Außenwelthypothese
Physik
Basiswissen
Die Idee einer Welt außerhalb unseres Bewusstseins: eine solche Welt außerhalb des Bewusstseins ist zunächst nur eine zweckmäßige Annahme, eine Hypothese[10]: für die meisten Menschen gilt es als offensichtlich, dass es eine Welt außerhalb unseres Bewusstseins gibt: ein Stein fällt auf den Fuß und tut weh. Den Stein gibt es wirklich. Doch tiefere Analysen zeigten immer wieder, dass es erhebliche theoretische Probleme mit der Vorstellung einer an sich existierenden Welt aus Materie ohne Beobachter gibt. Diese Vorsicht drückt man aus mit dem Wort Außenwelthypothese.
Traumwelt
Bereits von der griechischen Antike ist uns die Frage überliefert, ob die Welt vielleicht nur in unserer inneren Einbildung existiert. Vielleicht ist sie nur ein Traum oder von einem Gott erzeugte Vorstellung und besteht für sich alleine gar nicht? Diese Vermutung hat in der Philosophie und Erkenntnistheorie den Namen Berkeley-Frage ↗
Außenwelt
Die gegenteilige - und scheinbar naheliegende - Annahme, dass nämlich die Welt tatsächlich für sich alleine existiert und weder Götter noch unser Bewusstsein braucht, diese Idee nennt man die Außenwelthypothese, früher auch gleichgesetzt mit der philosophischen Position des Realismus[8]. Sie bildet eine der Grundannahmen eines naiven Physikverständnisses. Klar enthalten ist die Hypothese beispielweise in Renes Descartes Idee einer res extensa ↗
Unwiderlegbar
Aussagen, dass die Welt für sich nicht existiert oder doch sind weder durch Beobachtungen noch durch Experimente überprüfbar. Versuche diese Frage empirisch zu beantworten sind deshalb nicht naturwissenschaftlich, sie gehören ins Gebiet der Metaphysik ↗
Außenweltaxiom wäre treffender als Außenwelthypothese
Eine Hypothese ist eine Aussage für die man zumindest theoretisch angeben kann, wie man ihre Gültigkeit überprüfen können. Das trifft auf die Außenwelthypothese nicht zu. Es gibt zur Zeit keine Idee zur Überprüfung ihrer Gültigkeit. Eine feste Annahme, die man aber nicht empirisch überprüfen muss nennt man ein Axiom ↗
Immanuel Kant
Der Philosoph Immanuel Kant (1724 bis 1804) beschäftigte sich mit der Frage, inwiefern unsere Sinneseindrücke Erkenntnisse über die Objekte einer realen Außenwelt liefern können. Seine Philosophie ist insofern dualistisch als er eine Welt der Wahrnehmungen von einer Welt der existierenden Dinge abtrennt. Lies auch unter Ding an sich ↗
Ernst Mach
Der österreichische Physiker Ernst Mach (1838 bis 1916) fasste im 19ten Jahrhundert Probleme mit der Außenwelthypothese in einem Buch zusammen. Gleichzeitig entwarf er die Grundlinien einer Physik, die ganz auf die Annahme für sich alleine existierender materieller Gegenstände verzichtet. Viele Quantenphysiker des frühen 20ten Jahrhunderts sahen in Mach einen Wegbereiter ihrer Forschungen. Siehe auch Ernst Mach ↗
Franz Serafin Exner
Der österreichische Physiker Franz Serafin Exner (1849 bis 1926) erkennt als sicher nur unsere Sinneseindrücke an: "Die Welt der Empfinden in uns ist das unmittelbar Gegebene[2, Seite 281]". Daraus auf eine sie verursachende Außenwelt zu schließen hält er für logisch nicht zwingend, aber für "eine Theorie, die wir notgedrungen aufstellen, ohne deren Annahme aber jede menschliche Forschung überflüssig erscheinen müsste[2, Seite 282]". Der Naturforscher aber "weiß, daß jede Erkenntnis, auch die exakteste, in letzter Linie eine Theorie bleibt, die wie z. B. die Sätze der Mathematik, nur für denjenigen Gültigkeit besitzen, der gewisse Annahmen, Axiome, ohne weiteren Nachweis als richtig anerkennt. Wer die fundamentalen Axiome der Planimetrie leugnet, mit dem können wir uns über diesen Gegenstand überhaupt nicht verständigen[2, Seite 282]." Einen solchen Standpunkt nennt man auch Pragmatismus ↗
Quantenphysik und Probleme mit der Außenwelt
In den 1920er Jahren führten die Ergebnisse quantenphysikalischer Versuche den Begriff der klassischen Materie endgültig an seie Grenzen. Es wurde zunehmend unmöglich, reale Materiebausteine anzunehmen, die sch auch nur ansatzweise wie „vernünftige“ in einem klassischen Sinn verhält und dabei zu den Versuchsergebnissen passt. Typische Probleme mit dem Materiebegriff gärten in der Physik seit dem 17ten Jahrhundert, zum Beispiel in Form des Welle-Teilchen-Dualismus des Lichts (Doppelspaltexperiment). Eine Steigerung der Problematik brachte das sogenannte Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon, kurz EPR. Siehe beispielhaft zur Problematik der realen Außenwelt im Artikel EPR ↗
Eine digitale Physik als Lösung?
Schon kurz nach dem zweiten Weltkrieg soll der Computerpionier Konrad Zuse die Idee gehabt haben, dass das Universum als Ganzes ein digitaler, mit endlichen Zahlen rechnender Raum sein könnte. Zuse entwickelte dazu in einem kleinen Buch physikalisch und mathematisch anspruchsvolle Beispiele[5]. Später wurde die Idee weiter ausgearbeitet[6]. Ein Überbegriff für die Vorstellung eines computerähnlich arbeitenden Universums ist digitale Physik ↗
Fußnoten
- [1] Ernst Mach: Die Analyse der Empfindungen und das Verhältnis des Physischen zum Psychischen. Ersterscheinung: 1886.
- [2] Franz Serafin Exner: Vorlesungen über die physikalischen Grundlagen der Naturwissenschaften. Deuticke, Wien 1919, OBV. Hier speziell die Kapitel 37: Realität der Außenwelt. Summe der Materie in der Welt. Seite 287 bis 293 sowie die 82. bis 84. Vorlesung zum Farbempfinden, Seite 614 bis 645.
- [3] Roberto Horácio de Sá Pereira: Aussenwelt-Skeptizismus. Eine sprachanalytische Behandlung. 1993. 256 Seiten. ISBN: 3-89191-722-8.
- [4] Katrin Grünepütt: Realität der Außenwelt. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Schwabe Veralg, Basel. DOI: 10.24894/HWPh.3448
- [5] Konrad Zuse: Rechnender Raum. Braunschweig: Friedrich Vieweg & Sohn. 1969. 70 Seiten. Siehe auch rechnender Raum ↗
- [6] G. E. Moore: Proof of the External World. 1959
- [7] Bertrand Russell: Our Knowledge of the External World. 1914.
- [8] "Realismus ist, im Gegensatz des Idealismus, die Lehre, welche annimmt, daß außer unsern Vorstellungen und unabhängig von denselben wirkliche Dinge vorhanden seien. Dieser Lehre, welche das Gefühl für sich hat, steht nicht der Sceptizismus (dessen Wesen im Nichtentscheiden besteht) sondern der Idealismus gegenüber. Dieser läugnet nehmlich nicht nur die Wirklichkeit des Raums, sondern auch das Dasein der von uns im Raume vorgestellten äußern Dinge, und hält geistige Wesen und ihre Thätigkeiten – oder bloß die Letztern für das einzige Wirkliche; es sei nun daß jene Geister-Intelligenzen alle ihre Vorstellungen von dem höchsten Geiste erhalten (wie Malebranche und Berkeley lehrten), oder daß diese geistigen Thätigkeiten alle Vorstellungen als ihre Sphäre, nach nothwendigen und unerklärlichen Gesetzen selbst hervorbringen (nach dem Fichtischen System des transscendentalen Idealism). Das Dasein einer Außenwelt oder wirklicher für sich bestehender Dinge außer unserm Gemüthe wird von dem Realismus auf verschiedene Art erklärt." In: Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 4. Amsterdam 1809, S. 84-85. Online: http://www.zeno.org/nid/20000766771
- [9] Akosmismus als Zweifel an der Realität der Außenwelt: "Akosmismus (aus dem Gr. gebildet), Weltlosigkeit, Leugnung der Welt, kann man sowohl den Pantheismus nennen, wenn er das All ganz in Gott aufgehen läßt (Eleaten, Spinoza), während er im umgekehrten Falle zum Atheismus wird, als auch den absoluten Idealismus, der die Realität der Außenwelt leugnet (Fichte), als auch endlich den Spiritualismus, der alles körperliche als Produkt des Geistes ansieht (Berkeley)." In: Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 1907, S. 30. Online: http://www.zeno.org/nid/20003576744
- [10] Erwin Schrödinger über die Außenwelthypothese: "Damit [mit dem Begriff der Objektivierung] meine ich genau dasselbe, was auch oftmals die Hypothese der realen Außenwelt genannt wird. Ich behaupte, es handelt sich dabei um eine gewisse Vereinfachung, die wir einführen, um das unerhört verwickelte Probleme der Natur zu meistern. Ohne es uns ganz klarzumachen und ohne dabei immer ganz streng folgerichtig zu sein, schließen wir das Subjekt der Erkenntnis aus aus dem Bereich dessen, was wir an der Natur verstehen wollen. Wir treten mit unserer Person zurück in die Rolle eines Zuschauers, der nicht zur Welt gehört, welch letztere eben dadurch zu einer objektiven Welt wird." Quelle: Erwin Schrödinger. Geist und Materie. Friedrich Vieweg und Sohn, Braunschweig. 1961. Deutsche Übersetzung der Tarner Lectures abgehalten am Trinity College, Cambridge, England, im Oktober 1956. Siehe auch Objektivierung ↗
- [11] 1911, Außenwelt vorstellen: "Objékt (lat.), das Angeschaute, Vorgestellte, der Gegenstand (Gegensatz: Subjekt); in der Grammatik die Ergänzung des Prädikats (durch Nennung des von der Handlung näher oder ferner betroffenen Gegenstandes); objektīv, gegenständlich, sachlich; Objektivität, sachliche Beurteilung; objektivieren, das Erzeugnis unserer Sinne als ein außer uns Vorhandenes (als Ding) auffassen." In: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 296. Online: http://www.zeno.org/nid/20001402471
- [12] Erwin Schrödinger über die Außenwelt als bloßes Modell, über das man nicht wirklich etwas herausfinden kann: "In diesem letzten Kapitel [des Buches Geist und Materie] will ich etwas ausführlicher den seltsamen Sachverhalt behandeln, auf den schon in einem berühmten Fragment des DEMOKRIT von Abdera hingewiesen wird. Es handelt sich um die wunderliche Tatsache, daß einerseits unser gesamtes Wissen über die uns umgebende Welt, ob es nun im Alltagsleben oder durch höchst sorgfältig geplante und mühsame Laboratoriumsversuche erworben ist, ganz und gar auf unmittelbaren Sinnesempfindungen beruht, während andererseits dieses Wissen nicht imstande ist, uns die Beziehung der Sinnesempfindungen zur Außenwelt zu enthüllen. So kommt es, daß in dem Bilde oder Modell, das wir uns von dieser bilden, die Sinnesqualitäten völlig fehlen. Dem ersten Teil dieser Behauptung wird wohl ein jeder leicht beistimmen. Des zweiten Teils hingegegen wird man sich vielleicht nicht so oft bewußt, einfach weil der Laie in der Regel eine große Hochachtung vor der Wissenschaft hat und uns Wissenschaftlern die Fähigkeit zutraut, Dinge herauszufinden, die der Mensch ihrer Natur nach unmöglich herausfinden kann oder je können wird." In: Erwin Schrödinger: Geist und Materie. Friedrich Vieweg & Sohn Braunschweig, 1961. Deutsche Ausgabe der Tanner Lectures vom Trinity College Oxford aus dem Jahr 1956 (Mind and Matter). Dort das Kapitel 6: Das Geheimnis der Sinnensqualität. Seite 66. Schrödinger geht dann beispielhaft auf die rätselhaft Psychophysik der Farben ein. Siehe dazu Farbwahrnehmung ↗