- Deshalb wurde im Beispiel hier das y wie eine Konstante Zahl behandelt.
- Zum Hintergrund dazu siehe partielle Ableitung ↗
Berechnung der Rotation eines Vektorfelds in Worten
- Die x-Koordinate des gesuchten Vektorfeldes ist gleich der z-Koordinate des gegebenen Feldes abgeleitet nach y vermindert um die y-Koordinate des gegebenen Feldes abgeleitet nach z.
- Die y-Koordinate des gesuchten Vektorfeldes ist gleich der x-Koordinate des gegebenen Feldes abgeleitet nach z vermindert um die z-Koordinate des gegebenen Feldes abgeleitet nach x.
- Die z-Koordinate des gesuchten Vektorfeldes ist gleich der y-Koordinate des gegebenen Feldes abgeleitet nach x vermindert um die x-Koordinate des gegebenen Feldes abgeleitet nach y.
Rechenbeispiel I zur Rotation eines Vektorfeldes
- Gegeben ist das Vektorfeld A:
- Ax(x,y,z) = 2xy²+4z³
- Ay(x,y,z) = 2x²y
- Az(x,y,z) = 12xz²
- Das Ergebnis rot(A) ist:
- rot(A)x = ∂(12xz²)∂y - ∂(2x²y)/∂z = 0 - 0 = 0
- rot(A)y = ∂(2xy²+4z³)∂z - ∂(12xz²)/∂x = 12z² - 12z² = 0
- rot(A)z = ∂(2x²y)∂x - ∂(2xy²+4z³)/∂y = 4xy - 4xy = 0
Rechenbeispiel II zur Rotation eines Vektorfeldes
- Gegeben ist das Vektorfeld A:
- Ax(x,y,z) = 2x²y+4z³
- Ay(x,y,z) = 2x²y
- Az(x,y,z) = 12xz²+x²y²
- Das Ergebnis rot(A) ist:
- rot(A)x = 2x²y
- rot(A)y = -2xy²
- rot(A)z = 0
Rechenbeispiel III zur Rotation eines Vektorfeldes
- Gegeben ist das Vektorfeld A:
- vx= -y
- vy= x
- vz= 0
- Das Ergebnis rotA) ist:
- rot(A)x = 0
- rot(A)y = 0
- rot(A)z = 2
- Gegeben ist das Vektorfeld A:
- vx = -y/(x²+y²)
- vy = x/(x²+y²)
- vz = 0
Rechenbeispiel IV zur Rotation eines Vektorfeldes
- Das Ergebnis rot(A) ist:
- rot(A)x = 0
- rot(A)y = 0
- rot(A)z = 0
Rechenbeispiel V zur Rotation eines Vektorfeldes
- Gegeben ist das Vektorfeld A:
- vx = x
- vy = y
- vz = 0
- Das Ergebnis rot(A) ist:
- rot(A)x = 0
- rot(A)y = 0
- rot(A)z = 0
Rechenbeispiel VI zur Rotation eines Vektorfeldes
- Gegeben ist das Vektorfeld A:
- vx = x
- vy = -y
- vz = 0
- Das Ergebnis rot(A) ist:
- rot(A)x = 0
- rot(A)y = 0
- rot(A)z = 0
Rechenbeispiel VII zur Rotation eines Vektorfeldes
- Gegeben ist das Vektorfeld A:
- vx = x-y
- vy = x
- vz = 0
- Das Ergebnis rot(A) ist:
- rot(A)x = 0
- rot(A)y = 0
- rot(A)z = 2
Rechenbeispiel VIII zur Rotation eines Vektorfeldes
- Gegeben ist das Vektorfeld A:
- vx= 4
- vy= 0
- vz= 0
- Das Ergebnis rot(A) ist:
- rot(A)x = 0
- rot(A)y = 0
- rot(A)z = 0
Rechenbeispiel IX zur Rotation eines Vektorfeldes
- Gegeben ist das Vektorfeld A:
- vx= 4·x⁻²
- vy= 4·y⁻²
- vz= 0
- Das Ergebnis rot(A) ist:
- rot(A)x = 0
- rot(A)y = 0
- rot(A)z = 0
Rechenbeispiel X zur Rotation eines Vektorfeldes
- Gegeben ist das Vektorfeld A:
- vx = x²
- vy = y²
- vz = z²
- Das Ergebnis rot(A) ist:
- rot(A)x = 0
- rot(A)y = 0
- rot(A)z = 0
Rechenbeispiel XI zur Rotation eines Vektorfeldes
- Gegeben ist das Vektorfeld A:
- vx = z²
- vy = x²
- vz = y²
- Das Ergebnis rot(A) ist:
- rot(A)x = 2y
- rot(A)y = 2z
- rot(A)z = 2x
Rechenbeispiel XII zur Rotation eines Vektorfeldes
- Gegeben ist das Vektorfeld A:
- vx = z
- vy = x
- vz = y
- Das Ergebnis rot(A) ist:
- rot(A)x = 1
- rot(A)y = 1
- rot(A)z = 1
Rechenbeispiel XIII zur Rotation eines Vektorfeldes
- Gegeben ist das Vektorfeld A:
- vx = 1/y
- vy = 0
- vz = 0
- Das Ergebnis rot(A) ist:
- rot(A)x = 0
- rot(A)y = 0
- rot(A)z = 1/y²
Rechenbeispiel XIV zur Rotation eines Vektorfeldes
- Gegeben ist das Vektorfeld A:
- vx = x²y²z²
- vy = x²y²z²
- vz = x²y²z²
- Das Ergebnis rot(A) ist:
- rot(A)x = 2yx²z²-2zy²x²
- rot(A)y = 2zx²y²-2xy²z²
- rot(A)z = 2xy²z²-2yx²z²
Veranschaulichung der Rotation mit dem Mini-Kugel-Modell
Zur Veranschaulichung der Rotation (englisch curl) stelle man sich irgendein Vektorfeld vor, idealerweise in drei Dimensionen. Um ein anschauliches Bild zu erhalten, kann man das Vektorfeld dann als Strömung einer Flüssigkeit[4] oder eines Gases deuten. Die Vektoren zeigen an jedem Punkt des Feldes dann in die Richtung der Strömung. Je länger ein Vektor, desto stärker ist die Strömung dort. Nun befestigt man gedanklich eine Kugel mit ihrem Mittelpunkt irgendwo an einem Punkt in dem Vektorfeld[5]. Die Kugel kann sich frei in jede Richtung um ihren Mittelpunkt drehen. Die Lage ihres Mittelpunktes aber ist fest, sie kann sich nicht von ihrem Aufenthaltsort fortbewegen. Die Oberflfäche dieser gedachten Kugel sei rauh. Damit kann die Strömung die Kugel in Rotation versetzen. Wenn sich eine beliebig klein gedachte Kugel in einem Vektorfeld tatsächlich anfängt zu drehen, dann liegt an ihrem Mittelpunkt auch Rotation vor.
Das Induktionsgesetz in der Sprache der Vektoranalysis
Das Induktionsgesetz, die dritte der vier maxwellschen Gleichen der Elektrodynamik, wird oft in der Sprache der Vektoranalysis formuliert: ∇ × E = -∂B/∂t. Das E steht dabei für ein elektrisches Feld und das B für ein magnetisches Feld. Das negative Vorzeichen gibt die Lenzsche Regel wieder. In Worten formuliert kann man sagen: jede zeitliche Änderung (∂t) eines Magnetfeldes (B) führt zu einem elektrischen Wirbelfeld ∇ × E[6]. Siehe auch Induktionsgesetz ↗
Fußnoten
- [1] Rotation als Wirbeldichte: "Die Rotation ist ein Maß für die Wirbeldichte eines Vektorfeldes." In: Dr. Dirk Hecht: Gradient, Divergenz und Rotation - ganz kurz. Institut für Allgemeine Elektrotechnik. Universität Rostock. November 2020
- [2] Rotation als Winkelgeschwindigkeit: "Die Rotation eines Strömungsfeldes gibt für jeden Ort das Doppelte der Winkelgeschwindigkeit an, mit der sich ein mitschwimmender Körper dreht („rotiert“)." In: Rotation eines Vektorfeldes. Wikipedia. Abgerufen am 22. November 2023. Online: https://de.wikipedia.org/wiki/Rotation_eines_Vektorfeldes
- [3] Rotation als Eigenrotation: "Fassen wir das Feld als Geschwindigkeitsfeld eines Fluids auf. Wirft man jetzt einen winzig kleinen Korken in die zu untersuchende Strömung, dann wird sich dieser Korken um seine eigene Achse drehen mit einer Winkelgeschwindigkeit, die der Hälfte des Betrags von rot(v) entspricht." In: Georg Brunner: Vektoranalysis 1. ETH Zürich. Abgerufen am 22. November 2023. Online: https://n.ethz.ch/~brunnerg/Analysis%20II/Serie%2018.pdf
- [4] Lothar Papula: Mathematik für Ingenieure und Naturwissenschaftler. Ein Lehr- und Arbeitsbuch für das Grundstudium. Band 3. 14. Auflage, 2019. ISBN: 978-3-658-11923-2. Verlag Springer Vieweg. Dort das Kapitel 5.2 "Rotation eines Vektorfeldes" ab Seite 79: "Die Bezeichnung Rotation stammt aus der Hydrodynamik und beschreibt dort die Bildung von Wirbeln (geschlossene Feldlinien bei Geschwindigkeitsfeldern strömender Flüssigkeiten)." Siehe auch Der Papula ↗
- [5] Rotation als Drehung einer ortsfesten Kugel (Wikipedia): "Suppose the vector field describes the velocity field of a fluid flow (such as a large tank of liquid or gas) and a small ball is located within the fluid or gas (the centre of the ball being fixed at a certain point). If the ball has a rough surface, the fluid flowing past it will make it rotate. The rotation axis (oriented according to the right hand rule) points in the direction of the curl of the field at the centre of the ball, and the angular speed of the rotation is half the magnitude of the curl at this point." Abgerufen am 16. Dezember 2023. Online: https://en.wikipedia.org/wiki/Curl_(mathematics)
- [6] Rotation als Drehung einer mitschwimmenden Kugel (Klaus Weltner): "Ein anschauliches Beispiel für die Kennzeichnung eines Vektorfeldes F durch seine Rotation liefert eine Wasserströmung. Die Wasserströmung wird durch das Geschwindigkeitsfeld ∇(x,yz,z) beschrieben. Da die Geschwindigkeit üblicherweise ∇ genannt wird, tritt hier ∇ die die Stelle von F. Wir werfen eine Kugel in die Strömung. Die Dichte der Kugel sei genau so groß wie die Dichte des Wassers, so daß die Kugel in der Wasserströmung schwebt. Gibt es Wirbel in der Störmung, ist also rot ∇ nicht überall Null dann beginnt die Kugel sich zu drehen. Die Rotationsache, die natürlich ihre Orientierung von Ort zu Ort verändern kann, gibt die Richtung von rot ∇ an. Die Wirbelgeschwindigkeit in Bezug auf dei Drehachse ist proportional zum Betrag von rot ∇." In: Klaus Weltner: Mathematik für Physiker. Basiswissen für das Grundstudium der Experimentalphysik. Lehrbuch Band 2. 8. verbesserte Auflage. Frierich Vieweg & Sohn. Braunschweig, Wiesbaden. 8. verbesserte Auflage 1988. ISBN: 3-528-73052-8.
- [7] Rotation als Entsprechung einer Ableitung: "When the vector field is two or three-dimensional, the curl is the analogue of the derivative that we are looking for" sowie: "The curl of a vector field measures the rate that the direction of field vectors “twist” as x and y change. Imagine the vectors in a vector field as representing the current of a river. A positive curl at a point tells you that a “beach-ball” floating at the point would be rotating in a counterclockwise direction. A negative curl at a point tells you that a “beach-ball” floating at the point would be rotating in a clockwise direction. Zero curl means that the “beach-ball” would not be rotating. Below we see our “beach-ball” with two field vectors." Unklar ist bei dieser Definition, ob der bildhafte Ball ortsfest "treibt (float)" oder mit dem Wasser mitschwimmen soll. Weiter heißt es zu einem zweidimensionalen Vektorfeld: "In essence, the scalar curl measures how the magnitude of the field vectors change as you move to the right, in a direction perpendicular to the direction of the field vectors". Abgerufen am 2. Januar 2024. Online: https://ximera.osu.edu/mooculus/calculus3/greensTheorem/digInCurlAndGreensTheorem